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Fr, 23. August 2024

Mothica – Kissing Death

Alternative Rock, Electronic, Pop Punk
23.08.2024
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Der Tod und das Mädchen

In „Doomed“, dem wohl berührendsten Song des neuen Mothica Albums «Kissing Death», postuliert McKenzie Ashton Ellis (so der bürgerliche Name der schlicht überragenden Frontfrau alias Mothica): „They said I was a gifted child“.

Begabt ist die zerbrechlich wirkende Sängerin mit den vielen über den ganzen Körper verteilten Tattoos in der Tat, ihr neuester Wurf eine an Eindringlichkeit und Intensität kaum zu überbietende Performance … Aber ja, ich weiss, alles schön der Reihe nach …

Mein erster Kontakt mit Mothica geht auf den 27. November 2023 zurück, als ich die Künstlerin im Komplex 457 zusammen mit den Black Veil Brides im Vorprogramm der grandiosen Halestorm (zum Bericht) erleben und schätzen lernen durfte. „Emotional hat mich schon lange keine Band mehr so berührt wie Mothica“ – so lautete damals mein Urteil, an dem sich auch Monate später nichts geändert hat. Vielleicht oder gerade weil das Dargebotene so weit entfernt ist von vielem, was ich mir sonst so in die Gehörgänge träufle. Und mich gleichwohl in seiner subtilen, introvertierten Art anzusprechen vermag. Nun denn …

Unstet – und doch markant!

Den Anfang macht „The Void“, ein Track, der einem unrund laufenden Motor gleicht, schwerfällig, schleppend – „unstet“ beschreibt das vorherrschende Gefühl wohl am ehesten. Das folgende „Exit Plan“ führt dieses diffuse Durcheinander mit flatterig im Hintergrund schwelenden Synthieklängen gekonnt fort, auch wenn hier vorwiegend die inhaltlichen Aussagen im Vordergrund stehen. Allein die ersten 16 Zeilen sind fürwahr starker Tobak, den es erst einmal zu verdauen gilt.

Die verführerisch-düstere Überballade „Doomed“ sorgt sodann für echte Hühnerhaut-Momente. Inhaltlich ein Seelenstriptease Marke Mothica, sind es gerade diese sanften, perfekt zum Thema passenden Klänge, die dem Stück eine unvergängliche Note verleihen – eine traumhaft schöne Ode aus den Tiefen der persönlichen Hölle! Bei „Curiosity Killed The Moth“ (ich liebe das Wortspiel) geht es mit leicht flatternden Vibes und rhythmisch stampfenden Drum-Salven munter weiter, bevor mit „Red“ ein Song mit melodischem Refrain vorübergehend etwas Leben in die doch recht düster möblierte Bude bringt.

„The Reaper“ geleitet in der Folge diese angespannte Nervosität vehement ins Klangbild zurück, setzt sich von Beginn an im Hintergrund fest und prägt auch die Stimmung im Refrain. Hier hilft nur ein beherzter Griff in den Giftschrank – denn mit „Toxins“ folgt der wohl eingängigste Track der gesamten Scheibe, der mit einem markanten Kehrreim sowie treibendem Beat aufzuwarten weiss. Entspannt, aber nicht minder düster schreitet das Geschehen daraufhin mit „Afterlife“ weiter, bevor das eher beschwingte, rhythmische und vor allem im Refrain luftig tanzende „Mirage“ das Zepter übernimmt.

In „Oblivion For Two“ lässt Mothica schliesslich ihre gesanglichen Qualitäten voll zur Geltung kommen. Damenhaft und mit eindringlicher Stimme vorgetragen, erinnert sie mich in einigen Passagen klangfarblich frappierend an Sharon Den Adel von Within Temptation. Das abschliessende „Kissing Death“ kann sowohl musikalisch als auch lyrisch als eine Art Rekapitulation des Albums – oder allgemein des Lebens von Mothica – verstanden werden. „Thought fiveteen was right, so happy I was wrong“ – gerade diese Passage lässt tief in die nun wohl etwas geläuterte Seelenwelt der Künstlerin blicken. Ein kraftvolles, verspieltes Statement zum Schluss, das den Hörer trotz der ernsten Thematik mit einer Prise Hoffnung im Herzen zurücklässt.

Wie aufgeschlossen bist du?

Mothicas Musik gleicht einem düsteren Traum. Eine Reise in die Tiefen der menschlichen Seele, die sich von Album zu Album weiterentwickelt. ‚Kissing Death‘ ist das jüngste Kapitel dieser Reise und zeigt eine Künstlerin, die ihre musikalische Sprache immer weiter verfeinert. Die zwölf Songs erschaffen eine Klangwelt voller Melancholie und Sehnsucht, die unter die Haut geht. Dabei aber immer wieder mit einem leichten Augenzwinkern einen Teil der inhaltlichen Schwere nimmt. Fröhlich-depressiv, um es mal so zu nennen. Wer mehr erfahren möchte, liest am besten unser Interview mit McKenzie.

Natürlich ist „Kissing Death“ weit davon entfernt, als reinrassiges Metal-Eisen durchzugehen. Und doch bietet diese Scheibe gerade in erzählerischen Dimensionen mehr als genügend Hörfutter, sodass sie auch für eingefleischte Metalheads durchaus von Interesse sein dürfte… Ein gesundes Mass an Offenheit vorausgesetzt.

Inhaltlich spielt Mothica in ihren Liedern einerseits mit klaren, verstörend wirkenden Aussagen, andererseits aber auch mit viel Unausgesprochenem, zwischen den Zeilen Verstecktem. Um den gegebenen Interpretationsspielraum nicht mit vagen Vorstellungen und spekulativen Vermutungen zu füllen, lasse ich die Solokünstlerin hier lieber selbst zu Worte kommen.

Emotionale Offenbarung

Mothica: „Ich beschloss, den Tod zur Hauptfigur in einer düsteren Liebeskomödie zu machen“, erklärt sie. „In den Videos bin ich in der Praxis eines Therapeuten zu sehen, der diese komplizierte Beziehung erklärt, als würde er einen verschmähten Liebhaber beschreiben. Die Musikvideos werden wie «Rückblenden» dessen sein, was ich meinem Therapeuten erzähle. Bei der ersten Single „Doomed“ gehen wir zurück in die Zeit einer ängstlichen Teenager-Version von mir.  Dies ist meine erste Begegnung mit dem Sensenmann und ich kritzle Bilder von ihm in mein Tagebuch, umgeben von Herzen.

In der Zukunft trete ich in einer Spelunke auf, gehe in Clubs und bin in Selbstzerstörung verstrickt. Er verfolgt mich und macht mir schliesslich sogar einen Heiratsantrag, woraufhin ich ihn vor dem Altar stehen lasse und weglaufe. Der Film endet mit mir und dem Tod in einer Paartherapie. Ich wollte, dass sich die Musik bildhaft anfühlt, wie der Soundtrack eines Films.“

Bildlich respektive vorbildlich sind zudem auch das Songwriting bzw. die glasklare Produktion. Da wird nichts dem Zufall überlassen, jeder Ton, jede tonale Verzögerung perfekt eingefangen und dem stimmigen Gesamtwerk untergeordnet. Jederzeit treffend und ungemein intensiv in seiner emotionalen Wirkung. Die einzelnen Stücke sind dabei eher kurz gehalten – gerade mal drei der insgesamt 12 Tracks schaffen es auf eine Spielzeit jenseits der 180-Sekunden-Marke. Das lässt sich aber angesichts ihrer intensiven, bewegenden Art durchaus verschmerzen. Dass alles wie aus einem Guss klingt, überrascht bei all der Liebe zum Detail daher kaum!

Das Fanzit Mothica – Kissing Death

Wow… respektive: W.O.W.! Selten habe ich einem so persönlichen, tiefgründig verstörenden und gleichwohl schmetterlingsleichten Werk gelauscht!

„Kissing Death“ zählt für mich bereits jetzt zu den besten Alben des laufenden Jahres – auch wenn letzteres noch verhältnismässig lang ist und der vorliegende Longplayer irgendwie so gar nicht in die typische „Metal muss krachen“-Schiene passen will. Ein eher stilles, in sich gekehrtes, aber dennoch sehr intensives, berührendes Opus. Wer es dagegen lieber schmissig-krachend mag, sollte sich schon mal meine Rezension zu „Rodeo“ von April Art vormerken…

Mothica liefert mit „Kissing Death“ ein Album voller Tiefe und Emotionen ab, das musikalische Grenzen zu überschreiten vermag. Eine 10er Wertung ist in der Tat ein ziemlich dediziertes Statement… das sich Mothica mit ihrem dritten Wurf in meinen Augen resp. Ohren aber redlich verdient hat. Und damit ein dickes Ausrufezeichen setzt.

Anspieltipps: Another High, Doomed, Red, Afterlife

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Trackliste Mothica – Kissing Death

  1. The Void
  2. Exit Plan
  3. Another High
  4. Doomed
  5. Curiosity Killed the Moth
  6. Red
  7. The Reaper
  8. Toxins
  9. Afterlife
  10. Mirage
  11. Oblivion for Two
  12. Kissing Death

Line-up – Mothica

  • Mothica – Gesang

Video Mothica – Doomed


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 10/10



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23.08.2024
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