Metalinside.ch – Axel Rudi Pell – Komplex 457 Zürich 2024 – Sandro 17
Mi, 9. Oktober 2024

Axel Rudi Pell, Fighter V

Komplex 457 (Zürich, CH)
22.10.2024

Zeitschleife

Am 9. Oktober gaben sich das Bochumer Rock-Urgestein Axel Rudi Pell und seine Mannen im Komplex 457 die Ehre. Als Einheizer fungierten die Innerschweizer Fighter V. Im Mittelpunkt stand jedoch ein grosses Fragezeichen.

Ebenfalls überraschend traf mich im Vorfeld zudem die Erkenntnis, dass nicht wie ursprünglich angekündigt die Symphonic Metaller aus dem amerikanischen New Jersey, Everdawn, als Aufwärm-Truppe der teutonischen Heavy Hardrocker auflaufen würden. An ihre Stelle treten Fighter V aus dem idyllischen und meiner Heimat deutlich näher gelegenen Hergiswil – eine Gelegenheit für die Nidwaldner, die im Frühling 2021 aus coronabedingten Gründen abgesagte Tour nachzuholen.

Doch die zentrale Frage des Abends drehte sich um den Gesundheitszustand von Johnny Gioeli, dem charismatischen Frontmann von Axel Rudi Pell. Gerade erst hatte der begnadete Sänger am 5. Oktober seinen 57. Geburtstag gefeiert, da liess er nach dem Auftritt in München über seine sozialen Kanäle verlauten, dass er sich einen schmerzhaften Hexenschuss zugezogen hatte. Keine Good News, fürwahr. Würde das amerikanische Energiebündel überhaupt auftreten können? Für Spannung war gesorgt.

Fighter V

Doch vorderhand wollen wir uns erst mal an der Darbietung der seit 2021 an so einigen Positionen veränderten Fighter V erfreuen. Platz hat es im ohnehin schon etwas verkleinerten Komplex alleweil, sind die Publikumsreihen doch zumindest jetzt noch eher spärlich besetzt. Rund 600 Karten seien im Vorverkauf über die (virtuelle) Theke gegangen, was angesichts des Namens des Headliners doch leicht überrascht. So herrscht zu Beginn des Sets noch reichlich Bewegungsfreiheit vor der Spielfläche, die dank der beiden ganz in weiss gehaltenen Arbeitsgeräten von Felix Commerell (Keyboards) und Lucien Egloff (Drums) für eine Vorband sehr schmissig ausschaut.

Musikalisch schöpft das Schweizer Quintett an diesem Abend vorwiegend aus ihrem neuesten Werk „Heart of the Young“, das am 20. September erschienen ist (zur Review von Kollege Kaufi). Besonders Lieder wie „Speed Demon“ oder „Power“ bringen ordentlich Stimmung in die Bude. Allerdings beschränkt sich das Publikum grösstenteils auf aufmerksames Zuhören, Applaus gibt es erst zum Ende der Songs. Kann man so machen, aber ein bisschen mehr zur Schau getragene Begeisterung hätte sicher nicht geschadet – schliesslich feiern die fünf Herren auf der Bühne gerade eine richtig gute Party. Anhänger des gepflegten, melodischen Hardrocks der 80er Jahre werden hier wahrlich prächtig bedient.

Und wenn man sich an einer Coverversion versucht, dann wählt man selbstbewusst eine der ganz grossen Hymnen jener vergangenen Zeit, von der nicht wenige behaupten, sie sei die beste aller Zeiten gewesen: „Here I Go Again“ von Whitesnake. Der Klassiker passt perfekt zu dieser energiegeladenen, unverbrauchten Band und wird dementsprechend überzeugend rübergebracht!

Leider kommt das Ganze vor allem zu Beginn etwas mau respektive dumpf aus den Boxen. Bei einem kurzen Abstecher zur Garderobe fällt mir überdies auf, dass Emmos Stimme, die so charakteristisch für den 80er-Jahre-Sound ist, dort klarer um die Ecken dringt – eine etwas seltsame Erfahrung. Zudem klingt sie zuweilen etwas kratzig, sodass gestern schon kurzzeitig Krankheitsalarm ausgelöst werden musste. Hoffentlich droht da kein fieser Virus die Europatournee zu torpedieren.

Denn wie Mr. Acar (sehr cooles Hemd, btw) stolz verkündet, sei dies ihre erste ausgedehnte Tour durch Europa und Axel Rudi Pell zudem seine Kindheitshelden – zwei mehr als triftige Gründe, hier und jetzt alles zu geben! Ausserdem bittet er die Zuhörerschaft freundlich, nachher doch kurz am Merch-Stand vorbeizuschauen, denn schliesslich kosten Hotels und Sprit eine Stange Geld, die es zu berappen gilt. Ein Aufruf, dem ich in der Umbaupause gerne nachkomme.

Den Abschluss des Abends bildet „Radio Tokyo“, das auch auf der aktuellen Langrille als letzter Track fungiert und live mit seinem coolen Mitsing-Part voll zu überzeugen weiss. Mich beschäftigt derweil jedoch primär die Frage, wie es Schlagzeuger wie Lucien Egloff schaffen, sich beim Stöckchenwirbeln nicht in ihren langen Haaren zu verheddern.

Insgesamt liefern Fighter V in ihrem 45-minütigen Set eine solide Performance ab, die lediglich durch den nicht ganz überzeugenden Sound und den viel zitierten Funken, der heute nicht so recht auf das Publikum überspringen will, leicht getrübt wird. Zwei Punkte, die sich bei der grossen Release-Show am 29. November 2024 in der Luzerner Schüür hoffentlich in Wohlgefallen auflösen werden.

Als die Lichter wieder angehen, dröhnt „Back In Time“ von Huey Lewis And The News (passender könnte es kaum sein!) aus den Lautsprechern und erinnert mich daran, wie gewünscht einen Blick auf die schön präsentierten Shirts und Accessoires beider Bands zu werfen. Mein amüsierter Blick bleibt dabei an einem Roll-up hängen, auf dem gross das Motto „Perfumes With A Rock’n’Roll Attitude“ prangt. Seit 2019 ist Axel Rudi Pell ja auch im Duftgeschäft unterwegs – was man hier ziemlich offensichtlich unter die Nase gerieben bekommt (man beachte das Wortspiel). Welche musikalische Duftmarke das rockende Quintett wohl heute Abend setzen wird? Die Spannung steigt …

Die Setliste – Fighter V

  1. Eye To Eye
  2. CSTR
  3. Dangerous
  4. Here I Go Again (Whitesnake Cover)
  5. Speed Demon
  6. Bringing It Back
  7. Heart Of The Young
  8. Power
  9. Radio Tokyo

Axel Rudi Pell

Doch zunächst stellt sich die Frage, wie es um Johnnys Gesundheitszustand steht. Als die Szenerie erneut in Dunkelheit getaucht wird, tritt Mr. Gioeli allein ins Scheinwerferlicht – ganz in Schwarz gekleidet, nur verziert mit einem grossen weissen Fragezeichen auf der Brust. Ein passender Look! Neugierige und besorgte Blicke folgen ihm, während sich Fingernägel vor Anspannung und unterschwelliger Hoffnung in Handflächen graben. Der Arzt habe ihm eigentlich eine Woche Ruhe verordnet, erklärt der gute Herr, aber das sei für ihn keine Option – dafür liebe er das Leben auf der Bühne viel zu sehr. Vier Spritzen im Rücken und so zugedröhnt, wie man es sonst nur von den Stones kennt, steht er nun vor uns und lässt keinen Zweifel aufkommen, wie ernst er es damit meint. Ein grandioses Beispiel dafür, wie man Sorgen in pure Freude verwandeln kann. Danke, Johnny!

Allerdings sieht man dem charismatischen Ami mit italienischen Genen den ganzen Auftritt über an, dass der physische Motor nicht so rund dreht, wie man sich dies von dem wirbligen Entertainer sonst gewohnt ist. Immer wieder greift er sich an den Rücken und nutzt die Soloeinlagen seiner Buddys, um sich etwa auf eine seitliche Lautsprecherbox zu setzen und zumindest vorübergehend eine kleine Verschnaufpause zu ergattern. Man leidet förmlich mit dem sympathischen Charmeur mit. Doch lassen wir den Lichtkegel der Betrachtung weiter gleiten und die heutige Aufführung als solche in den Mittelpunkt rücken. Die mich mit einem Blick auf die (bereits im Vorfeld ausgekundschaftete) Setlist etwas stutzig werden lässt.

Denn üblicherweise hat eine Tour den Zweck, ein neues Album einem breiten Publikum im Live-Gewand zu präsentieren. Bei ARP scheint der aktuelle Longplayer „Risen Symbol“ (zur Review) heute aber eher ein Werk unter vielen zu sein. So werden gerade mal zwei Stücke – der geniale Opener „Forever Strong“ und das groovige „Darkest Hour“ (plus „Ankhaia“ im Medley-Teil) – von der im Sommer erschienenen Langrille zum Handkuss kommen, was doch etwas verwundert. Der Rest ist eine muntere Mischung aus Tracks, die grösstenteils um die Jahrtausendwende entstanden sind (wenn man diese Definition nicht zu eng fasst). Was ganz gut zur auffallenden breiten Altersdurchmischung der Konzertbesucher passt. Auch hier spürt man förmlich, wie lange diese Band schon im Geschäft ist.

Und wie zeitlos ihre Hits doch sind. Beziehungsweise eintönig, wie Kritiker an dieser Stelle wohl einwerfen werden. Wobei beide Lager nicht vollends daneben liegen dürften. Neben dem – wie bereits erwähnt – in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkten Frontmann entwickeln sich Volker Krawczak am Bass und der stoisch grinsende Ferdy Doernberg hinter seinen zwei (!) Tasteninstrumenten mit zunehmender Spieldauer zu weiteren Aktivposten, was bei der eher minimalistisch gehaltenen Kulisse auch dringend nötig ist. Ganz nach dem Motto „Let the music do the talking“, was soweit einwandfrei funktioniert. Saitenhexer Axel Rudi hingegen hat offensichtlich immer wieder mit technischen Problemen zu kämpfen und fuchtelt leicht genervt in Richtung Bühnenrand. Als sich dann einer der Roadies an der Technik des Meisters zu schaffen macht, kann sich der trällernde Tausendsassa mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht eine Bemerkung über die angeblich rund 640 für Axel verbauten Fusspedale nicht verkneifen. Dünnes Eis, Johnny! Waffeldünnes Eis!

Indes stellt sich die Frage, warum man bei nicht weniger als 22 bisher veröffentlichten Studioalben gleich mit zwei Coverversionen aufwarten muss. Nicht, dass „Hallelujah“ (im Original von Leonard Cohen) und die U2-Hymne „Beautiful Day“ zu Fremdkörpern verkommen würden. Ganz und gar nicht. Gerade der erstgenannte Song wird durch Johnnys emotionale Ansprache sowie den grandiosen Mitsingpart zu einem echten Highlight des Abends, während der im zweiten Teil des Sets etwas agiler wirkende Sänger dem Gassenhauer der irischen Legenden deutlich seinen Stempel aufzudrücken weiss und ihn quasi zu einem ARP-Eigengewächs macht.

Bei den Zugaben wird das wohlbekannte Prozedere auf Wunsch von Johnny etwas vereinfacht (so wie es Delain bereits Anfang des Jahres zelebriert haben – zur Review). „Wir gehen von der Bühne, ihr applaudiert und wisst, dass wir wiederkommen. Also kürzen wir das ab und bleiben gleich hier.“ Durchaus verständlich, scheinen doch die verabreichten Medikamente gegen Ende der eindreiviertel stündigen Show langsam aber sicher ihre schmerzlindernde Wirkung zu verlieren. Aber auch den Encore-Teil meistert der gute Mann noch grundsolide, sodass mein Fazit wie folgt ausfällt: Alles in allem ein an sich tadelloser Auftritt einer lebenden Legende, der allerdings von etwas mehr klanglicher Abwechslung – und aktuellen Stücken – hätte profitieren können.

Die Setliste – Axel Rudi Pell

  1. Forever Strong
  2. Wildest Dreams
  3. Strong as a Rock
  4. Voodoo Nights
  5. Hallelujah (Leonard Cohen Cover)
  6. Oceans of Time
  7. Mystica
  8. Darkest Hour
  9. Carousel
  10. The Line
  11. Beautiful Day (U2 Cover)
  12. The Masquerade Ball / Casbah / Ankhaia
  13. Fool Fool
  14. Rock the Nation

Das Fanzit – Axel Rudi Pell, Fighter V

Generell war es heute eine spannende Affiche im Komplex 457, auch wenn mich speziell der Auftritt des Headliners nicht vom Hocker zu reissen vermochte. Klar, ihr Frontmann war durch den üblen Beschuss durch Hexen lädiert und konnte für einmal „nur“ mit seinem über jeden Zweifel erhabenen Stimmorgan überzeugen. Aber wenn man nach dem Gig in die vielen glücklichen Gesichter blickte, kann es so verkehrt denn nun nicht gewesen sein.

Die im Vorprogramm auftretenden Fighter V rührten derweil kräftig die Werbetrommel in eigener Sache, sodass sich nicht wenige den 29. November 2024 fett im Kalender eingekringelt haben dürften. Aufmerksame Leserinnen und Leser wissen nämlich: An diesem Abend findet in der Luzerner Schüür die grosse Release-Show zu „Heart Of The Young“ statt!

Die Fotos – Axel Rudi Pell, Fighter V


Wie fandet ihr das Konzert?

22.10.2024
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