Wir kamen, sahen, blieben – und kommen wieder!
Nachdem es uns die dritte Ausgabe des Iron Fest aufgrund des familiären Settings, der feinen Bandauswahl und der coolen Location schon 2023 ziemlich angetan hat, mussten wir nicht lange überlegen, ob wir auch 2024 wieder mit dabei sind.
Bandtechnisch gabs in diesem Jahr zwar wieder viele „Ups“ und leicht mehr „Downs“ als letztes Jahr, aber das tat dem Ganzen nun tatsächlich keinen Abbruch. Ehrlich gesagt waren wir froh um die eine oder andere Pause und Beine und Rücken dankten ebenfalls. Aber von vorne:
Die Reise startet auch dieses Jahr gemütlich am Donnerstagmorgen – allerdings bei strömendem Regen und mit der Aussicht auf das eine oder andere überschwemmte Gebiet im Saarland. Das Festivalgelände ist global betrachtet einen Steinwurf von diesen entfernt, dürfte sich aber aufgrund der Lage und Bodenbeschaffenheit über ein hoffentlich nicht so verregnetes Wochenende retten. Tatsächlich lüftet sich der Regenschleier kurz vor Überschreiten der schweizerisch-französischen Grenze und unsere Autos traben frohen Mutes in Richtung der einzigen zu passierenden Bezahlmautstelle, wo wir es wirklich jedes Mal fertig bringen, einen Fahrzeughalter vor uns zu haben, der mit diesem System vollends überfordert ist. Da wird ausgestiegen, der Arm gestreckt, Schweiss wird vergossen aufgrund der immer länger werdenden Schlange dahinter, … es kann doch nicht so schwer sein, zur Armlänge passend an die Zahlstation heranzufahren und zwei Münzen in den Schlitz zu stecken. Es sollte sich tatsächlich zeigen, dass wir auch auf der Rückfahrt auf unser Glück zählen dürfen und uns ein solcher Vordermann beglücken wird.
Es ist für gewöhnlich die einzige konfliktbehaftete Stelle während der Fahrt durch elsässisches Gebiet, das wir bei Hagenau dann allerdings in Richtung der malerischen Vogesen verlassen, wo wir zwischen Reichshoffen und Bitsch (das gibt es tatsächlich nicht nur im Wallis) einem wunderschönen Strässchen folgen und dabei herzige Städtchen und Dörfer wie Philippsburg durchqueren und sogar an einem gemäss Internetrecherchen empfehlenswerten Restaurant namens La Petite Suisse vorbeifahren. Die hätten sich ja gewundert, wenn ich da mit meinen 193cm-Stelzen reingelatscht wäre…
Nach der grünen Grenze zu Deutschland und einem kurzen Abstecher ins Saarland entern wir rheinland-pfälzisches Gebiet und gelangen an unseren Zielort. Ein Campingplatz bei Schönenberg-Kübelberg / Gries, direkt am gestauten Ohmbachsee, der dem Iron Fest sein naturnahes Ambiente verleiht und in nur zehn Gehminuten nach den anstrengenden Konzerttagen zu erreichen ist. Dort beziehen wir unser sensationelles Mobilheim mit frisch bezogenen Betten, zwei Toiletten, zwei Duschen, Küche und einer einladenden Veranda – ja, ja, so geht Camping! An dieser Stelle ein fettes Dankeschön an einen gewissen Elöd O. aus DE, einem Manne nach Gottes Ebenbild, der uns diese Möglichkeit verschafft hat – denn die Mobilheime sind in ihrer Anzahl stark beschränkt und dementsprechend begehrt.
So, genug der Landschaftsromantik und Mobilheimangeberei… wir sind ja schliesslich nicht zum Vergnügen hier.
Iron Fest 2024 – Tag 1 (Donnerstag, 23. Mai)
Evil Excess
Ohmbachsee, 17:00 Uhr: Der Boden hält. Die Bühne auch – den Göttern sei Dank, denn Evil Excess werden ihrem Namen absolut gerecht und unterziehen die Konstruktion mit ihrem Black-Speed-Mix einem ersten Stabilitätstest. Die erst 2022 gegründete Band aus Koblenz hat meines Wissens noch kein vollständiges Album produziert, bringt die 40 Minuten Spielzeit aber so gut wie voll. Und das ist nicht von schlechten Eltern, was ich hier zu hören bekomme. Ein solider und würdiger Wachmacher, der das Iron Fest 2024 gelungen einleitet.
Warfield
Warfield aus Kaiserslautern heizen nun die bereits gut vorgewärmte Bühne mit ihrem hartriffigen Thrash weiter auf. Im Publikum werden «Tie The Fucking Rope»-Pappschilder in die Höhe gehalten. Mein Gehirn dichtet derweil beängstigend morbid ein «…and hang the fucking pope» dazu. Aber für derlei religiöse Statements ist es tatsächlich noch nicht spät und der Alkoholpegel noch nicht hoch genug. Spass beiseite: Die Warfield-Wrecking-Crew muss sich nicht lange bitten lassen und Sänger Johannes macht passend zur sich anbahnenden Präsentation der aktuellen Single «Tie The Rope» mit einem bereits vorbereiteten Galgenstrick die Aufwartung. Die Leute rasten aus, Haare fliegen, Riffs flexen, die Stimme sägt, das Schlagzeug bollert: Momol, Warfield gefallen.
Tailgunner
Tailgunner are here to put british Heavy Metal back on the map. Ich wusste zwar nicht, dass das in Zeiten, in denen Judas Priest und Iron Maiden ja noch aktiv sind, nötig ist, aber auch wenn die Ansage natürlich nicht ganz neu ist und am Keep It True Rising schon ge- und erhört wurde: Falsch ist es grundsätzlich nicht, britisches Schwermetall in die Welt hinaus zu tragen. Speziell, wenn er sich so traditionsverliebt, hochmelodisch und mit Gitarrenduellen angereichert präsentiert. Es ist die Art Metal, die an Veranstaltungen wie dem Iron Fest besonders gut bei den Leuten ankommt. Das war letztes Jahr bei Ambush so, das ist heute bei Tailgunner so und wird am Samstag, wie sich noch zeigen wird, auch bei Air Raid so sein. Tailgunner haben Freude, das Publikum frohlockt. Geil!
Hammer King
Endlich. Hammer King wandern bei mir regelmässig in die virtuellen Playlists oder in den heimischen CD-Player, aber ein Live-Erlebnis konnte ich tatsächlich noch nicht verbuchen. Entsprechend gross ist meine Vorfreude auf die Rheinland-Pfälzer, die hier ja praktisch so etwas wie ein Heimspiel haben. Aber selbstverständlich, und wie könnte es auch anders sein, muss just bei dieser Band der Mischer ein paar Hämmer auf den Ohren haben. Denn was auch immer der da gerade zusammenmixt, führt dazu, dass ich bis auf die letzten beiden Songs kaum eine Gitarre ausmachen kann. Schlagzeug ist da, Bass irgendwie auch, Gesang hört man, kommt aber in diesem grausamen Boxenbrei kaum richtig zur Geltung. Beim König aller Hämmer… eigentlich schaue ich mir das Konzert in der Hoffnung an, dass mir auf meine alten Tage doch noch ein paar graue Haare wachsen, die ich alsdann mitschütteln könnte. Stattdessen reisse ich die letzten Überbleibsel meiner tatsächlich mal vorhanden gewesenen Haarpracht aus. Verdammt schade – denn Hammer King finde ich super. Und ich hoffe, sie bei anderer Gelegenheit auch so abgemischt zu bekommen.
Praying Mantis
Praying Mantis haben mir schon oft Vergnügen beschert. Dezent angeheitert stehe ich also mit meinen Kumpels vor der Bühne und erwarte eine würdige Abschlussshow für den ersten Tag. Irgendwie komme ich heute aber bei den Gottesanbetern nicht so richtig in Fahrt. Die Setlist tut es irgendwie auch nicht, oder wird mir dieses Mal zu oft mit langatmig(er)en Stücken runtergebremst. Zwar gibt es beispielsweise mit «Cry for the Nations» und natürlich dem obligaten «Children of the Earth» die üblichen Mitsingverdächtigen, aber das reicht heute nicht für den Top Spot. Ein souveräner Auftritt, der aber leider nur aus zeitlichen Gründen kurzweilig ausfällt. Schade – und trotzdem gerne wieder. Zumal wo und warum auch immer heute für mich der Wurm drin ist, das natürlich nichts an den Sympathiegranaten von Bandmitgliedern ändert.
Tagessieger: Tailgunner!
Iron Fest 2024 – Tag 2 (Freitag, 24. Mai)
Der Tag startet aufgrund leichter Vodka-Brise mit etwas Kopfschmerzen und…
Helldrifter
…Helldrifter aus dem Raum Stuttgart und auch die wissen, wie man die noch nicht so zahlreich Anwesenden musikalisch wachprügelt. Es geht mit zwar durchaus melodischem, aber insgesamt rohem Death Metal heftig zur Sache. Nicht so heftig, dass ich bereits mein erstes Bier verschütten würde – das wird selbstverständlich fein säuberlich runtergeschlürft, um den Körper nach dem gestrigen Vodka-Abschluss nicht gleich zu überfordern. Aber trotzdem wippen Zehenspitzen und Nackenmuskulatur dezent, aber im Takt, mit. Fans des Genres sollten da absolut mal ein oder zwei Ohren riskieren.
Thorium
Thorium aus Belgien gehören zusammen mit Helldrifter und Evil Excess zu den für mich unbekannten Faktoren des diesjährigen Iron-Fest-Billings, vermögen mich mit ihrem sehr melodischen Power Metal aber ebenso positiv zu überraschen. Das Rad wird hierbei zwar nicht neu erfunden, aber es dreht sich rund weiter – und das ist doch schon mal was. Darüber hinaus erinnert mich der Sänger optisch an John „Harv“ Harbinson, seines Zeichens Sänger der irischen Band Stormzone, die hier letztes Jahr ebenfalls spielen und begeistern durften. Und warum genau kommt mir David Marcelis Stimme so dermassen bekannt vor? Hach ja! Er hat mit «The Tempest And The Sea» meinen Song des Jahres 2023 für das Entering-Polaris-Projekt von Gitarrist Tom «Tee» Tas gesungen. Also: Reinhören!
Junkyard Drive
Die sympathischen Dänen mit Rock ’n’ Roll im Blut sind wohl die Pechvögel des Festivals. Just im Vorfeld ihres Auftrittes fängt es an zu regnen, was die Anwesenden in Scharen (sofern man das beim zahlenmässig familär-überschaubaren Publikum so sagen kann) unter die zwar eigens dafür aufgestellten Zelte treibt. Bedeutet: Junkyard Drive müssen mit ihrem energetischen Rock etwa 20 Hartgesottenen vor der Bühne einheizen. Und tun das, ohne mit der Wimper zu zucken. Sehr professionell! Persönlich wünschte ich mir im Umgang mit solchen Situationen dann aber doch etwas mehr Kreativität. Man könnte die Leute animieren… einen «Welches-Zelt-ist-das-lauteste»-Weckruf zwischen die Songs platzieren. Aber nun denn – ändert nichts daran, dass Junkyard Drive Spass machen.
AC Angry
Pünktlich zu AC Angry endet mehr oder weniger die Regenzeit, was ich den Jungs aus Saarbrücken, deren Musikstil ich hier wohl aufgrund des Bandnamens nicht näher erläutern muss, auch absolut gönnen mag. Dennoch holt mich der rotzige Hardrock heute auf keine Art und Weise ab. Die Band kann selbstredend herzlich wenig dafür, dass sich just dieser Musikstil bei mir schnell abnützt und gleichzeitig beginnt, ewig gleich zu klingen. Eine Kritik, die sich später noch eine andere Band wird gefallen lassen müssen. Fairerweise ist das zu vernehmende Echo anderer Eindrücke deutlich positiver als das meinige. Belassen wir es also dabei und beenden die Kritik mit einem Zitat meines Kumpels: «Düüü bisch zProblem» ;). Da hat er wohl recht!
The Night Eternal
So… jetzt aber. Denn auf The Night Eternal freut sich wohl die gesamte Besucherschaft des Festivals und nur ein paar besonders Auserwählte finden sich zum Start der Essener Senkrechtstarter nicht ein. Ein Fehler, wie sich Song für Song herausstellt, denn sowohl die präsentierte Stückauswahl als auch Sound(wucht) und Spielfreude passen hier wie Arsch auf Eimer. Ein Konzert zum Niederknien. Und sie machen mit diesem letztlich natürlich viel zu kurzen Auftritt die kurzfristige Absage am Pyrenean Warriors Open-Air 2022 wieder komplett gut. Auch Sänger Ricardo scheint sich auf der Bühne, die über heilsame Kräfte verfügen muss, pudelwohl zu fühlen. Sein linkes Bein schont er im Vorfeld des Konzerts noch mit zwei Krücken, die dann aber nach gefühlten 10 Sekunden auf der Bühne in eine Ecke der Verdammnis geworfen werden. So geht Heavy Metal! Dazu ein Stimmchen wie ein Träumchen. Merci he!
Bis dahin locker Band des Tages!
Manticora
Manticora so könnte man meinen, würden es nach The Night Eternal nicht leicht haben. Und tatsächlich finden sich wenn überhaupt nicht einmal halb so viele Leute wie noch zuvor vor der Bühne ein. Da ich aber die Band schon einmal live erleben konnte sowie deren vor allem älteren Werke ziemlich gut kenne und schätze, fiebere ich diesem Auftritt mit Spannung entgegen – und werde nicht enttäuscht! Sowohl altes wie auch neues Material wird, obwohl für einige etwas sperrig wirkend, flott miteinander verwoben. Und der Sänger, selbst nicht mehr der Jüngste (wie er spassigerweise übrigens auch von sich selbst behauptet – er sei schliesslich keine 49 mehr), wirbelt umher, als gäbe es kein Morgen, interagiert auch mit den (nun wirklich) Jüngsten im Publikum und heimst alleine dafür den einen oder anderen Sympathiepunkt ein.
So bunt der musikalische Mix teilweise ist, so bunt mixt Mr. Larsen (dessen Vorname übrigens, Achtung, Lars ist) seinen Gesang und wechselt stilvoll zwischen Clear Vocals – die derweil für manche gewöhnungsbedürftig scheinen – und düsteren Growls. Und, als hätten sie mich erhört, wird in diesem wunderbaren einstündigen Set mit «A Long Farewell» auch noch ein sagenhafter Achtminüter vom sensationellen Hyperion-Album abgeliefert – und heilige Scheisse zünden die Dänen hier ein Feuerwerk. Das wohl mit Abstand geilste Gitarrenduett des Festivals. Meine Hochachtung!
Hitten
Hitten aus Spanien lassen es vor der Bühne nun wieder deutlich voller werden (unfair gegenüber Manticora?…unfair gegenüber Manticora!!). Die jung-energetischen Murcianer verdienen das aber durchaus, denn auch sie wissen, wie man die Leute in ihren Bann zieht und begeistern viele der Anwesenden mit 1980er-/eher hardrocklastigem Material der aktuellen Platte «While Passion Lasts», mit dem sie gerade auf Promo-Tour sind. Und ich muss gestehen: Live klingen die auf Platte teils eher etwas soften Songs deutlich druckvoller und spassiger. Auch mein zweites Hitten-Konzert bleibt nach dem schon tollen Auftritt am Headbangers Open-Air 2018 in guter Erinnerung.
Evil Invaders
Nichts und niemand aber hätte mich und die restliche Iron-Fest-Gemeinschaft auf das vorbereiten können, was jetzt auf der Tagesordnung steht. Ich stehe überaus erwartungsvoll und beinah schon vorurteilend in den Startlöchern. Erwartet uns gleich das beste und geilste Konzert des Iron Fests 2024?
Blutrotes Licht durchströmt die frühabendliche Stimmung am Ohmbachsee, bedrohliche Töne dröhnen aus der Soundanlage und zischender Dampf hüllt die Bühne mit ihrer bandtypisch martialischen Ausgestaltung in ein atmosphärisches Gewand, das sogleich von den Evil Invaders mit «Feed Me Violence» erbarmungslos zerfetzt wird. Und während der Sound von der ersten Sekunde an passt, weiss ich gar nicht wie mir geschieht. Der Song hat – gefühlt – eigentlich kaum angefangen, als es in meinen Bartspitzen zu zucken und «chrüsele» beginnt, was nur bedeuten kann, dass mit «Mental Penitentiary» gerade einer der geilsten Songs der Band das Gelände zum Beben bringt.
Für einen kurzen Moment fühlt es sich so an, als würden mir tatsächlich wieder Haare wachsen, die ich zu den sägenden Riffs, den prügelnden Drums und der durch Mark und Bein fahrenden Stimme schütteln könnte. Alter Schwede, was passiert hier gerade? Ich blicke zur Bühne auf, wische mir das eine oder andere Freudentränchen aus den Augen und setze meine Reise durch die dämonischen Klangwelten luftgitarrenschwingend und völlig high aufgrund meines durch Endorphin und Adrenalin geschwängerten Körpers fort. Es folgt «Hissing in Crescendo», welches zwar durch das zahme, aber live doch ziemlich mächtige «In Deepest Black» abgerundet wird.
Evil Invaders wären aber nicht Evil Invanders, wenn darauf mit «Sledgehammer Justice» nicht ein Hammer vor dem Herrn folgen würde. Ich muss unweigerlich kurz an den soundtechnisch verhunzten Hammer-King-Auftritt denken, der hiermit völlig, gnaden- und erbarmungslos wie aber auch wirkungsvoll pulverisiert wird. Es ist unfassbar, was die Belgier hier vom Stapel lassen. Bungee-Jumping ohne Seil? Romantikschwimmen mit Weissen Haien? Rennen fahren mit einer Holzbremse? Ein Weltraumspaziergang ohne Schutzanzug? Eine gemütliche Wanderung im rosaroten Tütü und Picknick-Korb rund um das Tschernobyl-Kraftwerk? Vor Kim Jong-Uns Regierungsresidenz für Freiheit, Demokratie und lebenslangen Gratiszugang zu YouPorn..pardon, YouTube demonstrieren? All das wirkt in diesem gelebten Augenblick irgendwie gerade weniger gefährlich, aber auch weniger spannend als das, was Evil Invaders hier von der Bühne runterbrettern. Daran ändert selbstverständlich auch die Schlussphase mit «Die For Me», «As Life Slowly Fades», «Pulses of Pleasure» und «Raising Hell» nichts.
Auch showtechnisch wird uns hier Zückerchen für Zückerchen präsentiert und so besteigen die beiden Gitarristen immer mal wieder die Rauchspender, um sich von ihnen komplett umhüllen zu lassen. Oder teilen mit dem Kopf und den Stimmeinstellmechaniken der Gitarren eine Pyrofunkenfontäne gerne mal wie Moses das Meer. Oder man steht einfach IN eine dieser Pyrofontänen. «Wieso auch nicht?», denkt sich auch die Kollegin und ausgebildete Pflegerin neben mir.
Fuck me sideways, war das geil!
Demon
Obwohl das Iron Fest 2024 ja irgendwie auch etwas unter dem NWOBHM-Stern steht und mit Praying Mantis, den morgen auftretenden Satan und den jetzt anstehenden Demon drei absolute Hochkaräter des Genres auffährt, möchte ich nun nicht zwingend in der Haut letzterer stecken. Sicher, klar, logisch, ich habe durchaus ein Faible, eine ausgeprägte Vorliebe für einen gewissen Speed und eine gewisse Härte in meiner Lieblingsmusik. Wenn ich galoppierende «Rätärärätärärätärä»-Riffs höre, bewege ich Muskeln in meinem Körper, die ansonsten nur so vor sich hinwegverkümmern würden. Aber vor den Altherren des NWOBHM verneige natürlich auch ich mich in der Regel. Und hey, die neue Demon-Scheibe «Invincible» finde ich ziemlich geil, mal vom etwas zu künstlich wirkenden Coverartwork abgesehen.
Doch obwohl Demon mit Hits wie «Night of the Demon», «Hurricane» und «Sign of a Madman» einsteigen… irgendwie will da bei mir jetzt und dafür keine richtige Stimmung mehr aufkommen. Ich blicke rüber zu meinen beiden Kumpels, die ähnlich leer und stagniert auf die Bühne blicken. Normalerweise würde ich mich ja schämen, solche Worte bei einem solchen Konzert zu verwenden. Aber… irgendwas haben Evil Invaders mit uns gemacht. Ein erneuter Kontrollblick zu meinen beiden Festival-Buddies, ein gegenseitiges, wortloses Zunicken…und… wir machen uns tatsächlich auf und traben zurück zu unserem absolut komfortablen und neiderregenden Mobilheim, um dort den Abend bei einem Käffchen und Schnäpschen ausklingen zu lassen. Und, etwas selbstbelügend, hören wir Demon dort zu Ende.
Wir schwingen unsere zusammen über 130 Jahre alten Knochen ins gemütliche Bett, rekapitulieren das heutige Göttliche und schlummern friedvoll dem morgigen Tag entgegen.
Tagessieger: Natürlich Evil Invaders!
Iron Fest 2024 – Tag 3 (Samstag, 25. Mai)
Ist es eine Laune der Natur? Ein Fehler in der Matrix? Ein Wunder der Braukunst? Oder gar göttliche Fügung? Es sind – mögliche – Fragen auf einen Umstand, den ich mir nur schwer erklären kann. Aber den dritten Tag eines Festivals starten wir in der Regel immer in guter körperlicher Verfassung, während der zweite Tag mit Anlaufschwierigkeiten «gesegnet» ist. Scheinbar überfordert das zugeführte Mass an Alkohol in Bierform den Körper am ersten Tag jeweils etwas. Am zweiten Tag hingegen säufst du, salopp ausgedrückt, was du willst und es passiert nichts. Keine komischen Kopfschmerzen, keine Übelkeit… der Körper weiss offenbar, dass er performen muss. Und das ist, auch wenn das natürlich überhaupt nicht als Werbung für Bier zu verstehen ist, auch bitter nötig, denn…
Animalize
…Animalize fordern in dieser Hinsicht einiges. Und egal, ob es jetzt 1 Uhr am Nachmittag, sozusagen Sonnenaufgang, beim ersten Licht des dritten Tages (so als kleine Herr-der-Ringe-Referenz? Kennt ihr? Herr der Ringe?) oder 9 Uhr am Abend ist: Die Band holt auch das letzte Quäntchen Restenergie aus den müden Knochen. Oder sie bewahrt, wie wir aufgrund der Berichterstattung zur zweiten Ausgabe des Starlett Stocks im Luzerner Sedel wissen, gar vor einem tragischen Einschlafen. Und Einschlafen, oder nicht richtig wach werden, ist jetzt eigentlich völlig unmöglich, denn Sänger Coyote (ja, es ist eine dieser Bands, deren Mitglieder sich durchwegs nachvollziehbare Übernamen geben) stürmt erst einmal mit einer wohlgemerkt funktionierenden Kettensäge auf die Bühne und gibt damit die Marschrichtung vor. Es folgt wahrlich ein mehr als gelungener Wachmacher mit leider nur kurz anhaltender Wirkung, denn 30 Minuten sind auch bei dieser Band leider sehr schnell vorbei. Trotzdem lässt sich hier praktisch jede Sekunde geniessen. Animalize wissen, wie man die Sympathien beim Publikum weckt und lockern die Stimmung zwischen den Songs mit kurzen englischen Sprecheinlagen, die mit einer guten Portion «fransösichem Accsent» geschwängert sind, auf. Herrlich.
Auch herrlich: Die gelungene Showeinlage beim abschliessenden «Samourai de l`universe», bei der sich die beiden Gitarristen mit einem Samuraischwert gegenseitig die Kehlen aufschlitzen und effektvoll Kunstblut aus der Kehle röcheln. Dass Kollege Bürki, ein überaus sympathischer Zeitgenosse vom natürlich aufs Zahnfleisch verfeindeten Konkurrenzmagazin Metal Factory just dann Bier holen geht und somit die Showeinlage verpasst, lasse ich ihn zynisch kichernd wissen. Die Show und deren Einlage… das klingt jetzt etwas falsch… verpassen leider auch 80% der anderen Festivalteilnehmer. Wo zum Geier sind die eigentlich?
Geiler Start, Animalize!
Volter
Bei Volter wird es nun tatsächlich etwas vollter… pardon, voller. Wobei ich die Umstände, die dazu führen, nicht in ihrer Ganzheit zu erfassen vermag. Noch beim Soundcheck reagiert die Band auf einen unverständlichen Zuruf aus dem Publikum mit einem «…beschwert euch beim Veranstalter». Ich bin in diesem Moment nicht ganz sicher, ob das beim Veranstalter so gut ankommt und ob es vielleicht eine Antwort auf die Frage ist, warum man nicht noch lauter wird. Ich zitiere dann mal von der Website der Hannoveraner:
«Nach der Show lassen dich VOLTER zurück… mit einem höllischen Klingeln in den Ohren aber einem breiten Grinsen im Gesicht.»
Ersteres trifft zum Glück nicht zu, und zweiteres eher leider nicht. Warum eigentlich nicht? Ich zitiere weiter:
«„PLAY IT FUCKIN‘ LOUD“»
Ne halt, Moment, falsche Stelle. Hier:
«VOLTER klingen vielleicht wie…, sehen vielleicht aus wie… aber zelebrieren ihre eigene energiegeladene Mixtur aus Rock, Punk & Metal. Wären Motörhead ein Genre, würde man VOLTER genau in diesem platzieren.»
Tatsächlich klingt das so ziemlich exakt nach Motörhead. Fast schon plakativ nach Plagiat. Und so leid es mir auch manchmal tut, solche Ausdrucksweisen zu verwenden: Austauschbar. Zugutehalten kann und darf man der Truppe aber, dass man das Ganze auch als Liebeserklärung an Motörhead verstehen kann. Und hey, würde ich nur zuhören und nicht auch noch zuschauen, würde ich eine Wette darüber eingehen, dass da Lemmy persönlich auf der Bühne steht, so nah kommt der Sänger stimmtechnisch an das Original heran.
Trotzdem: Volter entfachen erneut eine Diskussion über Drei-Mann-Bands, die wir an diesem Wochenende schon zum gefühlt dreiundfünfzigsten Mal führen und die schon zum Running Gag mutiert. Gesucht werden in dieser Diskussion besagte Bands, bei denen man einen Musiker respektive eine Person mehr an der Gitarre nicht vermissen würde. Wir werden auch bei diesem dreiundfünfzigsten Mal nicht einstimmig fündig und heben unsere Hintern von der Sitzbank für die Österreicher von…
Roadwolf
…Roadwolf die ja bekanntlich ihren Auftritt am schon erwähnten Starlett Stock Vol. 2 abgesagt haben, hier nun allerdings gut gelaunt und bei guten Soundverhältnissen eine tolle Show abliefern. Und Roadwolf wären nicht Roadwolf, wenn nicht auch zumindest «Unchain the Wolf» zum Besten gegeben würde. Was sie natürlich tun. Das Publikum dankt es mit grosser Mitsingaktivität. Rhythmische Bewegungsverläufe lassen sich ebenfalls bei «All Hell is Breaking Loose» oder «Midnight Lightning» vom gleichnamigen zweiten Album der Band wahrnehmen, welches am Iron-Fest-Wochenende praktisch seinen 1. Geburtstag feiert. Überhaupt: Fällt ausser mir eigentlich noch jemandem auf, dass der Refrain von «Midnight Lightning» praktisch 1:1 so klingt wie bei «Wild Child» von W.A.S.P.?
Wie dem auch sei: Toller Auftritt der Ösis! Bis bald mal in Helvetien?
In der kurzen Pause zwischen Roadwolf und dem nahenden Luftangriff der Air Raider entflammt in unserem illustren Grüppchen eine weitere, erbitterte Diskussion über etwas praktisch völlig Themafremdes: Filme. Geboren aus einem nicht ganz unüblichen Diskussionsverlauf, wonach jeder damit prahlt, was in seinem Geburtsjahr so Aussergewöhnliches an Bands gegründet und Musikalisches auf die Menschheit losgelassen wurde, küren Feindesgestalt Bürki sowie mein Kumpel mit zufälligerweise gleichem Baujahr Der Weisse Hai zum besten Film des Jahres 1975, was ich mit Baujahr 1984, welches musikalisch natürlich überhaupt nicht zu verachten ist, gepfeffert mit Terminator kontere.
Die Fronten erkalten, Freundschaften lösen sich in Schall und Rauch auf, neue Interessens- und Zweckgemeinschaften bilden sich und das Internet respektive der leider nicht anwesende erweiterte Freundeskreis wird mittels Umfragen zu diesem überaus wichtigen Thema eingeladen und befragt: Der Weisse Hai vs. Terminator – der Filmkampf des Wochenendes tritt in eine heisse Phase ein. Es sind Proklamationen wie «Andy, wenn wir eine Million Menschen befragen würden, jeder würde Der Weisse Hai wählen» oder «Ich habe zwar Der Weisse Hai nicht gesehen, kann dir aber jetzt schon sagen, dass die Wahl so klar wie Klossbrühe auf Terminator fallen würde» zu hören. Aus dem weit entfernten Ungarn vernehmen wir: «Terminator. Wie war nochmal die Frage?».
Es zeichnet sich am Ende ein klares 9:3 zugunsten Terminator ab. Hochgerechnet auf die angesprochene Million von Personen kann sich das Resultat ja jeder selber ausdenken. Ein ganz klarer Erdrutschsieg für die dystopische Cyborg-Zukunft aus der Vergangenheit.
Air Raid
Pünktlich zu glätten sich die Wogen aber natürlich wieder, das demokratische Ergebnis wird durch die Verlierer diskussionslos anerkannt und man liegt sich mit einem Bier in der Hand zu Air Raids nordischen Klängen wieder in den Armen. Hach, Männerfreundschaften sind schon was Feines… Ganz fein ist auch Air Raids super sympathischer Auftritt mit exquisiter Songauswahl, die praktisch durchwegs die Nackenmuskulatur beansprucht. Mit «Aiming for the Sky», «Line of Danger», «One by One», «A Blade in the Dark», «Thunderblood» und Co. haben wir natürlich auch allen Grund dazu. Und uns kommt eine Idee: Air Raid sollten zusammen mit Thriller und Ambush auf Tour gehen. Sackstark, was die Schweden hier, ich glaube für kurze Zeit wiedervereint mit Original-Gitarrist Johan Karlsson, abliefern. Mehr davon!
AIR RAID! AIR RAID! AIR RAID!
Schizophrenia
Hier verrät bereits das Bandlogo, wohin die Reise in den kommenden 50 Minuten gehen wird: Nach Belgien! Höhö, Scherz beiseite, aber das tatsächlich aus Belgien stammende Quartett von Schizophrenia liefert mit seinem astreinen Death Thrash ein deutlich (!) härteres Brett ab, was wunderbarerweise nicht nur durch mich goutiert wird. Ein doch bedeutsamer Teil der Festivalbesucher leiht Schizophrenia mehr als nur ein Ohr. Würden Schizophrenia in einem kleinen Indoor-Schuppen spielen, sie würden ihn wohl gnadenlos auseinandernehmen. Tracks wie «Divine Immolation» (?) und «Cranial Disintegration» (?) – sorry, bei den Trackansagen habe ich nicht wirklich gut aufgepasst – sind absolute Nackenbrecher und bei «Necrophiliac» (Slayer-Cover?) flogen beinah schon die Fetzen. Doch, das ist sehr sehr geil, was die Belgier hier zum Besten geben.
Wheel
Und nun begehe ich wohl einen satanischen Akt der Blasphemie, aber Wheel können mich, obwohl der Auftritt im Netz doch ziemlich abgefeiert wird, heute wirklich nicht abholen. Nach der vorangegangenen Air-Raid-Schizophrenia-Kombo bräuchte es nach Wheel eigentlich einen «animalisierenden» Weckruf, den aber die Innsbrucker von Insanity Alert übernehmen werden. Sorry Jungs, aber das Wetter ist aktuell tatsächlich zu gut und die Uhrzeit noch nicht spät genug, um meine Schwingungen an die eures Depressions-Dooms anzupassen. Ich bin zum Glück nicht der Einzige, der das so sieht. Die Sitzbank dankt das und wird für rund eine Stunde von meinem Hintern gewärmt. Ich habe auch schon wohlwollender zu Wheel geschrieben, aber da habe ich sie in der dunklen Würzburger Posthalle gesehen – definitiv ein würdigeres Ambiente für diese Richtung. Zur «Strafe» gönne (!) ich mir aber in Kürze und bei passender Stimmung das tolle Album «Preserved in Time».
Bitte weiter so, beachtet mich nicht.
Insanity Alert
Insanity Alert feuern anschliessend gefühlt (!) dreissig (!) Songs in Richtung Publikum und nehmen sich selbst, die ganze Welt und den einen oder anderen «Celebrity» dabei nicht ganz so ernst respektive auf die Schippe. Die musikalisch ganz eindeutig im schnelleren Teil des Thrash Metals angesiedelten Songs wie «Metal Punx Never Die» oder «Moshemian Trashedy» (natürlich eine Allgemeinveralberung von Queens Smash-Hit «Bohemian Rhapsody») sind grundsätzlich eine durchaus willkommene Abwechslung im sonst so bierernsten Metal-Alltag. Das untermauern auch Kevins Ansagen am Mikrofon, die in allerfeinstem Tiroler-Dialekt daherkommen. Persönlich grenzwertig wird es aber für mich dann, wenn es, wie es auch immer gemeint ist, mit doch relativ eindeutigen Parolen – beispielsweise – gegen Polizisten geht, die nun wahrlich nicht immer den einfachsten Job haben. Liegt es am Punk-Faktor der Band? Wie dem auch sei: Gesamtheitlich ein sehr unterhaltsamer Auftritt mit ein, zwei Dornen, die aber nicht zu sehr im Fleisch stecken bleiben. Da verzeiht man sogar eine bühnenseitig präsentierte Form der Blasphemie, bei der aus DEM «Run to the Hills» ein humorvolles «Run to the Pit» gemacht wird.
Musikalisch war das so ziemlich meins – der Pöbelfaktor eher nicht so.
The Hellfreaks
Post-Hardcore influenced punk metal. Muss ich mehr sagen? Die vielleicht unnötigste Band auf dem Billing – und das in Verbindung mit einem Slot, den man besser Air Raid gegeben hätte. Wobei.. ich will natürlich nicht vorschnell urteilen. Vom Bandbooking habe ich genau so wenig Ahnung wie ein Tiger von veganer Ernährung. Und die optisch durchaus positiv auffallende Sängerin der ungarischen Truppe sagt ja auch gleich von Beginn weg, dass man gerade einen rund 30-stündigen Roadtrip hinter sich habe. Das zudem wohlgemerkt in praktisch einwandfreiem Deutsch, für das sie sich auch noch völlig unangebracht entschuldigt. Allenfalls wären andere Slots schlichtweg nicht kompatibel gewesen.
Aaaaber, das ändert nun mal wenig am Gesamteindruck dieses Gigs, der die eine oder andere Frage aufwirft.
- Was nochmal genau ist die Genrebeschreibung?
- Wo zum Geier ist der Bassist? Täuschen mich meine Augen oder sehe ich hier tatsächlich nur eine Sängerin, einen Drummer und einen Gitarristen?
- Warum höre ich einen Bass, obwohl da ganz offensichtlich an keinem rumgezupft wird?
- Traut sich der Bassist nicht auf die Bühne? Hockt der gemütlich hinter der Bühne am Seeufer?
- Verschärft sich damit in Kürze unsere Drei-Mann-Band-Diskussion, weil hier offenbar nur zwei Instrumentalisten auf der Bühne stehen?
Später sollen sich die genauen Umstände zwar nicht unbedingt erklären, aber ich stelle fest, dass eigentlich ein Bassist zu dieser Truppe gehört. Er heisst Gabi Domján und es gibt auf der Bandpage sogar ein Bild von ihm. Na? Wo isser denn?
Wie dem auch sei. Musikalisch ist das Dargebotene überhaupt nicht meins und aufgrund des begründet vermuteten Playbacks während dieses Konzerts stellt sich ein fader Beigeschmack ein. Da können die Leute, die auf der Bühne stehen, noch so charismatisch rüberkommen. The Hellfreaks stehen, wenn es mir recht ist, sogar etwas länger als eine Stunde auf der Bühne, was dazu führt, dass…
Satan
…ohne Zweifel die mit grossem Abstand beste Band des Tages, Satan, nicht nur gefühlt zu kurz kommt. Dieser wahrhaft sensationelle (!) Auftritt bockt so dermassen und ist nach den Hellfreaks eine richtige Wohltat. Und Brian Ross, von seiner Rolle als Sänger der Band kaum wegzudenken, ist ein Charmebolzen vor dem Herrn. Maria Mutter Gottes, dieser fast 70-jährige Typus Metallicus dürfte auch bei mir zum Handkuss antraben. Sich seiner wahrlich nur kurzen Bühnenzeit sehr wohl bewusst, verzichtet er heute wohl absichtlich auf längere Ansagen, die zwar immer stark zum Unterhaltungswert der Band beitragen, heute aber das Korsett zu eng schnüren würden – und man will ja nicht noch mehr Songs der ungestüm voranschreitenden Zeit opfern.
Auch das Publikum scheint sich dieser Dramaturgie sehr wohl bewusst zu sein. Nach praktisch jedem Song wollen die «SATAN, SATAN, SATAN»-Chöre kaum abebben. Was Brian sehr wohl zur Kenntnis nimmt und daraus ein kleines Witzchen bastelt. Man solle doch diese Energie mit in einen Supermarkt nehmen und während die Kassiererin die Lebensmittel und Getränke durchscannt lauthals «SATAN ,SATAN, SATAN» schreien. Haha, oh Gott… man stelle sich die arme Frau Hinterbächli in der Migros Münsingen vor. Da kann man gleich im Anschluss noch «CARE TEAM, CARE TEAM, CARE TEAM» rufen.
Und dann dieser gute alte englische Schalk von ihm. In einem anderen Fall von frenetischen Zurufen bedankt sich Brian mit einem überrascht anmutenden und mit britischem Akzent nur so gefluteten «Oh? Very kind..?». Herrlich. Man würde der restlichen Band allerdings ein Unrecht antun, wenn man sich rein auf Brian fokussieren würde. Auch Russ, Steve, Graeme und Sean tragen ihren nicht gerade unwichtigen Teil zum super charismatischen Auftritt bei und sind wir mal ehrlich: Brian mag als Sänger und Entertainer ein Multitalent sein, aber irgendwer muss die Songs ja auch noch spielen. Und das machen die restlichen Jungs verdammt gut. Zusammen bringen sie Tracks wie «Burning Portrait», «Ophidian», «Testimony» und «Alone in the Dock» zum Leben und verabschieden sich zu unser aller Entsetzen eindeutig zu früh von der Bühne. Nicht, weil sie nicht länger spielen wollen würden, aber da will ja auch noch so eine komische Drei-Mann-Band aus Kanada auf die Bühne…
Wahnsinn, Satan! Wahnsinn…
Anvil
Wir haben es unserem Zimmergenossen und Festival-Attaché Mr. Bürki, selbst grosser Anvil-Fan, versprochen. Sollten Anvil heute nicht so richtig auf Touren kommen, so beissen wir trotzdem bis zum bitteren Ende durch. Ich meine, im Grunde weiss man ja, was hier erwartet werden darf. Stichwort «Dildo-Show». Es müsste wahrscheinlich schon mit dem Satan (SATAN, SATAN, SATAN!!) zu und her gehen, wenn good old Lips darauf verzichten würde. Was er natürlich im Verlaufe der Show auch nicht tut. Trotzdem: Bei aller Sympathie und Liebe für Anvil – so richtig auf Touren kommen, will das Ganze heute nicht. Die Briten haben einfach zu mächtig vorgeliefert. Das etwas langatmige «666» hilft da nicht wirklich, aber von der gleichen Platte werden als Einstieg immerhin «March of the Crabs» und als Rausschmeisser das obligate «Metal on Metal» zum Besten gegeben.
Dazwischen gibt es, nicht dass man das nach der Cannabis-Legalisierung in Deutschland hätte vermuten können, «Legal at Last» sowie vom erst noch erscheinenden neuen Album die Single «Truth is Dying». Zugegeben machen live beide Songs doch irgendwie Spass. Den insgesamt … «ok-igen» (?) Auftritt reisst auch «Forged in Fire» nicht wirklich raus. Und so bleibt auch mein zweites Tête-à-Tête mit Anvil zwar definitiv in Erinnerung – das aber nicht, weil hier eine unfassbar geile Show abgefeuert wird oder ein Grossteil der Songs so geil wären, dass sie glatt von einem anderen Planeten stammen könnten (sicher, sicher, «Metal on Metal» ist * doppelhuld * ). Vielmehr liegt es wohl daran, dass ich diese Band mehr lieben will, als es mir guttun würde, das aber dann irgendwie doch nicht kann, weil sich Anvil gerne mal selbst ein Scheit Holz zwischen die Beine werfen. Es ist eine dieser unerklärlichen Verbindungen, die man zwischen sich und der Band spürt, bei der man aber irgendwie nicht so richtig weiss, worauf sich diese gründet. Kultfaktor? Ja, verdammt! Würde man mit den drei Typen gerne mal einen Abend in einer Bar verbringen? Sowas von! Werde ich mir Anvil, so die Götter wollen, noch ein drittes Mal ansehen? Selbstverständlich! Dann war das heute also doch das Gelbe vom Ei? …leider nein.
Aber hey, ich will hier nicht meckern. Speziell an Festivals dieser Grössenordnung ist es wohl nicht Standard, so viele hochkarätige und vor allem kultige Bands zu sehen. Das darf, muss man gar honorieren. Und man munkelt bereits, dass zum Fünfjährigen im Jahre 2025 der eine oder andere Leckerbissen seine Aufwartung machen wird.
Soderle… noch so einigermassen im Rahmen des abgegebenen Versprechens befindend, machen wir uns dann, inklusive Kollege Bürki notabene, noch während «Metal on Metal» gespielt wird, auf in Richtung Ausgang, damit wir beim Zurückbuchen der verbliebenen Festivalkohle nicht noch allzu lange anstehen müssen.
Merci Anvil, merci Iron Fest!
Tagessieger: Ihr dürft 3x raten… CARE TEAM, CARE TEAM, CARE TEAM ;).
Festivalsieger: Evil Invaders!
Das Fanzit – Iron Fest 2024
Zu guter Letzt möchte ich es nicht unterlassen, noch ein paar Worte über das Iron Fest selbst zu verlieren. Ein feines, ein ganz feines, kleines, familiäres Festival in idyllischer Umgebung. Definitiv nicht zu gross, aber auch nicht zu klein. Genau richtig eben. Es gibt genügend Schatten, genügend Sitzmöglichkeiten, die Leute sind super nett, man trifft sich gar mit Anwohnern, man trifft sich mit just den Leuten, denen man auch an anderen Festivitäten begegnet («Ach, du auch da?») und die drei Tage gehen aufgrund des Geländes nicht so sehr in die Knochen wie sonst. Sogar das Bier schmeckt! Tatsächlich keine Selbstverständlichkeit. Kulinarisch gibt es ebenfalls wenig zu meckern und Schwenkerl sowie Iron Burger haben schon durch die eine oder andere Notsituation geholfen.
Etwas zu meckern habe ich allerdings trotzdem: Das neue Cashless-System ist zwar schön und gut, hat aber vor allem am ersten Tag doch ziemlich rumgebockt. Nur schon der Aufladeprozess hat so lange gedauert, dass ich in der Zwischenzeit drei Bier hätte holen gehen können. Und bar bezahlen. Und das zweimal!
Ausserdem wäre es schön, wenn das Personal nicht nur auf Bitten hin mitteilen könnte, was die Bestellung denn kostet und was man noch an Guthaben auf dem Chip hat. Es kam nämlich durchaus vor, dass das Becherpfand nochmals abgebucht wurde, obwohl man ja die entsprechende Menge retourniert hat. Das hatte einen zeitweise etwas unangenehmen Beigeschmack und die Übersicht geht flöten. Nichts, das man nicht freundlich geregelt bekommen hat, aber trotzdem.
An dieser Stelle also auch ein fettes Dankeschön an die freundlichen Festivalhelfer. Ihr gehört zum Gesamterlebnis dazu!
Fanzit: Wir kommen wieder!