Saitenhexer-Magie
Klampfen-Ass Richie Kotzen beehrte am Sonntagabend gemeinsam mit seiner Band den Dynamo Saal in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs. Der Maestro zeigte sich spielfreudig und genoss den Auftritt im verhältnismässig intimen Rahmen. Die halbstündige Eröffnungszeremonie übernahm derweil der Winterthurer Musiker Pablo Jucker.
Wir befinden uns konzerttechnisch in der ruhigeren Phase des Jahres. Die Agenda ist nicht so voll wie sonst – und eigentlich sollte man primär mit dem Geniessen von warmen Sommerabenden (oder dem einen oder anderen Spiel der Fussball-EM) beschäftigt sein. Allerdings zeigen sich die Wettergötter in dieser Disziplin zurzeit eher uneinsichtig. Gewitter und sintflutartige Regengüsse werden bevorzugt… Zum Glück verfügt das Jugendkulturhaus Dynamo über ein stabiles, dichtes Dach. Und genau zu diesem Laden bin ich gerade unterwegs.
Weshalb ich das tue? Tja, ein gewisser Richie Kotzen zieht heute Abend in diesem Schuppen eine Darbietung durch. Den Saitenhexer mit dem in der deutschen Sprache zugegebenermassen bizarr klingenden, für Kopfkino sorgenden Nachnamen kenne ich hauptsächlich dank der Truppe The Winery Dogs. In diesem Trio sorgt er zusammen mit Bass-Gott Billy Sheehan und Trommel-Maschine Mike Portnoy für Furore. Aber damit ist Richie vergleichsweise spät bei mir auf dem Radar aufgetaucht. Vielen von euch dürften auch seine vergangenen Engagements bei Mr. Big oder Poison bekannt sein. Ach ja, eine Kollaboration mit Iron Maiden-Gitarrist Adrian Smith gibt es ja ebenfalls noch.
Wenn die Abendkasse oben neben dem Eingang zur Bühne platziert wurde, weiss der Kenner, dass für die heutige Veranstaltung wohl nicht megamässig viel Volk erwartet wird. Ich platziere mich wie gewohnt auf der rechten, vorderen Seite des Raumes in Wandnähe. Nicht unweit von mir entfernt referiert ein enthusiastischer Herr lautstark über sein Gitarristen-Wissen und erklärt den jüngeren Besuchern Fakten zu den einzelnen Künstlern (wie zum Beispiel Yngwie Malmsteen). Ich nippe unaufgeregt an meinem Bierchen und lausche in bester Spionage-Manier ein bisschen mit. Sobald die Musik beginnt, wird der gute Mann ja dann hoffentlich schon schweigen.
Otis Zola
Pünktlich zur Tagesschau-Zeit betritt ein Typ mit flauschiger Mähne die Szenerie. Er wirkt leicht scheu und beinahe ein wenig verloren auf der «Spielwiese», die ihm gänzlich allein gehört. Ehrlich gesagt hätte ich eine Band erwartet, aber die Angelegenheit scheint eine Solo-Nummer zu werden. Beim im Einsatz stehenden Akteur handelt es sich um Pablo Jucker aus Winterthur. Mit akustischer Klampfe und angenehmer Gesangsstimme präsentiert er uns sein Programm. Auf mich wirkt er wie der typische Strassenmusiker. Ein bodenständiger Kerl mit gemütlichem Lagerfeuer-Sound.
Leider plaudern die Leute im hinteren Bereich des Saals zum Teil zu viel und stören dadurch den Musikgenuss… Wo bleibt da der Respekt beziehungsweise die Rücksicht gegenüber dem Künstler und den interessierten Fans?! Macht das doch bitte draussen, merci! Es ist mir ohnehin ein Rätsel, weshalb ruhigere Stücke für manche Leute häufig einen Freipass für unnötiges Geplapper darstellen…
Im Verlauf der kurzweiligen Performance bestätigt Pablo schliesslich auch meinen zu Anfang geäusserten Verdacht. Normalweise seien Otis Zola – so der Name seines Projekts – schon eine ganze Band. Heute müsse er die Sache jedoch im Alleingang schmeissen. Im September dieses Jahres soll dann eine neue EP rauskommen. Diese wird in der Winti-Location «Kraftfeld» garantiert gebührend getauft. Interessierte Nasen können sich den 19.09.2024 somit gerne einmal in ihren Kalendern vormerken.
Richie Kotzen
Saiten-Virtuose Richie Kotzen bestreitet seinen Gig mit Unterstützung von Tieftöner-Hüter Dylan Wilson und Drummer Kyle Hughes. Huch? Aber wo ist denn die lange Haarpracht des Meisters abgeblieben? Oben rum ist er ungewohnt kurz und schnittig unterwegs. Bildlich gesprochen bedeutet das weniger Chris Cornell, dafür mehr George Clooney. Eine Einbusse der Attraktivität hat dies allerdings nicht zur Folge (zumindest soweit ich das als Mann beurteilen kann. Aber die anwesenden Mädels würden mir sicherlich beipflichten).
Richies Gesang ist zu Beginn bedauerlicherweise zu leise, was umgehend allen auffällt. Damit ist der Perfektionist logischerweise alles andere als zufrieden. Ein Techniker wuselt nervös hin und her. Man arbeitet emsig an der Lösung des Problems. Und es wird – den Göttern sei Dank – auch besser. Trotzdem kommt man im Verlauf der gesamten Show leider nie komplett an die optimale Abmischung heran. Ein kleiner Wermutstropfen eines ansonsten für Begeisterungsstürme sorgenden Auftritts. Bei den Ansagen ist die Stimme von Herrn Kotzen ohnehin laut genug.
Oh ja, der Kerl kann Gitarre spielen; DAS steht ausser Frage! Im Rahmen seiner ausufernden «Soli-Attacken» ist Richie fast nicht mehr zu bremsen. Spielend leicht entlockt er seinem Instrument dank überragender Fingerarbeit den einen oder anderen «Schrei». Hinzu gesellt sich ein imponierender Gesang. Fairerweise muss man zugeben, dass nicht viele Künstler auf dieser Welt beide erwähnten Fähigkeiten auf einem solch hohen Level beherrschen. Ausserdem harmoniert Richie hervorragend mit seinen beiden Mitstreitern (und zieht definitiv keine reine Ego-Nummer durch). Insbesondere Dylan ist durchaus für gewisse Spässchen zu haben. Er darf aber auch coole Basslinien beisteuern, welche die Zuhörerschaft zu weiteren «Applaus-Wellen» verleitet.
Die rockigen Stücke werden selbstverständlich lautstark abgefeiert, aber das Trio hat weitaus mehr zu bieten. Diesbezüglich sei beispielweise das vor Blues-Passagen strotzende «Dogs» erwähnt. Da steckt jede Menge Gefühl drin! Die neue Single «Cheap Shots» findet ebenfalls Platz in der Setliste. Nach zwei Zugaben endet die Performance pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk um 21.45 Uhr (Zeitplan somit hundertprozentig eingehalten). Da kommt man für einen Sonntagabend ja sogar frühzeitig retour in seine eigenen vier Wände (ausser man verquatscht sich anschliessend vor dem Dynamo noch eine Weile mit Seraina Telli und «unserem» Mike Malloth – aber das ist dann wieder eine andere Geschichte).
Das Fanzit – Richie Kotzen, Otis Zola
Danke an Good News Prodcutions, dass wir erneut einen Ausnahmekünstler im kleinen Rahmen erleben durften. Das Ganze erinnerte mich irgendwie an die 2018er-Performance von Myles Kennedy, die ebenfalls in dieser Location stattfand. Zu bemängeln blieb am Ende einzig das Problem mit der Gesangsabmischung bei Richie Kotzen (welche vor allem zu Beginn der Show suboptimal war). «Mein» Winti-Kollege Pablo Jucker bot derweil einen locker-flockigen Einstieg in den Abend.
Setliste – Otis Zola
- Darkest Eyes Of Blue
- Heavy Burden
- Dock Of The Bay
- Storyteller
- Can‘t Get Over It
- Red Sun
- Million Miles
- No Grace
- Midnight Special
- Like A Sin
- Leavin‘ Birds