Keine Frage der DNA
Von Delain zur Solokarriere: Charlotte Wessels überzeugt auf „The Obsession“ mit einem neuen, kraftvollen Sound (zur Review). Wie ist es ihr gelungen, ihre persönlichen Dämonen in Musik zu verwandeln? Wir sprachen mit der charismatischen Niederländerin über ihr erstes richtiges Soloalbum.
Während ihre früheren Soloprojekte eher experimenteller Natur waren, präsentiert sich Charlotte Wessels auf „The Obsession“ mit einem reiferen und fokussierteren Sound. Die Zusammenarbeit mit ihren ehemaligen Bandkollegen von Delain dürfte dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Die gemeinsame Arbeit im Studio und die gegenseitige musikalische Inspiration führten so fast automatisch zu einem intensiveren und dynamischeren Klangbild. Dabei ist die sympathische Sängerin ihrer unverwechselbaren Art zu Singen treu geblieben, die den Songs eine enorm emotionale Tiefe verleiht.
Metalinside (Sandro): Wie geht es dir?
Charlotte: Vielen Dank, mir geht es gut! Der Tag war ziemlich anstrengend, aber jetzt habe ich es mir mit einem Glas Wasser und einem kleinen Snack gemütlich gemacht. Sieht so aus, als wäre ich bereit für ein nettes Gespräch [lacht].
Neben der Kreativität und Leidenschaft, welche die innovative Klangkünstlerin in ihre Musik steckt, sind es sicher auch die kleinen Dinge des Alltags, die ihr Freude bereiten. Daher meine erste Frage (quasi zur Auflockerung) …
Metalinside (Sandro): Was heitert dich auf?
Na ja, nicht ganz der Einstieg, den sich Frau Wessels vorgestellt hat. Sie schaut mich zuerst etwas irritiert an, fängt sich aber schnell wieder, kaut genüsslich weiter an ihrem Snack und lächelt mich an.
Charlotte: Meine Haustiere, vor allem mein Hund, sind definitiv ein wichtiger und bereichernder Teil meines Alltags. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen und sie bereiten mir viel Freude. Dann natürlich meine Band – sie ist wie eine zweite Familie – und mein Büro, wo ich oft kreativ sein kann. Solche einfachen Dinge.
The Obsession
Der kreative Prozess eines Künstlers ist häufig Veränderungen unterworfen. Auch Charlotte Wessels hat ihre Herangehensweise an Songwriting und Produktion im Laufe der Zeit ständig weiterentwickelt. War sie bei ihrer früheren Formation Delain nicht nur Frontsängerin, sondern auch eine wichtige kreative Kraft hinter den Texten und der Musik, so klangen ihre ersten beiden Solo-Compilations „Tales From Six Feet Under Vol. 1 & 2“ nach einer Art musikalischer Selbstfindung. Eine Suche, die sie mit „The Obsession“ wohl nicht nur in meinen Ohren sehr erfolgreich abgeschlossen hat. Welche Faktoren haben zu dieser Veränderung im kreativen Prozess geführt und wie hat sich dies auf das Endergebnis ausgewirkt?
MI: Was war ausschlaggebend dafür, dass dein neues Album so klingt, wie es klingt?
Charlotte: Ich denke, der grösste Unterschied bei „The Obsession“ ist, dass ich dieses Mal die Band mit einbezogen habe. Es geht nicht nur darum, dass sie auf dem Album spielen – das allein schon verändert die Situation natürlich erheblich -, sondern jeder von ihnen hat der Musik seinen eigenen Stempel aufgedrückt. Besonders Timo war sehr stark in den Prozess der Neuarrangements involviert, und seine Denkweise hat auch mein Herangehen an das Songwriting beeinflusst.
Als ich damals die Tracks für „Tales from Six Feet Under – Vol. 1 & 2“ geschrieben habe, hätte ich nicht im Entferntesten daran gedacht, dass a) diese Stücke jemals auf einem Album landen oder b) ich sie jemals live spielen würde. Diese Gedanken standen schlicht nicht im Raum. Ich habe einfach viel experimentiert und ausprobiert – es war das erste Mal, dass ich mich ans Produzieren wagte, und im Grunde habe ich alles doch sehr öffentlich gelernt [lacht].
Bei dieser Scheibe war das anders: Ich wusste von Beginn an, dass ich kein Sammelsurium von Patreon-Songs machen wollte, sondern ein Album mit einem klaren Anfang, einem Ende und einem durchgehenden Sound. Ich wusste zudem, dass ich die Band mit ins Studio nehmen und die Tracks später live mit ihnen spielen würde. All das hat viele Entscheidungen im Songwriting-Prozess beeinflusst. Man schreibt einfach mit einem ganz anderen Bild im Kopf. Statt zum Beispiel in elektronische Soundscapes abzutauchen, habe ich mich bewusst dagegen entschieden, weil ich wollte, dass die Gruppe im Vordergrund steht. Schon beim Schreiben hat man das Gefühl, auf der Bühne zu stehen – und das hat für mich den Unterschied gemacht.
Puh, das war eine lange Antwort [lacht]! Sorry, aber ich glaube wirklich, dass die Band der entscheidende Faktor war.
Die Sache mit der DNA
Was mich natürlich in keinster Weise stört, schliesslich liebe ich es, wenn mein Gegenüber so fleissig aus dem Nähkästchen plaudert. Doch blicken wir kurz zurück: Ende April 2023 durfte ich ein Gespräch mit Delain-Mastermind Martijn Westerholt führen (zum Interview). Dabei fiel auch der Begriff „Delain-DNA“ – was uns zu der Frage führt, wie viel von diesem Bauplan des Lebens (in unserem Fall natürlich auf die Musik übertragen) in „The Obsession“ zu finden ist. Zumal – wie Charlotte bereits erwähnte – mit Timo Somers (Gitarre), Otto Schimmelpenninck van der Oije (Bass) und Joey Marin de Boer (Schlagzeug) gleich drei alte Weggefährten aus früheren Tagen wieder mit an Bord sind. Welchen Einfluss hatte das auf „The Obsession“?
MI: Wie viel Delain-DNA steckt in „The Obsession“?
Charlotte: Nun, ein Teil der Bandbesetzung ist dieselbe, das ist natürlich der offensichtlichste Punkt. Aber abgesehen davon erachte ich es offen gestanden als wenig zielführend, die beiden einander gegenüberzustellen – es ist wie der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln und Birnen. Das Songwriting verlief gänzlich anders, genauso wie der Aufnahmeprozess. Natürlich war ich sowohl bei Delain als auch nun bei diesem Album beteiligt, was eben zu einer gewissen Überschneidung führt.
Zudem fühle ich mich zugegebenermassen ein wenig unwohl, diese Frage direkt zu beantworten. Nicht, weil ich es nicht will, aber ich weiss, dass die Leute ohnehin ihre eigenen Vergleiche anstellen werden, und ich möchte ihnen keine vorgefertigte Meinung aufzwingen. Wenn jemand die Musik hört und denkt: „Oh, das erinnert mich an Delain“ – dann ist das völlig in Ordnung. Damit habe ich überhaupt kein Problem, aber mir ist es wichtig, dass die Leute offen an das Album herangehen und sich ihre eigenen Gedanken machen, sich selbst eine Meinung bilden.
MI: Wie darf ich mir den Songwriting-Prozess zu „The Obsession“ vorstellen?
Charlotte: Normalerweise beginne ich beim Songwriting mit einem Gesangs-Hook – einer Melodie, die sich in meinem Kopf festsetzt und von der aus ich dann weiterarbeite. In letzter Zeit können das aber gerne auch instrumentale Passagen sein, die die Inspiration liefern – besonders seit ich mehr in die Produktion involviert bin. Ich spiele gerne mit schönen Plug-ins oder Orchesterklängen herum [lächelt], und manchmal löst das direkt kreative Ideen aus. Meistens fange ich aber, wie zuvor erwähnt, mit einer Gesangslinie an und baue dann darauf auf.
Ich versuche, den Song zuerst in groben Zügen zu skizzieren, aber meistens bleibe ich irgendwo bei den Details hängen [schmunzelt]. Eigentlich möchte ich das Grundgerüst schaffen und es dann Stück für Stück ausarbeiten, aber eben… [sinniert] Wenn ich mich auf eine bestimmte Stelle konzentriere, möchte ich bereits die Hintergrundelemente im Kopf haben und mir überlegen, welche Instrumentierung dazu passt. Meistens arbeite ich mit digitalen Instrumenten und meiner Stimme, bis ich eine erste Version des Liedes habe. Diese schicke ich dann zum Mixen und stelle sie auf Patreon – das ist dann gewissermassen die Version eins des Songs.
Bei diesem Album war das eigentliche Songwriting nur der erste Schritt. Danach haben wir den Prozess geöffnet und Re-Arrangement-Sessions abgehalten. Timo hat sich dabei sehr um diese Umgestaltung gekümmert, und die Gitarrenparts, die ich ursprünglich mit MIDI-Tools erstellt hatte, wurden von der Saitenfraktion in richtig kraftvolle Riffs verwandelt. Anschliessend ging es mit der ganzen Band ins Studio, wo zuallererst das Schlagzeug eingespielt wurde. So konnten wir alle Parts ausprobieren und sicherstellen, dass sie gut zusammenpassen. Joeys Drums haben das Fundament gelegt, auf dem alle anderen Instrumente aufbauen konnten.
Ausserdem habe ich mit Vikram Shankar zusammengearbeitet, der einige fantastische Orchester- und Soundarrangements beigesteuert hat, die ich wirklich liebe. All diese Elemente haben dazu beigetragen, dass die Songs auf diesem Album so geworden sind, wie sie sind.
Inspiration und Therapie
MI: Gibt es manchmal Phasen, in denen dir die Inspiration fehlt? Und wie gehst du damit um?
Charlotte: Bis vor Kurzem hätte ich diese Frage wahrscheinlich noch verneint, aber jetzt erlebe ich wohl zum ersten Mal so etwas wie eine kleine Blockade. Als ich versuchte, wie jeden Monat einen Song für Patreon zu schreiben und aufzunehmen, fiel es mir wirklich schwer, etwas fertigzustellen. Vielleicht liegt es daran, dass ich so lange an diesem Album gearbeitet und all die Ideen, die mir wichtig waren, darin verarbeitet habe. Ich habe irgendwie das Gefühl, alles gesagt zu haben, was ich sagen wollte, und ich bin auch sehr zufrieden damit, wie die Lieder geworden sind. Vielleicht versuche ich jetzt unbewusst, diesem hohen Standard in möglichst kurzer Zeit erneut gerecht zu werden – was natürlich unmöglich ist, vor allem nicht innert zwei Tagen.
Ich weiss nicht genau, woran es liegt, aber ich mache mir mal keine grossen Sorgen deswegen. Normalerweise habe ich keine kreativen Blockaden – ich klopfe auf Holz [lacht und hämmert mit der rechten Hand auf den vor ihr positionierten Tisch] – und ich bin sicher, dass das, was ich jetzt durchmache, nur eine vorübergehende Phase ist. Zudem war ich in letzter Zeit sehr beschäftigt – vielleicht bin ich einfach nur müde. Übrigens, du wirst das Video nicht benutzen, oder? Ist es für dich okay, wenn ich während des Gesprächs eine Banane esse [lacht]?
Wenn ich in eine kreative Sackgasse gerate – was zum Glück selten vorkommt – oder einfach keine Lust habe, ständig über meine eigenen Gefühle zu schreiben – was ich ehrlich gesagt oft tue – dann lasse ich mich gerne von anderen Quellen inspirieren. Ich nehme zum Beispiel ein Gedicht oder ein Bild, das mich anspricht, und arbeite damit weiter. Wenn mir also morgen oder übermorgen nichts einfällt, habe ich auf jeden Fall ein paar Tricks auf Lager, auf die ich zurückgreifen kann [lacht].
Auf „The Obsession“ erzählt die sympathische Sängerin ihre ganz persönliche Geschichte. Themen wie Angst, Zwangsgedanken und die Flucht davor sind auf dem Album allgegenwärtig und finden in Songs wie „The Exorcism“, „The Crying Room“ und „Ode To The West Wind“ die passende klangliche Untermalung. Charlotte Wessels ganz persönliche Herausforderung heisst dabei OCD (Obsessive-Compulsive Disorder). Eine Zwangsstörung, die dazu führt, dass man immer wieder an Dinge denkt, die einen ängstigen oder stören. Eine mentale Endlosschleife, die sie hier offenlegt.
MI: Wie hast du diese Themen musikalisch umgesetzt und – noch wichtiger – hat dir das Schreiben und Produzieren von ‚The Obsession‘ geholfen, damit umzugehen?
Charlotte: Das Schreiben hilft mir oft sehr, besonders wenn ich die erste Version eines Stückes entwickle. Manchmal habe ich Gedanken, die mir immer wieder durch den Kopf gehen, und je öfter das passiert, desto schwerer und belastender werden sie. Diese Gefühle in Worte zu fassen und aktiv damit zu arbeiten, ist dann oft die einzige Möglichkeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Wenn ich also ein Lied darüber schreibe, verschafft mir das tatsächlich eine Art Erleichterung. Das mag ein egoistischer Grund sein, Musik zu schreiben, aber es funktioniert für mich.
Manchmal denke ich, dass dieser Prozess ein wenig an EMDR erinnert. Kennst du diese Therapieform? Dabei wiederholt man belastende Gedanken, während das Gehirn durch äussere Reize abgelenkt wird – wie ein Links-Rechts-Tick-Tack, das die emotionale Belastung verringern soll. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Musizieren einen ähnlichen Effekt haben könnte. Indem ich die Worte ausspreche, sie in Musik verpacke und mich gleichzeitig auf die Melodie konzentriere, kann ich die Emotionen vielleicht intensiver verarbeiten, als wenn ich nur darüber schreibe.
Ich weiss, es wird oft gesagt, dass Musik eine Art Therapie ist, und vielleicht ist das auch der Grund. Das ist nur so ein Gedanke von mir, vielleicht klingt es ein bisschen verrückt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Musik eine ähnliche, tiefgehende Wirkung haben kann.
Ich habe darüber hinaus angefangen, die Band eine Obsession zu nennen – weil es Momente im Studio mit ihnen gab, die mich wirklich daran erinnerten, warum ich überhaupt davon besessen bin, Musik zu machen [lacht].
Bei EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing – zu Deutsch: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen) wird eine Technik namens ‚bilaterale Stimulation‘ eingesetzt. Dabei werden beide Gehirnhälften durch wiederholte, wechselseitige Reize aktiviert. Das können zum Beispiel schnelle Augenbewegungen von links nach rechts sein, aber auch Töne, die abwechselnd in jedem Ohr zu hören sind. Diese Stimulation hilft dem Gehirn dabei, die traumatische Erinnerung zu verarbeiten und neue, weniger belastende Verbindungen zu schaffen. Es ist, als würde man einem Computerprogramm den Befehl geben, eine Datei neu zu organisieren.
MI: Gibt es auf „The Obsession“ einen Song, der dir besonders am Herzen liegt?
Charlotte: Wenn ich ein Lied hervorheben müsste, das mir besonders am Herzen liegt, wäre es wahrscheinlich „The Exorcism“. Dieses Stück hat eine sehr tiefe emotionale Bedeutung für mich. Selbst jetzt, nach all der Zeit, fällt es mir immer noch schwer, es zu singen, ohne von den damit verbundenen Gefühlen überwältigt zu werden. Es berührt etwas sehr Persönliches in mir und bringt Emotionen zum Vorschein, die auch nach mehrmaligem Hören noch sehr intensiv sind. „The Exorcism“ steht für die emotionale Tiefe und Authentizität, die ich in „The Obsession“ zum Ausdruck bringen wollte.
Unterwegs …
Nach fast fünf Jahren Tour-Abstinenz schlägt Charlotte Wessels mit ihrer zehn Stationen umfassenden Tournee zudem ein neues Kapitel in ihrer Solokarriere auf. Deutschland, Tschechien, Grossbritannien sowie die Schweiz (16. November 2024, Komplex Klub) sind die Stationen, die sie als Support von Vola innerhalb von zweieinhalb Wochen ansteuert. Als ich sie auf die bevorstehenden Konzerte anspreche, strahlt die charismatische Frontdame über das ganze Gesicht.
MI: Ob du dich auf die Tour freust, brauche ich wohl nicht zu fragen. Aber bist du etwas nervös?
Charlotte [etwas nachdenklich]: Die Vorfreude auf die Tour ist riesig! Gleichzeitig habe ich natürlich auch ein bisschen Respekt vor der Herausforderung, denn es ist schon so lange her, dass ich eine komplette Tournee gespielt habe. Ich muss meine Bühnenstimme wieder aufbauen und mich an den Rhythmus gewöhnen. Aber ich bin guter Dinge und freue mich besonders auf die Auftritte mit Vola, die ich echt cool finde. Es wird eine tolle Erfahrung, mit Sophia und den Jungs auf Tour zu sein!
MI: Obwohl es noch eine Weile hin ist: Kannst du dir schon ungefähr vorstellen, wie die Setlist aussehen könnte?
Charlotte: Es ist effektiv noch zu früh, um sowas festzulegen. Wir haben zwar schon viel geprobt, aber die Reaktionen des Publikums spielen eine entscheidende Rolle. Die Release-Show am 4. Oktober wird uns zeigen, welche Songs live besonders gut funktionieren. Klar ist, dass die Singles dabei sein werden, aber der Rest der Setlist wird sich nach den Eindrücken des ersten Auftrittes richten.
Ein Grund mehr, am Samstag, 16. November 2024, nach Zürich in den Komplex Klub zu pilgern und sich überraschen zu lassen, für welche Tracks sich Charlotte und Co. schlussendlich entschieden haben. Kommen wir gegen Ende unseres Gesprächs noch auf ein paar persönliche Aspekte des musikalischen Chamäleons zu sprechen. Frau Wessels ist ja nun schon eine ganze Weile im Musikbusiness unterwegs… Was wäre, wenn…?
Und noch dies …
MI: Wenn du 20 Jahre in der Zeit zurückreisen könntest, welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich geben?
Charlotte: Diese Frage höre ich nicht zum ersten Mal und es fällt mir noch immer schwer, eine konkrete Antwort zu geben [lächelt]. Wenn ich wirklich 20 Jahre zurückgehen und meinem jüngeren Ich einen Rat geben könnte, wäre es vielleicht, früher mit dem Fleischessen aufzuhören. Ich habe festgestellt, dass ich mich dadurch insgesamt besser fühle.
Ansonsten würde ich meinem jüngeren Ich aber vor allem raten, mehr auf die eigene Intuition zu vertrauen. Es ist wichtig, auf sein Bauchgefühl zu hören, auch wenn es manchmal schwerfällt. Gleichzeitig würde ich es dazu ermutigen, nicht zu viel Angst vor Veränderungen zu haben. Veränderungen können beängstigend sein, bergen aber oft auch Chancen für persönliches Wachstum und neue Erfahrungen.
MI: Wenn du die Möglichkeit hättest, in der Neuauflage eines Films mitzuspielen, welchen Film und welche Rolle würdest du wählen und warum?
Charlotte: Ou… [überlegt lange, schlägt die Hände vors Gesicht, schaut zur Decke – und hält dann zwei Finger in die Luft]. Da fallen mir zwei Filme ein. Zum einen „Die unendliche Geschichte“, weil es fantastisch wäre, auf Fuchur zu reiten. Und zweitens könnte ich mir vorstellen, in „Herr der Ringe“ die Rolle der Eowyn zu spielen und den berühmten Satz „Ich bin kein Mann“ zu sagen [lacht herzlich].
MI: Gibt es etwas, was die Leute nicht von dir erwarten würden? Ein Hobby, eine Marotte …
Charlotte: Offen gestanden finde ich es ziemlich schwierig zu sagen, was die Leute nicht von mir erwarten. Ich habe einige Hobbys und Interessen, aber ich bin mir nicht sicher, ob man sie denn wirklich als überraschend bezeichnen kann.
Ich mag unter anderem Gartenarbeit und Pflanzen sehr. Ausserdem habe ich eine besondere Beziehung zu einigen Raben in meiner Nachbarschaft, die ich als meine Freunde betrachte. Aber ich denke, das passt alles ganz gut zu meinem Image. Ich bin auch ein grosser Fan von Horrorfilmen, aber das ist wahrscheinlich nicht allzu überraschend, wenn man sich meine Musikvideos und meinen allgemeinen Stil ansieht. Ich vermute mal, dass ich einfach nicht die beste Person, um einzuschätzen, was andere von mir erwarten würden.
Im Laufe ihrer Karriere hat Charlotte Wessels mit einer beeindruckenden Liste von Künstlern zusammengearbeitet, darunter Zora Cock von Blackbriar, Marco Hietala von Nightwish und Alissa White-Gluz von Arch Enemy. Diese Kollaborationen haben nicht nur ihre Vielseitigkeit als Künstlerin unter Beweis gestellt, sondern auch ihren Sound auf spannende Weise erweitert. Nachdem sie mit so vielen bekannten Stimmen aus der Metal- und Rockwelt zusammenarbeiten durfte, stellt sich für mich die Frage …
MI: Gibt es bestimmte Sängerinnen oder Sänger, mit denen du gerne einmal etwas einspielen würdest?
Charlotte: Ja, es gibt auf jeden Fall Künstler, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde. Aber das verrate ich normalerweise nicht, weil ich Angst habe, es dadurch zu verderben. Ich fühle mich schon sehr glücklich und dankbar, mit so vielen talentierten Musikern zusammenzuarbeiten, deren Arbeit ich sehr schätze. Ich geniesse diese Erfahrung wirklich sehr. Besonders freue ich mich natürlich auch über die Beiträge von Simone [Simons] und Alissa [White-Gluz] zu meinem neuen Album „The Obsession“. Ihre Mitwirkung bedeutet mir sehr viel.
Wie so oft vergeht die Zeit viel zu schnell. Zeit für ein Schlusswort. Die charmante Botschafterin der Dunkelromantik strahlt wieder wie ein Marienkäfer.
MI: Hast du eine spezielle Message an deine Fans in der Schweiz?
Charlotte: Auf jeden Fall! Ich habe wirklich wunderbare Erinnerungen an unsere früheren Auftritte in der Schweiz. Deshalb freue ich mich besonders darauf, im November wieder auf Tournee zu gehen und hoffentlich viele bekannte Gesichter wiederzusehen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe.
An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen bedanken, die dieses Interview lesen, mit mir in Kontakt geblieben sind oder meine Aktivitäten verfolgt haben. Eure Unterstützung bedeutet mir sehr viel. Ich nehme nichts davon als selbstverständlich hin und bin unglaublich dankbar dafür. Also von ganzem Herzen: Danke!
MI: Vielen Dank, Charlotte, für das tolle Gespräch! Ich wünsche dir von Herzen viel Erfolg mit „The Obsession“ und viel Spass auf der kommenden Tour!