Fan-Träume und Rock-Momente
Ein Konzert von AC/DC in der Schweiz ist ein aussergewöhnlicher Anlass. Ein Konzert von AC/DC ist sowieso ein aussergewöhnlicher Anlass. Ersteres hängt ganz nüchtern mit der Tourfrequenz der australischen Hardrock-Legende zusammen. Zweiteres merken Fans des Öfteren in Gesprächen über gute Auftritte an. Dass das Erwartungen schürt, versteht sich von selbst.
Damit wären wir auch bereits beim Grund angekommen, weshalb ich mich am heutigen Samstagabend ins ausverkaufte Stadion Letzigrund begebe, um eben jene berühmten AC/DC einmal selber auf der Bühne erleben zu können. Derart häufig hatte ich nun bereits gehört, diese vier Buchstaben würden die beste Live-Band überhaupt bezeichnen, dass es an der Zeit war, sich selber ein Bild davon zu machen. Mit der Kamera bewaffnet an meiner Seite für die Berichterstattung ist unser Obermetalinsider und langjähriger inbrünstiger AC/DC-Fan pam. Metaphorisch gesprochen allerdings, denn mit dem Fotopass erhält er nur Zugang zum Graben (pam: „Nur“ ?!? Wenn du wüsstest, dass damit grad einer meiner grössten Träume ever wahr wird…), während ich mich mit der Akkreditierung als Schreiberling brav im Zuschauerbereich aufhalte, dort dank frühem Erscheinen allerdings einen Platz in der zweiten Reihe des normalen Stehplatzbereiches ergattern kann. Uns trennt also nur der Golden-Circle-Bereich voneinander, in welchen ein grosser Laufsteg mit runder Plattform am Ende hineinragt. Besagter Bereich ist dann knapp zur Hälfte gefüllt, als es nach drei Stunden Wartezeit unter bedecktem Himmel um 18:30 Uhr schliesslich losgeht mit der Vorband (pam: Warum bist du nicht einfach in den Golden Circle rein? War doch first come, first serve… Ich bin zumindest zur Mitte des Konzerts noch rein… 😉 Raphi: Das war mit meinem normalen Presseticket leider nicht möglich).
The Pretty Reckless
Die hört auf den Namen The Pretty Reckless und hat bei Metalinside in der Vergangenheit nicht nur Lorbeeren abgeräumt. Für mich sind die drei Herren und die Dame trotz ihres Bekanntheitsgrades ein unbeschriebenes Blatt. Die Front übernimmt von Beginn an vor allem Sängerin Taylor Momsen, die mit einer engagierten Darbietung auffällt. Das Stageacting beherrscht die Frau also aus dem Effeff, wobei sie trotz einer bewegungstechnisch expressiven Tendenz stets im Bereich des Authentischen verbleibt. Die Herren an den Instrumenten verbleiben über weite Strecken zurückhaltend. Ben Philips an der Gitarre zieht zwar hin und wieder die Aufmerksamkeit auf sich mit einem Solo, doch meistens hält die Frontfrau das Heft in der Hand, was die Show angeht. Das macht sie – auch ohne den Laufsteg betreten zu dürfen – ganz gut soweit und ihre Freude über den hiesigen Auftritt vermittelt sie mit einem aufrichtigen Unterton. Der gebotene – übrigens mehr als tadellos abgemischte – Alternative Rock bietet derweil genügend spannende Ansätze, um nicht in Belanglosigkeit abzudriften und die Songs werden immer wieder von Samples eingeleitet, die manchmal überraschend aus völlig unerwarteten musikalischen Richtungen Einzug halten. Dass beispielsweise die Einleitung aus „Peter und der Wolf“ einem Song wie „Sweet Things“ vorangestellt wird, ist doch eher ungewohnt. Zusammen mit „Witches Burn“, das Momsen allen anwesenden Frauen widmet, sowie „Make me wanna die“ bildet das Lied einen soliden Block in der Mitte des Sets. Schlussendlich ist es aber das finale „Take Me Down“ den besten Eindruck hinterlässt, bevor The Pretty Reckless sich nach 60 Minuten ohne grosses Brimborium verabschieden und die Bühne rasch verlassen. Bilder vom Auftritt können wir leider keine bieten, da der Fotopass für die Vorband noch nicht gültig war.
Die im letzten Drittel des Auftritts aufkommenden vereinzelten Tropfen verdichten sich nun in der Umbaupause zunehmend. Allenthalben werden Regenponchos ausgepackt, unter denen es sich dank den sommerlichen Temperaturen wie in einem Treibhäuschen gut weiter schwitzt. Mit jeder verstreichenden Minute nimmt der Niederschlag ein bisschen mehr zu und das ganze Team drückt im Redaktionschat schon pam die Daumen, dass es bis zum Beginn des Headliners wieder aufhört. Mit der Möglichkeit, die Truppe um Angus Young zu fotografieren, geht für ihn nämlich ein Traum in Erfüllung, den wir nicht in Sturzfluten ertränkt sehen wollen.
AC/DC
Zwei Minuten vor Acht ist es dann soweit: Die Leinwand hinter der Bühne erwacht flackernd zum Leben und präsentiert uns den Introfilm, der uns im Oldtimerauto auf dem Highway nach Zürich mitnimmt. Mit dem Erlöschen des letzten Frames betreten AC/DC im strömenden Regen die Bühne und starten ihre Show mit „If If You Want Blood (You’ve Got It)“. Ich denke an pam und hoffe, dass er trotz Nässe die Momente hinter der Kamera geniessen kann. Das Publikum tut dies offensichtlich und da der erste Song ein altbekannter Hit ist, singt auch eine ansprechende Anzahl Leute den Refrain mit. Das trifft ebenso auf „Back in Black“ zu, das die Band nach einer ganz kurzen Begrüssung von Brian Johnson (pam: Inklusive der Info, dass die Schweiz an der Euro 2024 in Berlin grad das Achtelfinale gegen Italien 2:0 gewonnen hat) nachschiebt. Und jetzt hat der Regen aufgehört, sodass die Plastikhüllen reihenweise fallen. Mit „Demon Fire“ schliessen AC/DC das Eröffnungstriple und nach drei Songs lässt sich bereits eine Aussage zum Sound fällen. Der ist nämlich druckvoll, ohne zu übersteuern, wobei einzig Brians Gesang etwas lauter sein dürfte und die Backingvocals mit einem unnötigen kratzigen Effekt (oder unsauberen Anschlüssen) zu kämpfen haben.
Mit „Shot Down in Flames“ geht es weiter, bevor dann „Thunderstruck“ angestimmt wird. Doch was ist das? Angus scheint das Spiel schwerzufallen. Das ikonische Riff klebt zäh wie Teer an der Gitarre, das Tempo schleppt. Es fehlt an Spritzigkeit und die Leichte, die diesen Song eigentlich derart schön zum Tragen bringt, geht dem Gitarristen gerade völlig abhanden. Natürlich hat er das Argument des Alters auf seiner Seite, nichtsdestotrotz bin ich überrascht. Ebenfalls überrascht mich, dass das Publikum nicht aktiver ist. Zwar lässt eine genügend grosse Anzahl an Fans bei den entsprechenden Stellen in den Liedern ihre Stimme erklingen, doch völlig ausgelassen ist die Stimmung bis jetzt nicht. Das ändert sich weder bei „Have a Drink on Me“ noch bei „Hells Bells“ massgebend. Bei letzterem sind die Leute vielmehr damit beschäftigt, die über der Bühne herabgelassene Glocke zu filmen. Erst ab „Shoot to Thrill“, welches das Highlight der ersten Konzerthälfte bildet, nimmt das Geschehen im Letzigrund mehr an Fahrt auf. Es ist dies auch der erste Song, bei dem der Laufsteg mal zum Einsatz kommt. Ich habe mich schon zu fragen begonnen, weshalb sie den aufgebaut haben.
Die zweite Hälfte bietet nicht weniger Hits als die erste. „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ animiert bis jetzt die grösste Masse zum Mitsingen, wohingegen „High Voltage“ zu Beginn erstaunlich wenig Resonanz erzeugt im Publikum. Dabei ist das Stück doch so eingängig. Ein kleines Mitsingspielchen in der Mitte des Songs (bei dem nun auch Brian Johnson endlich ganz nach vorne auf den Laufsteg kommt) löst das Problem dann zum Glück. Es bleibt dies übrigens abgesehen von der kurzen Begrüssung die einzige nennenswerte Direktinteraktion mit den Anwesenden durch den Sänger. Ansagen gibts nämlich gar keine, ein Umstand, der dazu führt, dass zwischen den Songs nach dem Abebben des Applauses jeweils stille Wartezeiten entstehen, die dem Konzertfluss leider nicht förderlich sind. Die grossen Gassenhauer reissen es dann wieder heraus: „Riff Raff“ (pam: „Riff Raff“ ist vielleicht die grösste Perle im Set, weil bis zu dieser Tour hatte den Brian noch nie live gesungen…), „You Shook Me All Night Long“, „Highway to Hell“ (inklusive kleinen Pyros und einem Haarreif mit Teufelshörnern für Angus) – alles was Rang und Namen hat, ist in der Setliste vertreten. Das Publikum goutiert das mit mehr Engagement, was zu einer wirklich beachtlichen Soundkulisse aus Angus-Rufen zu Beginn von „Whole Lotta Rosie“ führt. Die Direktübertragung auf den Bildschirmen wird jeweils passend zum Thema der einzelnen Stücke mit verschiedenen Effekten unterlegt. Der Fokus der Kamera liegt dabei offensichtlich auf Brian und Angus mit einigen Einsprengseln von Matt Laug am Schlagzeug. Rhythmusgitarrist Stevie Young und Bassist Chris Chaney fängt die Linse nur selten ein.
Wer der grosse Ankerpunkt dieser Show ist, zeigt sich zum Schluss bei „Let There Be Rock“. Angus Young macht sich das Lied komplett zu eigen und nutzt es als Basis für ein opulentes Gitarrensolo, bei dem er an der Spitze des Laufstegs zeitweise mittels Hebebühne in die Höhe gefahren wird und zudem die Brücke über die Marshall-Wand hinter der Band benutzt. Und hier strahlt sein Stern nun hell auf. Beeindruckend, wie er es schafft, absolut keine Langeweile aufkommen zu lassen, das Publikum mit spitzbübischem Charme einzubeziehen und sich dabei an seine Grenzen – und einmal kurz darüber hinaus – zu spielen. Die Leidenschaft für die Musik sowie sein Instrument, die hier aus ihm herausbricht, ist ansteckend. Als er nach rund zwanzig Minuten auf oben genannter Brücke im Scheinwerferlicht steht, ist das nicht nur der Höhepunkt des Abends, sondern auch einer dieser Rock-Momente, wie aus einem Film. Dieses Level erreicht das ebenfalls tolle „T.N.T.“ im Anschluss nicht ganz, aber dafür ist das Gesangsvolumen der Anwesenden endlich dem Song würdig. Als die letzten Töne verklingen, wird es auf der Bühnen dunkel und vielleicht sollten wir jetzt nach einer Zugabe rufen. Da sich die aktuelle Pause aber kaum unterscheidet von denjenigen zwischen den „normalen“ Liedern, tut dies niemand. AC/DC spielen trotzdem noch den traditionellen Abschluss „For Those About to Rock (We Salute You)“. Sechs Kanonen stehen dazu auf der Bühne, die gemeinsam mit je drei weiteren auf vorgelagerten Podesten auf der linken und rechten Seite für die bekannten Böllerschüsse sorgen. Spektakel zum Schluss, bevor das Konzert nach rund zwei Stunden zu Ende ist.
Das Fanzit – AC/DC, The Pretty Reckless
Überraschenderweise zeigt der anschliessende Blick ins Stadionrund, dass es keine allumfassend stehenden Ovationen gibt. Ich hätte gedacht, dass sich das Publikum auf den Tribünen wenigstens für den letzten Song geschlossen von seinen Sitzplätzen erhebt. Das steht eigentlich gleich sinnbildlich für den ganzen Auftritt von AC/DC: Es war nicht dieses überlebensgrosse Happening, bei dem sich Band und Publikum gegenseitig hochgepeitscht haben, um bis zum letzten Quäntchen Kraft alles zu geben, sondern ein schnörkelloses, gutes Konzert mit Tief- („Thunderstruck“) und Höhepunkten („Shoot to Thrill“ und vor allem „Let There Be Rock“ mit Gitarrensolo). The Pretty Reckless haben ihre Sache als Vorband zudem prima gemacht und die reibungslose Organisation, der die ihr zugrundeliegende Erfahrung anzumerken ist, hat das Übrige beigetragen, um 50’000 Menschen einen schönen Hardrock-Abend zu ermöglichen. Schön, dass ich dabei sein durfte, als dein Traum in Erfüllung ging, pam.
(Achtung, was jetzt folgt, geht über ein Fanzit hinaus… Aber pam und AC/DC – das ist eine längere Geschichte…)
pam: Schön warst du dabei, Raphi. Ich war sicher einer derjenigen, die dir seit Jahren von der besten Live-Band vorschwärmten und somit wohl auch ein kleines bisschen der Grund, warum du da warst (Raphi: Nicht nur ein kleines bisschen – du warst DER Grund überhaupt, lieber pam!). Wie von dir gewohnt – und auch geschätzt – ist deine Analyse sehr nüchtern und objektiv. Bei mir wäre das Ganze wohl um einiges emotionaler und wahrscheinlich auch überschwänglicher gewesen. Finde es somit super, von jemandem die Review zu lesen, der a) jetzt nicht der allergrösste AC/DC-Fan ist und b) sie zum ersten Mal live erlebt hat. Vielleicht ist es ein bisschen wie bei Kiss. Wer nicht als kleiner Junge oder junges Mädchen schon Fan war, der/die wird Kiss ganz schlimm finden. Also mir ging es zumindest so. Aber ja, schlimm fandest du AC/DC ja nicht ;-). Denn im Gegensatz zu Kiss können die Herren auch spielen und singen.
Nun, sind AC/DC noch die beste Live-Band? AC/DC setzten damals mit der Razors Edge-Tour 1991 neue Massstäbe, was die Show an Live-Konzerten betrifft. Das haben sie die letzten 30 Jahre auch ganz gross zelebriert. Auf der aktuellen Tour wurde das auf das absolute Minimum reduziert (Glocke – die nicht mehr schwingt oder gar von Brian geläutet wird – und ein paar Kanonen – im Joggeli 1991 waren es 21 (!) über das ganze Bühnendach verteilt). Keine aufgeblasene Angus- oder Rosie-Puppe. Kein Zug der auf der Bühne crashed. Und irgendwie ist das auch ganz gut so. AC/DC 2024 sind reduced to the Max (ein bisschen wie Iron Maiden auf der letzten Tour). Und ich glaub auch, dass das erklärt, warum die Fans einfach nur da sind, um (die Musik) zu geniessen. Die letzte Tour war bekanntlich vor acht langen Jahren.
Die Stimmung war auf früheren Tourneen (seit meinem ersten AC/DC-Konzert 1991 hab ich keine Tour verpasst) sicher intensiver; unvergessen die Konzerte im Hallenstadion, bei denen vom ersten Ton an und bis zum Schluss sogar alle auf den Sitzplätzen standen. Man könnte jetzt sagen, das Publikum ist schliesslich ebenfalls älter geworden… aber bei AC/DC ist ja das Phänomen, dass da laufend jüngere Fans nachkommen. Ich hab heute drei Jünglinge (kaum 10 Jahre alt…) beobachtet, die bei jedem neuen Song/Riff fast ausgeflippt sind und sofort in den Song eingestimmt haben. Warum es bei dieser Tour weniger abgeht, ist mir offen gesagt auch ein bisschen ein Rätsel. Ich war auf dieser diesen Sommer bereits in Reggio Emilia (IT), Amsterdam und München (London, Stuttgart und Paris folgen noch). Und ich würde jetzt sogar behaupten, die Stimmung in Zürich war bisher am besten (ich stand jedoch ziemlich weit vorne (nach dem Fotografieren) und kann sein, dass es dort besser als bei dir war, Raphi. Und noch zwei weitere überraschende Facts: Mit moderaten CHF 6 für einen grossen Becher Bier war es wohl in Zürich bisher am günstigsten. Und nirgends haben AC/DC so früh angefangen (19.58 Uhr). Das war jedoch der Stadt Zürich geschuldet. Bei der um 22 Uhr im Letzi Schluss sein muss (sic!). Da können wir froh sein, dass eine solche Band überhaupt noch in Zürich spielt. Wobei, ich hab mich kurz von einem Family-Weekend in Brienz ausgeklinkt und war nicht ganz unglücklich, wurde es nicht zu spät. Auch wenn natürlich die Licht-Show bei mehrheitlich noch fast Tageslicht nicht den gleichen Effekt hat. Aber wie gesagt, es geht ja um die Musik.
Der eine oder andere fragt sich wahrscheinlich, warum besucht einer auf einer Tour sieben Konzerte – grad bei AC/DC wo es garantiert keine Überraschungen gibt? Nun, weil es eben AC/DC sind und weil ich es mir letztes Jahr am Power Trip Festival im Coachella-Valley, CA (mit AC/DC zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder live) geschworen habe. Warum geschworen? Ich hatte damals nicht ganz so viel mitgekriegt vom Konzert und hab dann den Rock-Göttern versprochen, dass wenn sie nochmals auf Tour kommen, ich so viele Konzerte wie möglich mitnehme. Und du weisst bei AC/DC schlicht nicht, wann es das letzte Konzert sein wird. Denn wenn was klar ist, dann dass AC/DC nie eine Abschiedstournee machen werden oder ein letztes Konzert ankündigen. Eines Tages werden wir erstaunt feststellen, dass das letzte Konzert das letzte war. Gut möglich, dass das aber erst in 30 Jahren der Fall sein wird… Denn Angus hat definitiv bewiesen, dass er es noch absolut drauf hat. Auch wenn er zugegebenermassen die gleichen Soli (z.B. das von Raphi erwähnte bei „Let There Be Rock“) schon seit den 70ern gleich spielt und dabei die gleichen Moves zeigt inklusive den „Auf-dem-Rücken-liegenden-Käfer“ auf der Hebebühne. Die „Standard-Songs“ spielen sie praktisch 1:1 wie seit Jahrzehnten. Dann kommen noch ein paar vom aktuellen Album dazu und, was sehr cool ist, eben auch sehr geile Raritäten wie „Riff Raff“ oder auch „If You Want Blood (You’ve Got It)“. „Riff Raff“ ist übrigens eine der ganz schnellen Nummern der Australier – nebst „Whola Lotta Rosie“ und „Let There Be Rock“. Also nichts da mit Tempo rausnehmen (einzig gegenüber dem Tournee-Auftakt in Gelsenkirchen wurde dann schon an der zweiten Station in Reggio Emilia die Setliste um drei Songs gekürzt, da hatte man oder Brian (?) sich wohl doch zu viel zugemutet). Brian ist ja ein paar Jährchen älter (76 vs. 69) und wird sicher irgendwann seinen doch sehr intensiven Gesang in den ganz hohen Gefilden nicht mehr abliefern können. Auf dieser Tour jedoch für mich einwandfrei. Kein Vergleich mit anderen Rocksänger-Grössen, die heute live nur noch ein Topps-Album-Kleber von sich selbst sind (z.B. Axl Rose, Bon Jovi, …). Für mich ist Brian die ganz grosse positive Überraschung. Und natürlich drücke ich auch mal das eine oder andere Ohr zu, wenn es dann mal grad nicht mehr so perfekt ist. Seien wir jedoch ehrlich, AC/DC live ist Angus Young. Solange Angus kann und will, wird es AC/DC live geben. Der Rest der Band wird einfach ausgetauscht. AC/DC haben ja sogar mit Axl funktioniert.
Da ich heute Angus vom Fotopit aus sehr nah erlebt durfte – gut die Bühne war gefühlt 10 Meter hoch (was ja cool ist, damit man die kleinen Herren auch von weit hinten sieht) – ist mir wie nie zuvor aufgefallen, wie Angus in seiner eigenen Welt ist. Seine Augen sind praktisch immer geschlossen, kaum ein Blick zum Publikum oder zu seinen Bandkollegen (er wird wohl auch das Schild der Angusine nicht wahrgenommen haben, die ihm damit mitteilt, dass sie ihre Katze nach im benannt habe… siehe Fotos). Er nutzt auch keine In-Ears – was ja heute schon fast jede Schulband tut – und verlässt sich da wohl einfach auf sein Gefühl (und vermutlich auch das Schlagzeug über die Monitore). Ich kann mich erinnern, wie Angus mal in einem Interview sagte, dass sobald er die Gitarre umhängt, wie ein Schalter bei ihm umgekippt wird und es dann für ihn kein Halten mehr gibt. Möge die Sicherung nie rausfliegen – auch nicht bei High Voltage.
Für mich bleiben AC/DC die grösste und beste Live-Band. Auch mit dem Konzert von heute. Hat vielleicht unter anderem damit zu tun, dass ein AC/DC-Konzert a) sehr rar, b) sehr schnell ausverkauft (das Letzigrund in 10 Minuten) und c) ein gesellschaftliches Happening ist (darüber kann man jetzt streiten… aber ich meinte, es waren auch schon mehr Cervelat-Promis unterwegs). Man trifft sich bei AC/DC. Und meine stark rosarote Fan-Brille macht es schliesslich einfach perfekt. In dieser Verfassung dürfen sie von mir aus noch viele Jahre auf Tour gehen. Einen fetten Arschtritt an alle, die sagen, AC/DC seien zu alt. Wer das sagt, ist selber zu alt. Denn AC/DC sind es definitiv nicht. Let there be rock.
PS: Und der Wettergott war auch noch gnädig… denn nach so gefühlt einer Minute nach Beginn von AC/DC war plötzlich blauer Himmel. Danke auch an Barbara Bodoky von Tiny Miracles Communication für grosse Wunder wahr machen …