Ad Infinitum - Promobild 2024 - Photo Credit: Stefan Heilemann
Mi, 25. September 2024

Ad Infinitum – Interview mit Nik Müller

Modern Metal, Symphonic Metal
08.10.2024
Ad Infinitum - Promobild 2024 - Photo Credit: Stefan Heilemann

Abyss: Das erste Kapitel einer neuen Ära

Am 11. Oktober 2024 veröffentlicht das deutsch-schweizerische Quartett Ad Infinitum ihr viertes Album „Abyss“ (zur Review). Grund genug für ein Gespräch mit Schlagzeuger Nik Müller, der uns spannende Einblicke in die Entstehung ihrer neuen Langrille gewährt.

Ad Infinitums „Abyss“ gleicht einer Expedition durch verschiedene musikalische Welten, von eingängigen Refrains bis hin zu experimentellen Klanglandschaften. Im Interview verrät uns Nik Einzelheiten über die Evolution ihres Stils, das auffällige Artwork der Scheibe und die anstehende Europatour mit Kamelot und Blackbriar. Zudem beantwortet er eine Frage, die ihm noch nie gestellt wurde.

Metalinside (Sandro): Zuallererst ganz herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Wie geht es dir? Seid ihr schon fleissig am Proben?

Nik: Obwohl die Vorbereitungen für die Auftritte noch gar nicht richtig angelaufen sind, stecken wir bereits in einer leicht hektischen Phase [lacht]. Die eigentlichen Proben beginnen erst in etwa eineinhalb Wochen, kurz vor unseren Shows. Trotzdem gibt es jetzt schon viel zu tun: Wir müssen noch viele Dinge klären, planen und technische Details vorbereiten. Der ganze alte Spass eben, den wir schon kennen und der halt doch immer wieder spannend ist.

Am Abgrund

Wie ich bereits in meiner Review zum am 11.10.2024 erscheinenden Silberling „Abyss“ dargelegt habe, markiert das neueste Werk von Ad Infinitum einen entscheidenden Wandel in der musikalischen Ausrichtung der Band. Während frühere Platten stark von symphonischen Elementen geprägt waren, präsentiert sich ihr neuster Streich als vielschichtiges und modernes Metal-Erlebnis. Die Gruppe verbindet kraftvolle Riffs, eingängige Melodien und experimentelle Elemente zu einem Sound, der sowohl vertraut als auch erfrischend neu klingt. Deshalb gleich zu Beginn die Frage, was denn zu diesem – nennen wir es mal – Richtungswechsel geführt hat.

MI: Euer neues Album „Abyss“ ist noch facettenreicher und progressiver als sein Vorgänger. Hattet ihr von Anfang an die Absicht, in diese Richtung zu gehen, oder hat sich das im Laufe der Produktion entwickelt?

Nik: Die Entwicklung unseres Sounds war eher ein natürlicher Prozess, vor allem in Bezug auf die Reduzierung der symphonischen Elemente. Wir sind aber keineswegs mit vorgefassten Meinungen in die Songwriting-Sessions gegangen. Stattdessen haben wir uns darauf konzentriert, jedem Stück genau das zu geben, was es braucht. Unsere Herangehensweise war, völlig offen zu sein: Wenn ein Track Keyboardparts benötigte, bekam er sie. Wenn Streicher fehlten, fügten wir sie hinzu. Wenn Drum-Pads verlangt wurden, bauten wir sie ein. Und wenn ein Lied einen richtig asozialen Breakdown erforderte, bekam er genau den. Die symphonischen Elemente traten dabei im Laufe der Produktion einfach immer mehr in den Hintergrund. Wir haben gemerkt, dass die Musik ohne sie noch direkter und kraftvoller wirkt.

MI: Ihr wart also alle vier gleichberechtigt an der Entstehung beteiligt?

Nik: Ja, das war eigentlich schon immer unser Ziel, aber bei „Downfall“ haben wir zum ersten Mal wirklich ein Kompositions-Camp organisiert, bei dem alle vier Bandmitglieder gemeinsam in einem Raum sassen und die Stücke zusammen geschrieben haben. Vorher war das aufgrund der Corona-Pandemie und der grossen räumlichen Distanz zwischen uns schlichtweg nicht möglich. Aber dann haben wir uns entschlossen, es auszuprobieren – und es hat uns so gut gefallen, dass wir jetzt wissen: Bis ans Ende unserer Tage werden wir keine Songs mehr in einer anderen Konstellation schreiben. Wir werden immer zu viert in einem Raum sitzen. Das ist zwar die zeitaufwändigere Variante, weil vier Köpfe viel diskutieren und vielleicht auch manchmal die Dinge zerdenken, aber so entsteht ein Ergebnis, das zu 100 % unser gemeinsames Werk ist.

MI: Wer ist bei euch für welche Aspekte des Songwriting zuständig?

Nik: Im Songwriting-Prozess hat zwar jedes Bandmitglied seinen Hauptverantwortungsbereich: Melissa kümmert sich um die Gesangslinien und Texte, Adrian um die Gitarren, Korbinian um den Bass, und ich bin primär für die Drums zuständig. Trotzdem verfügen wir alle über ähnliches Produktions-Know-how und arbeiten mit vergleichbaren Workflows.

Die intensivsten Diskussionen entstehen meist, wenn es um die Stimmung und Atmosphäre der Songs geht. Wir fragen uns oft: „Wie soll dieser Part klingen? Welche Wirkung wollen wir damit erzielen?“ Um diese Stimmungen einzufangen, experimentieren wir gemeinsam am Computer mit verschiedenen Soundscapes.

Dabei sind unsere Rollen nicht strikt getrennt. Es ist nicht so, dass ich ausschliesslich für die Drums verantwortlich bin oder Melissa nur für den Gesang. Stattdessen verschwimmen die Grenzen, vor allem wenn es um die Kreation von Klanglandschaften und Atmosphären geht. Jeder von uns bringt seine Ideen ein, und zusammen entwickeln wir den Sound, den wir anstreben.

Some Kind Of Monster?

Nik hat zuvor den Begriff „zerdenken“ ins Feld geführt. Gerade kreative Prozesse sind oft von Reibung geprägt. Man stelle sich vor: Vier MusikerInnen in einem Raum, jede/r mit seiner eigenen musikalischen Vision. Wie haben es Ad Infinitum geschafft, dass am Ende ein so stimmiges Album herauskam?

MI: Habt ihr manchmal künstlerische Meinungsverschiedenheiten? Gibt es Situationen, in denen ihr heftig diskutiert, weil jemand eine bestimmte Vorstellung durchsetzen will? Und wie geht ihr mit solchen kreativen Konflikten um?

Nik: [Lacht] Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wir haben keine dramatischen Auseinandersetzungen wie in Metallicas „Some Kind of Monster“, wo sich alle anschreien. Aber natürlich bringt jeder von uns seine eigenen musikalischen Ideen und Einflüsse mit, da wir alle aus unterschiedlichen musikalischen Hintergründen kommen. Für Ad Infinitum haben wir einen gemeinsamen Geschmack gefunden, aber der Weg dorthin ist ein Prozess.

Unser Ansatz ist es, Raum für alle Ideen zu lassen. Zunächst einigen wir uns auf eine grobe Richtung oder Atmosphäre für einen Song – ob er aggressiv, leicht oder eher getragen sein soll. Dann lassen wir die Ideen sich entfalten, auch wenn das Lied dabei manchmal einen ganz anderen Pfad einschlägt als ursprünglich geplant.

Wir versuchen immer, Ideen vollständig zu durchdenken, bevor wir sie kritisieren. Das ist zwar zeitaufwendiger, aber letztlich effektiver. Wenn jemand eine Idee für eine Strophe hat, probieren wir sie aus. Danach experimentieren wir gemeinsam weiter, jeder bringt seine Vorschläge ein – sei es für den Bass oder sogar für ungewöhnliche Soundeffekte. Am Ende entscheiden wir dann zusammen, ob uns das Ergebnis gefällt oder ob wir etwas Neues ausprobieren sollten.

Dieser Prozess ermöglicht es uns, Ideen voll auszureizen und fair zu bewerten, bevor wir sie annehmen oder verwerfen. So gehen wir mit kreativen Differenzen um und finden gemeinsam den besten Weg für unseren Sound.

MI: Melissa ist ja eine vielseitige Musikerin. Beeinflussen ihre Erfahrungen in anderen Projekten, wie ‚Dark Side Of The Moon‘, die stilistische Richtung von Ad Infinitum? Bringt sie neue Einflüsse oder Perspektiven mit?

Nik: Bei Ad Infinitum arbeiten wir völlig autonom an unserer Musik. Es ist nicht so, dass wir übrig gebliebenes Material aus anderen Projekten verwenden. Zum Beispiel würde Melissa nicht vorschlagen, eine nicht verwendete Hook aus einem „The Dark Side of the Moon“-Album für Ad Infinitum zu nutzen.

Allerdings ist es wichtig zu verstehen, dass alles, was wir als Musiker erleben, hören, lesen oder sehen, unseren kreativen Prozess beeinflusst. Jede Kunst, die wir schaffen, ist letztendlich das Ergebnis unserer persönlichen Erfahrungen, Ideen und Gedanken. Das gilt nicht nur für uns, sondern für alle Künstler.

Wenn ich beispielsweise anfangen würde, in einer Technical Death Metal Band zu spielen, würde das sicherlich auch meine Arbeit bei Ad Infinitum in gewisser Weise beeinflussen. Das bedeutet aber nicht, dass wir plötzlich unseren Stil komplett ändern und Technical Death Metal spielen würden.

Unser kreativer Prozess ist viel mehr wie ein Schmelztiegel, in dem sich alle unsere musikalischen Einflüsse und Erfahrungen vermischen. Daraus entsteht dann etwas Neues und Einzigartiges, das den Sound von Ad Infinitum ausmacht. So gesehen dienen Melissas Erfahrungen in anderen Bands eher als Inspiration und erweitern ihren wie auch unseren musikalischen Horizont. Wir lassen uns von unseren vielfältigen Erfahrungen anregen, bleiben aber unserem eigenen Stil und unserer Vision für die Band treu.

MI: Wie lange habt ihr insgesamt an „Abyss“ gearbeitet?

Nik: Unser erstes Songwriting-Camp fand im Dezember 2023 statt. Schon vor unserem Treffen hatte ich an einigen Liedern gefeilt, darunter auch an „The One You’ll Hold On To“. Das erste Demo nannte ich einfach „12 05“, basierend auf dem zwölften Mai, weil mir kein passenderer Arbeitstitel einfiel. Der Song blieb eine Weile auf meinem Computer, bis wir schliesslich gemeinsam daran weitergearbeitet haben.

MI: Euer Musikstil hat sich in Richtung Progressive entwickelt. Hat dieser Wandel auch deine Art, Schlagzeug zu spielen, verändert?

Nik: Eigentlich nicht. Bei den Aufnahmen haben wir eng mit unserem Mixer und Co-Produzenten Jacob Hansen zusammengearbeitet und dabei viel experimentiert. Ein anschauliches Beispiel dafür ist „Anthem For The Broken“, das mit Adrians beeindruckendem Gitarrensolo glänzt. Hier haben wir unter anderem mit Stack-Becken gearbeitet und uns von Adam Janzi von Vola inspirieren lassen, der häufig Step-Back-Techniken verwendet. Einige seiner Ideen haben wir übernommen, was mein Spiel aktiv beeinflusst hat, um dem Stück besser gerecht zu werden.

Grundsätzlich versuche ich jedoch, keine bestimmte Fertigkeit zu erzwingen. Mein Ansatz ist es, den Song in den Vordergrund zu stellen und ihn bestmöglich zu unterstützen. Ich passe mein Spiel dem Bedarf des Songs an, anstatt vorgefertigte Techniken anzuwenden.

MI: Du hast „Anthem For The Broken“ erwähnt. Gibt es auf „Abyss“ einen Song, der dir besonders am Herzen liegt oder vielleicht eine besondere Entstehungsgeschichte hat?

Nik: Es ist wirklich schwer, einen Favoriten zu küren, denn jedes Lied hat seine Daseinsberechtigung und seine ganz eigene Entstehungsgeschichte. Aber der Titel, zu dem ich eine besonders starke Verbindung habe, ist „Outer Space“. Auch weil es der erste Song war, den wir veröffentlicht haben – wenn auch nicht der erste, den wir geschrieben haben. Es war lustig, weil wir uns überlegt hatten, eine Single zu veröffentlichen, die als eigenständiger Track für die US-Tour herauskommen sollte. Zu dem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass ein neues Album kommen würde – obwohl es irgendwie abzusehen war [grinst]. Der Song war noch nicht einmal komplett fertig – ich glaube, wir hatten gerade mal eine Minute und 30 Sekunden im Kasten. Trotzdem wussten wir alle, dass es genau dieser Titel sein würde. Der Vibe passte einfach – dieses spacige und gleichzeitig aggressive Feeling am Anfang. Nachdem wir das Stück dann 27 Mal in den USA gespielt haben, wurde es für uns sozusagen zur ersten richtigen Verbindung zur neuen Scheibe. Deshalb ist die emotionale Nähe zu ihm für uns vier besonders stark.

Ein weiterer Track, der für mich besonders heraussticht, ist „Follow Me Down“. Wir haben sehr viel daran gearbeitet und getüftelt und auch der Videodreh war unglaublich spannend. Aber das Gleiche könnte ich auch über „My Halo“ oder „Anthem For The Broken“ sagen – jeder Song hat seine eigene Entstehungsgeschichte.

„Euphoria“ ist nochmals ein anderes Beispiel – eine Ballade oder besser gesagt Powerballade, die wir im ersten Songwriting Camp geschrieben haben. Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir viel herumprobiert und am Ende sogar einen Vocoder eingesetzt haben – ein Effekt, der im Metal eigentlich nichts zu suchen hat. Aber wir dachten, warum nicht? Und es hat wirklich gut funktioniert.

Gerade bei diesem Album ist die Bindung zu jedem einzelnen Song noch stärker als bei den vorherigen, weil wir viel mehr Zeit und Emotionen in jedes einzelne Stück investiert haben.

Trilogie reloaded

Die ersten drei Longplayer von Ad Infinitum – „Monarchy“, „Legacy“ und „Downfall“ – erschienen zwischen 2020 und 2023 und bilden eine Trilogie, die speziell zu Beginn musikalisch stark vom klassischen Symphonic Metal geprägt ist. Thematisch stehen dabei unter anderem das Leben des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. oder der ägyptischen Pharaonin Kleopatra im Mittelpunkt. Welcher konzeptionelle Ansatz steckt nun hinter dem neuen Werk „Abyss“ und in welchem Zusammenhang steht es mit den geplanten Nachfolgealben?

MI: Steckt ein übergeordnetes Konzept hinter dem Album? Werft ihr einen mutigen Blick in den Abgrund?

Nik: Dieses Mal richten wir unseren Fokus nicht auf historische Figuren oder deren Geschichten. Stattdessen erzählen wir über drei Alben hinweg eine zusammenhängende Story: Abyss, Surface und Elysium. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung eines Gefühlszustands, eines „State of Mind“, um es mal so zu nennen. Wir beginnen mit Abyss, das einen schwachen, düsteren und atmosphärischen Zustand repräsentiert. Mit Surface steigen wir allmählich auf, eine Veränderung setzt ein. Schliesslich erreichen wir mit Elysium den Höhepunkt, der Glückseligkeit und Erlösung symbolisiert. Diese Reise vom tiefsten Punkt bis hin zur Erlösung bildet den Kern der neuen Album-Trilogie.

MI: Das Artwork eurer neuen Platte ist wieder sehr auffällig. Welche Geschichte steckt dahinter und wie spiegelt es das musikalische Konzept wider?

Nik: Ich liebe unser neues Cover für „Abyss“. Wir haben bewusst darauf verzichtet, unsere Gesichter darauf zu zeigen. In der Vergangenheit liessen wir uns stark von klassischen Filmplakaten inspirieren – etwa von „Der Herr der Ringe“ und ähnlichen Motiven, die man sich früher gerne an die Wand gehängt hat. Bei unseren ersten drei „Chapter“-Alben haben wir versucht, die Bildkompositionen in diese Richtung zu gestalten.

Für Abyss wollten wir jedoch einen anderen Weg einschlagen. Wir haben mit Stefan Heidemann zusammengearbeitet, der das gesamte Artwork gestaltet hat. Er hat ein Fotoshooting mit einem Model gemacht, das nun auf dem Cover zu sehen ist. Unser Ziel war es, Chaos, Dunkelheit, Verzweiflung und den Abgrund selbst einzufangen – alles sollte verworren und verschlungen wirken.

„Verworren“ beschreibt das Artwork wirklich perfekt. Es war dann nochmals eine Herausforderung, unser Bandlogo passend zu platzieren, aber nach einigem Experimentieren sind wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich finde, es ist uns wirklich gut gelungen.

Unterwegs

Am Samstag, 26. Oktober 2024 werden Ad Infinitum zusammen mit Kamelot, Blackbriar und Frozen Crown das Z7 in Pratteln rocken. Da es sich für die deutsch-schweizerische Truppe um eine Art Album-Release-Tour handelt, dürfen wir uns ziemlich sicher auf eine geballte Ladung Abyss-Power freuen. Doch wie plant man, mit älteren Titeln umzugehen? Mit wem würde Nik gerne mal auf Tour gehen? Und an welche Momente „on the road“ erinnert sich der Schlagzeuger besonders gerne zurück?

MI: Welche Songs von „Abyss“ werden wir live erleben können? Habt ihr schon eine Setlist in Arbeit?

Nik: Die genaue Setlist für unsere Tour steht noch nicht endgültig fest, aber klar ist, dass wir die Singles des neuen Albums spielen werden. Es ist zwar etwas frech, das jetzt schon zu sagen, da bislang nicht alle veröffentlicht sind [lacht], aber die drei, die bereits draussen sind, werden definitiv dabei sein.

„Outer Space“ haben wir bereits während unserer US-Tour live dargeboten. „My Halo“ und „Aftermath“ wurden ebenfalls getestet, nämlich beim Rock Castle Festival. Dort schmuggelten wir sie spontan ins Set, um ihre Live-Tauglichkeit auszuprobieren. Besonders „Aftermath“ hat uns und dem Publikum grossen Spass bereitet, sodass ich es mir gut vorstellen kann, es fest in die Setlist aufzunehmen. Versprechen kann ich das aber noch nicht zu 100 Prozent.

Da es sich um eine Album-Release-Tour handelt, wird es definitiv ein ordentlicher Schwung neuer Songs geben. Wir freuen uns schon riesig darauf, euch das neue Material live zu präsentieren!

MI: Werdet ihr eure älteren Songs in ihrer ursprünglichen Form präsentieren, oder erwägt ihr, sie mit progressiveren Elementen anzureichern, um sie an euren neuen Sound anzupassen?

Nik: Nee, ich sehe da eigentlich keinen Grund, unsere älteren Lieder für die Tour zu verändern. Sie wurden damals mit einer bestimmten Idee geschrieben und komponiert, und ich finde, das sollte man respektieren. Es ergibt für mich wenig Sinn, jetzt daran herumzuschrauben und sie zu „verfälschen“. Das würde nur zu einer Version führen, die sich vom Original entfernt.

Als Musiker finde ich es generell schwierig, ständig an alten Stücken herumzufeilen. Ich kenne das noch von meiner früheren Band, mit der ich angefangen habe, eigene Musik zu schreiben. Wir hatten immer das Gefühl, wir könnten die Songs noch verbessern, noch perfekter machen. Aber irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen und akzeptieren, dass es eine Momentaufnahme ist. Sonst würde man nie etwas fertigstellen oder veröffentlichen.

Musik, die man früher geschrieben hat, ist eben genau das – eine Momentaufnahme. Das muss man verstehen und akzeptieren. Wichtig ist nur, dass diese Momentaufnahme das Beste repräsentiert, was man zu diesem Zeitpunkt mit seinem Wissen, Können und Gefühl erschaffen konnte. Deshalb würde ich jetzt nicht mehr daran herumdoktern. Das ist zumindest meine persönliche Meinung dazu.

MI: Gab es auf euren Touren besondere Momente oder Erlebnisse, an die du gerne zurückdenkst? Vielleicht sogar einige verrückte Situationen, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Nik: Ach, es gibt auf jeder Tour eigentlich irgendwelche verrückten Momente. Was ich besonders schätze, ist die Situationskomik, die sich oft entwickelt. Es ist faszinierend zu sehen, wie man mit Menschen und Bands, die man vorher nicht kannte, innerhalb von zwei Wochen beste Freunde oder quasi Familienmitglieder wird. Dieser Vibe ist einfach unbeschreiblich gut. Am Anfang ist man noch etwas zurückhaltend, aber am Ende der Tour liegt man sich in den Armen und alles fühlt sich einfach grossartig an.

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir einige Erlebnisse von unserer USA-Tour. Unser Fahrer hatte beschlossen, dass wir mehr vom Land sehen sollten als nur Bus und Veranstaltungsorte. Also hat er unsere Routen umgeplant und uns manchmal früh geweckt, um uns besondere Orte zu zeigen. Einmal standen wir um fünf Uhr morgens am Grab von Billy the Kid. Im ersten Moment war ich noch etwas verschlafen, aber im Nachhinein bin ich sehr dankbar für diese Erfahrung.

Ein anderes Mal wurden wir so um sieben Uhr aus dem Schlaf gerissen und fanden uns im Joshua Tree Nationalpark wieder. Der Anblick war einfach atemberaubend. Wow! Solche Momente werde ich definitiv nie vergessen. Unser Fahrer sah es als seine Mission an, uns ein bisschen was vom Land zu zeigen, und das war wirklich fabelhaft.

MI: Was ich sehr gut nachvollziehen kann! Es ist in der Tat eine wunderschöne Gegend dort. Gibt es eine Band, mit der du gerne mal auf Tour gehen würdest? So richtig, richtig gerne?

Nik: Wirklich, wirklich, wirklich gern [lacht]. Ein zweischneidiges Schwert. Es heisst ja oft: „Never meet your idols“, und ich kann das gut verstehen. Deshalb würde ich Bands wie Sleep Token bewusst ausklammern – manche Erlebnisse möchte ich einfach als normaler Fan geniessen.

Aber wenn ich darüber nachdenke, mit wem ich gerne auf Tour gehen würde, fallen mir sofort Vola ein. Das bedeutet nicht, dass sie keine Idole für mich sind – ganz im Gegenteil. Adam Janzi zum Beispiel halte ich für einen unglaublich talentierten Schlagzeuger, und ich bin ein grosser Fan von ihm.

Mit ihnen auf Achse zu sein, wäre eine fantastische Gelegenheit, mich mit ihnen auszutauschen. Ich finde es extrem spannend, wie sie an ihre Kunst herangehen, und ich würde einfach gerne mal mit ihnen quatschen, um mehr über ihren Approach zur Musik zu erfahren …

Von Einflüssen zu einer noch nie gestellten Frage

Zum Abschluss wie üblich ein buntes Potpourri an Fragen, die den Menschen hinter der Schiessbude etwas näher beleuchten sollen. Einflüsse, Filme, (gedankliche) Zeitreisen …

MI: Apropos Drummer: Wer sind die Schlagzeuger, die dich am meisten beeinflusst haben?

Nik: Das ist immer eine schwierige Frage, denn die Einflüsse spiegeln sich nicht unbedingt eins zu eins in meinem Spiel wider. Aber ich verstehe, worauf du hinauswillst.

Meine absoluten Helden sind definitiv Mike Portnoy von Dream Theater, The Rev von Avenged Sevenfold und Claus Hessler. Jeder von ihnen hat mich auf seine Weise inspiriert und geprägt. Von Claus Hessler habe ich technisch unglaublich viel gelernt. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass ich nicht einfach eine Mischung dieser drei Drummer bin. Ihre Einflüsse haben mir geholfen, meinen eigenen Stil zu finden und zu verfeinern. Jeder Musiker nimmt seine Inspirationen und formt daraus etwas Eigenes.

MI: Du hast vorhin Filmplakate erwähnt. Stell dir vor, du könntest in einem Remake eines berühmten Films mitspielen. Welcher wäre das und welche Rolle würdest du gerne spielen?

Nik [wie aus der Pistole geschossen]: „Herr der Ringe“ und ich wäre ein Zwerg.

MI: Boa, das kam spontan.

Nik [lacht]: Auf jeden Fall „Herr der Ringe“!

MI: Gibt es etwas, was die Fans vielleicht nicht von dir erwarten würden?

Nik: Was man wahrscheinlich nicht von mir erwarten würde? Ich bin wirklich schlecht im Umgang mit Pflanzen. Ein grüner Daumen ist bei mir quasi nicht vorhanden, aber ich gebe nicht auf und versuche es immer wieder. Dafür ist Kochen meine grosse Leidenschaft! Früher habe ich oft Fussball gespielt, aber seit ich so viel unterwegs bin, fehlt mir dafür die Zeit. Und ehrlich gesagt habe ich auch ein bisschen Angst vor Verletzungen. Das sind wohl so die Dinge, die man nicht sofort über mich vermuten würde.

MI: Was wärst du geworden, wenn nicht Musiker?

Nik: Gute Frage. Vielleicht wäre Historiker eine Option gewesen. Ich könnte mir gut vorstellen, ganz klassisch in einem Museum oder an einer Universität zu arbeiten, auch wenn das etwas trocken klingen mag. Eine andere Möglichkeit wäre Meeresbiologe, aber offen gestanden hätte ich viel zu viel Angst vor dem Tauchen, was in diesem Beruf wohl unvermeidlich wäre [lacht]. Früher habe ich mich auch stark im sozialen Bereich engagiert, vor allem in der Jugendarbeit. Vielleicht hätte ich auch in diese Richtung etwas gemacht. Wahrscheinlich wäre es eine dieser drei Optionen geworden.

MI: Das klingt sehr spannend. Wenn du die Zeit um 10 Jahre zurückdrehen könntest, welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich geben?

Nik: Wenn ich meinem jüngeren Ich einen Rat geben könnte, würde ich sagen: Studiere auf jeden Fall Musik und mach dir weniger Sorgen um Geld. Verbringe stattdessen mehr Zeit mit Freunden und Familie. Rückblickend ist das viel wertvoller, als jedes Wochenende zu arbeiten. Die Beziehungen zu den Menschen, die uns wichtig sind, sollten immer im Vordergrund stehen.

Ausserdem würde ich meinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben, die Zeit zu geniessen, in der man noch frei und gesund ist. Es ist nicht so, dass ich jetzt krank bin oder mich nicht bewegen kann, aber mit der Zeit wird man älter. Deshalb ist es wichtig, Jugend und Gesundheit zu schätzen, solange man sie hat.

MI: Ich lasse dich jetzt mal meine Arbeit machen. Gibt es eine Frage, die noch nie gestellt wurde, die du aber gerne beantworten würdest?

Nik: Eine Frage, die mir noch nie gestellt wurde, die ich aber gerne mal beantworten möchte? [überlegt lange und lacht dann] Ja, da gibt es tatsächlich etwas! Es geht darum, wie Adrian [Thessenvitz, Gitarre] und ich uns damals in den Jazz Camps kennengelernt haben.

Wir waren etwa 12 Jahre alt und bei den Jazz Juniors, dem Jugendprogramm des Landesjugend Jazz Orchesters von Bayern. Und die Frage, die mir noch nie gestellt wurde und die ich hiermit beantworte, lautet: Welches Instrument hast du damals gespielt? Nein, nicht Schlagzeug – sondern Bass! Ich wurde schlichtweg dazu verdonnert. Denn wie das oft so ist, gibt es Schlagzeuger wie Sand am Meer, aber Bassisten sind eher rar gesäht. Und ich war so naiv, zu erwähnen, dass ich auch Bass spielen kann. Also wurde mir das Instrument in die Hand gedrückt, und los ging’s!

Wir waren in diverse Combos eingeteilt, die nach Farben benannt waren. Adrian und ich landeten in der roten Combo, und das habe ich noch ganz genau vor Augen. Es gibt sogar ein urkomisches Bild, auf dem Adrian an der Gitarre steht, ich mit dem Bass daneben und unser Schlagzeuger, Ludwig Wandinger, im Hintergrund – ein grossartiger Jazzer aus Berlin. Liebe Grüsse an dich, Ludwig, falls du das hier irgendwann liest!

MI: Die Zeit ist leider fast um. Hast du noch eine besondere Botschaft an deine Fans hier in der Schweiz?

Nik: Vor kurzem war ich wieder mal in Zürich, und ich habe es wirklich genossen. Ich konnte das letzte Sommerwochenende dort verbringen, und es hat mich erneut daran erinnert, was für ein wunderschönes Land die Schweiz doch ist. Natürlich ist es ein bisschen teuer, besonders wenn man aus Deutschland kommt, aber es ist jeden Cent wert.

Ich freue mich riesig auf unseren nächsten Auftritt im Z7! Es ist immer ein besonderes Erlebnis, dort zu spielen. Als deutsch-schweizerische Band fühlen wir uns beiden Ländern sehr verbunden. [lacht].

MI: Vielen Dank für das spannende und unterhaltsame Gespräch, Nik!

Video Ad Infinitum – Outer Space

08.10.2024
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