Heavy Science-Fiction
Mit „Solaris“ erscheint das zweite Studioalbum von Distant Past in der aktuellen Bandbesetzung. Wie bereits beim Vorgänger „Utopian Void“ orientiert man sich inhaltlich an (postapokalyptischen) Science-Fiction-Werken. Musikalisch wandelt man auf geebneten Wegen, ohne selbst neue Strassen zu bauen.
Ankunft
Wie der Kopf hinter dem anfänglichen Studio-Projekt, das mit der Zeit zu einer Band herangewachsen ist, Adriano Troiano bei unserem Besuch erklärte, ist „Solaris“ unter anderem ein Album, das als angenehme Hintergrundbeschallung dienen kann. Musikalisch unterwirft sich die Platte ohne Umwege dem Heavy Metal-Genre, frei von Versuchen Grüsse in andere Stilrichtungen und Einflüsse zu senden. Für den einen mag dies vielleicht nicht sonderlich innovativ klingen, ein anderer hingegen ist froh, mal wieder ein nicht durch die Vermischung von allem Möglichen überladenes, „progressives“ Album vorliegen zu haben, sondern auch fernab der Werke von Legenden wie Judas Priest oder Iron Maiden klassischen Heavy Metal aufgetischt zu bekommen. Distant Past meistern dabei gar die Herausforderung, sich nicht zu sehr an bereits Bestehendem zu bedienen. So mag „Solaris“ eine bekannte Kerbe einschlagen, auf ungefragtes Bedienen an bestehendem Material verzichtet es. Ein gar nicht mal so einfaches Unterfangen, bedenke man, wie viel Heavy Metal-Musik bereits veröffentlicht wurde.
Das Erlebnis
Das Album lebt von seinen langen, an einigen Stellen beinahe ausufernden, Gitarrensolos. Die Lieder ähneln sich, zumindest bei den ersten Hörgängen, sehr. Die Unterschiede müssen in den Details gesucht werden. „Solaris“ ist als Gesamtwerk konzipiert. So scheint es. Möglicherweise ist das der Grund, weshalb es an Ausbrechern, an Ohrwürmern fehlt. Jvos Gesang findet meist in der Kopfstimme statt und ist nicht sonderlich eingängig. Live würde das Publikum eher passiv einer Darbietung dieser Lieder beiwohnen, für „Mitsingspielchen“ sind sie, zumindest in der Studioversion, eher ungeeignet. Trotzdem bleiben da und dort Kleinigkeiten hängen, spätestens nach mehrmaligem Hören. Etwa der namensgebende Refrain bei „Speed Dealer“ oder „Sacrifice“.
Ausserdem abwesend sind Lieder, die abweichen vom vorherrschenden Konzept der tragenden, schnell gespielten Powerchords, auf denen die restlichen Instrumente aufbauen. Mit „The Watcher versuchte man sich zwar an einer Ballade, die mit dieser Regel bricht, kehrt aber bereits in der Hälfte des Liedes wieder zum alten Muster zurück, was nicht sonderlich bedauerlich ist, da der seichte Einstieg sich eher nach einem Lückenfüller als einem interessanten Ausreisser aus dem Konzeptalbum anhört.
Der Solaris-Ozean
Das Konzeptionelle gibt sich besonders dann zu erkennen, wenn man den Texten erhöhte Aufmerksamkeit schenkt. Entsprechend lohnt sich also der Kauf der physischen Version mit Booklet.
„Solaris“ orientiert sich inhaltlich an dem gleichnamigen Science-Fiction-Klassiker, erzählt aber nicht direkt chronologisch die Geschichte, wie sie im Buche steht, sondern liest viel mehr zwischen den Zeilen. Es sinniert darüber, was Solaris uns lehren kann, von welchen allgemeingültigen Lebensereignissen es handelt und welchen Gefühlen es Ausdruck verleiht. „Solaris“ ist keine neue, musikalische Version des 1961 erschienenen Romans, vielmehr ist es der Soundtrack zu diesem. Beim Hörer, der die Vorlage bisher weder gelesen noch eine Film-, Hörspiel-, Oper- oder Theateradaption gesehen hat, wird die Lust geweckt, dies nachzuholen.
So ist diese neue Platte von Distant Past tatsächlich zum einen ein Album, das der Hintergrundbeschallung dienen kann, zum anderen aber auch ein Stück Musik, das einiges an Überraschungen versteckt hält, die es zu entdecken gibt. Nicht nur textlich, musikalisch wird ebenso einiges geboten. Wird, wie erwähnt, stilistisch kaum vom Heavy Metal abgewichen, so ist dennoch, oder gerade deswegen, ausreichend Platz für interessante und gut ausgearbeitete Ideen.
Es ist hörbar, dass der Start des Projekts Distant Past einige Jahre zurückliegt, dieses aber gealtert ist wie guter Wein.
Das Fanzit zu Distant Past – Solaris
Ich bin ein grosser Fan von Konzeptalben! «Ein kleines bisschen Horrorschau» von Die Toten Hosen, «Le Frisur» von Die Ärzte oder Klassiker wie «The Wall» von Pink Floyd sowie «Yellow Submarine» von den Beatles, um nur ein paar wenige zu nennen. Umso mehr habe ich mich entsprechend auf „Solaris“ von Distant Past gefreut und umso gespannter auf das Endprodukt war ich, nach dem Besuch bei Adriano. Dieses Endprodukt erreicht meine Erwartungen vollumfänglich, übersteigt sie allerdings nicht. Für das Verfassen dieser Review hörte ich das Album in Dauerschleife und bisher ist es mir noch nicht verleidet, kein schlechtes Zeichen. Gleichzeitig kann ich mich aber nur an wenig von ihm erinnern, wenn ich es ausmache und der Scheibe eine Zeitlang keine Aufmerksamkeit mehr schenke. Ich vermisse auf „Solaris“ einen richtigen Hit, einen Ohrenwurm, der mich in meinen Träumen heimsucht.
Dieses Album empfehle ich all jenen, die eine solide Heavy Metal-Scheibe ohne Schnickschnack hören und dabei mal was anderes als die üblichen Verdächtigen aus dem Plattenregal ziehen wollen.
Die Trackliste Distant Past – Solaris
- End Of Life (Intro)
- No Way Out
- Warriors Of The Wasteland
- Sacrifice
- Rise Above Fear
- Island Of the Lost Souls
- Fugitive Of Tomorrow
- Speed Dealer
- The Watchers
- Realm Of The Gods
- Fire & Ice
Das Line-Up – Distant Past
- Adriano – Bass
- Jvo – Vocals
- Ben – Guitars
- Lorenz – Guitars
- Remo – Drums