Prog-Night im EXIL
Die drei Formationen Caligula’s Horse, The Hirsch Effekt und Four Stroke Baron berieselten am Mittwochabend das Publikum im Zürcher EXIL-Club mit komplexen, sonderbaren und trotzdem wirkungsvollen Songstrukturen. Insbesondere der vom charismatischen Jim Grey angeführte Headliner aus Australien zog die Zuhörerschaft regelrecht in seinen Bann.
Veranstalter Mainland Music entführt uns einen Abend lang in die progressiven Klangwelten – tief hinein in dieses facettenreiche, nicht immer sonderlich leicht greifbare Liedgut. Vom Programm her hüpfen wir munter auf dem Erdball herum (mit Boxenstopps in den USA, Deutschland und sogar Down Under). Mich hat primär der Name Caligula’s Horse in den EXIL-Club gelockt. Da ich gelegentlichen «Prog-Abenteuern» nicht abgeneigt bin, meinten gewisse Kollegen, dass ich mir diese Band aus dem Land der Kängurus und Vegemite unbedingt einmal reinziehen solle.
Gesagt, getan! Deswegen stehe ich nun hier – nicht unweit von der Zürcher Hardbrücke entfernt – mit einem Bierchen in meiner Pranke und blicke gespannt auf die kleine Bühne der Location. Was mich wohl alles in den kommenden Stunden erwarten wird? Naja, die aus den Boxen erklingenden Hip Hop-Beats als Einstimmungs-Mucke sind jetzt wahrscheinlich nicht ganz ideal. Aber Kopf hoch, es kommt gleich noch anderes Zeugs.
Four Stroke Baron
Die erste Runde beschreiten wir gemeinsam mit Four Stroke Baron aus dem US-Wüstenstaat Nevada. Das Trio zeigt sich in seinem musikalischen Schaffen äusserst experimentierfreudig. Hier treffen Progressive Metal, New Wave und irgendwelche Synthesizer-Orgien aufeinander. Markant ist zudem der verzerrte Gesang von Kirk Witt. Dieses «Mikrofon-Erzeugnis» bohrt sich regelrecht in die Gehörgänge der Besucher. Der Lockenkopf-Bassist, dessen Name leider nirgends ausfindig gemacht werden kann, ist eindeutig der Strahlemann der Truppe. Seine Freude ist durch und durch spürbar. Und wenn wir schon bei strahlenden Dingen sind, ist passenderweise zu erwähnen, dass der Lichttechniker ab und an die an der Decke baumelnde Disco-Kugel als zusätzliches Element in die Show integriert. Nach einer halben Stunde endet der solide, aber keinesfalls alles aus der Bahn werfende Auftritt der Amerikaner.
The Hirsch Effekt
Der Bandname der nächsten Equipe lässt freilich aufhorchen. Ich bin zwar kein Wissenschaftler, habe aber den Verdacht, dass so ein «Hirsch-Effekt» möglicherweise nach dem Konsum von zu viel Jägermeister entstehen könnte. Allerdings ist das lediglich meine Theorie. Falls ihr bessere Vorschläge habt, dürft ihr diese selbstverständlich einbringen.
Die deutschen Künstler sind ebenfalls als Dreiergespann unterwegs. Da sie eine grosszügige Auswahl an Stilen in ihrer Musik vereinen, bezeichnen sie das Resultat der Einfachheit halber als «Artcore». In Sachen Tempo sind sie deutlich rasanter unterwegs als zuvor noch ihre Kollegen von Four Stroke Baron. Wenn mich meine Öhrchen nicht täuschen, tragen die Jungs ihre Texte komplett in ihrer Landessprache vor. Optisch würde man ihnen die teilweise gefühlvollen Lieder eigentlich gar nicht zutrauen. Aber sie hauen gelegentlich auch härtere Abschnitte raus.
Gegen Ende des Sets erhält Tontechniker Justin noch eine besondere Ehre. Er verlässt heute die Tour und bekommt zum Dank einen Kuchen geschenkt. Schöne (und feine) Geste.
Caligula’s Horse
Sodele, nun ist es mit dem Vorgeplänkel vorbei. Wir sind bereit für den Headliner. Ich bin gespannt, was es mit dem Pferd des ehemaligen römischen Kaisers auf sich hat. Von der Aussprache her sollte man das Ganze zudem sinnvollerweise nicht mit «Caligula’s Whores» verwechseln (obschon ich davon überzeugt bin, dass es den Herrschern im antiken Rom garantiert nicht an Mätressen mangelte).
Tatzeit 21.30 Uhr. Möge die Show beginnen! Frontmann Jim Grey führt gekonnt durch das Programm. Charismatische und humorvolle Ansprachen scheinen seine Stärke zu sein. Ausserdem wirken die gelegentlich eingestreuten Deutsch-Fetzen wahrlich sympathisch. Des Weiteren lässt das Gezeigte keine Zweifel aufkommen, dass hier gerade die Hauptattraktion agiert. So mag ich meine Prog-Ladung. Das sind einfach fantastische und atemberaubende Klangwelten! Die Setliste ist als eine Art Zeitreise von der Vergangenheit bis hin in die Gegenwart – und somit zur aktuellen Scheibe «Charcoal Grace» – zu verstehen. Ein späterer Abstecher zum Merchandise-Stand wird definitiv Pflicht! Der Auftritt der «Aussies» geht übrigens praktisch ohne Schwierigkeiten vonstatten. Trommler Josh Griffin muss bloss an einer Stelle kurz seine Schiessbude minim reparieren, aber ansonsten sind keine Schadensmeldungen nötig. Das Publikum geniesst den 95-minütigen Trip in vollen Zügen und würde die Herren am liebsten noch etwas länger in der Schweiz behalten.
Das Fanzit – Caligula’s Horse, The Hirsch Effekt, Four Stroke Baron
Caligula’s Horse überstrahlten alle! Was für eine bombastische Prog-Band! The Hirsch Effekt zeigten ebenfalls spannende Ansätze. Der EXIL-Club war für einen Mittwochabend wirklich gut besucht. Bedauerlicherweise wirkte das Bar-Personal bei hohem Andrang immer noch ein wenig überfordert. In diesem Bereich sollte man sich im Hinblick auf weitere Metal-Shows in diesem Laden zwingend verbessern.
Setliste – Four Stroke Baron
- The Witch
- Friday Knight
- 7th Of July
- Cyclops Prime
- Prostitute Part II: Pretty Woman (Makes Money)
- Cyborg, Pt. 2: The City
- Cyborg Pt. 3 (Because I’m God)
Setliste – The Hirsch Effekt
- Agnosie
- Berceuse
- Kris
- Otus
- Inukshuk
- Lifnej
Setliste – Caligula’s Horse
- Intro
- The World Breathes With Me
- Golem
- Bloom
- Marigold
- Dream The Dead
- The Hands Are The Hardest
- The Tempest
- Slow Violence
- Oceanrise
- The Stormchaser
- Mute
- Daughter Of The Mountain*
*Zugabe