Metalinside.ch – Draconian – Konzerthaus Schüür Luzern 2024 – Foto Sandro 02
Mi, 13. November 2024

Draconian, Nailed To Obscurity, Fragment Soul

Konzerthaus Schüür (Luzern, CH)
24.11.2024

Düstere Symphonien über Luzern

Am 13.11.2024 gastierte mit Draconian ein Schwergewicht der gediegenen Düsterklänge im Luzerner Konzerthaus Schüür. Flankiert wurden die Schweden, die heuer ihr 30-jähriges Bestehen mit einer speziellen, intimen Europa-Headliner-Tour feiern, von den deutschen Nailed To Obscurity sowie Fragment Soul aus Griechenland. Auf geht’s zu einer musikalischen Reise in die Tiefen der Seele. 

Das Konzerthaus Schüür hat sich für mich aus zwei Gründen zu einem meiner Lieblingsschuppen gemausert: Zum einen bietet es als Veranstaltungsort eine angenehme, überschaubare Grösse. Zum anderen liegt es direkt vis-à-vis meines Arbeitsplatzes. Also quasi ein Katzensprung von Hard Work zu Hard Rock. Oder wie am heutigen Abend eben Gothic-Doom. Eine düstere, aber faszinierende Erfahrung, ganz nach dem Motto: Öfter mal was Neues. Als ich etwas nach 19 Uhr eintrudle, liegt über der Arena im oberen Stock …

Fragment Soul

… salopp ausgedrückt ein Hauch von Leere. Ok, ein paar verirrte Seelen bevölkern den Raum, aber ehrlich gesagt hätte ich schon etwas mehr Andrang erwartet. Ob wohl der gerade stattfindende Soundchecks der Grund für dieses Besuchervakuum sein mag? Doors 18:30 Uhr, Beginn um halb acht, so stand es in der Ankündigung. Es dauert ein paar Momente – während denen mein Blick etwas unstet umherwandert und die möglichen Optionen prüft – bis ich realisiere, dass das da vorne bereits die griechischen Dark Prog Doom Metaller in Aktion sind. Offenbar wurde der offizielle Beginn des Abends etwas vorgezogen. Ihre sphärischen Klanglandschaften wabern auf irgendwie stoische und doch faszinierende Weise durch den Äther und lullen uns Zuschauende mehr und mehr ein, je länger die Vorstellung dauert.

Dabei ist es ziemlich ruhig auf der Spielfläche – bewegungstechnisch gesprochen, versteht sich. Die beiden singenden Front-Protagonisten Tamara und Marc sind weit davon entfernt, sich die Spielwiese gegenseitig streitig zu machen. Ihr Auftritt lässt sich als dezent, fast unaufgeregt umschreiben. Es wirkt, als seien die Akteure vollkommen in ihre Musik, ihre Kunst versunken. Und auch den Rest der Truppe – Spiros (Bass), Dimitris (Gtr), Achilleas (Keys) sowie Stefanos (Drums) – würde ich jetzt nicht unbedingt als quirlige Rampensäue bezeichnen (wobei letztgenannter doch einen diskreten Eifer an den Tag legt). Doch diese Zurückhaltung ist keineswegs ein Nachteil. Die schweren, langsamen Riffs, die eindringlichen Gesangslinien und die melancholischen Klänge transportieren genug Emotionen, um ohne viel Firlefanz für sich ganz alleine bestehen zu können.

Das nach und nach eintrudelnde Publikum hält – vermutlich ob der noch ungewohnten Klänge – vorsichtshalber einen respektvollen Abstand von etwa fünf bis sechs Metern zum Podium. Nur eine Handvoll Wagemutige traut sich bis zur Abschrankung vor. Eine Eigenheit, die uns ja nicht ganz fremd ist. Und auch sehr schade, denn was sich da auf der Bühne abspielt, hätte meiner Meinung nach einen deutlich grösseren Zuschauerkreis verdient.

Für die meisten kommt das Ende des Sets dann doch wohl recht überraschend. Ein kurzes Winken, ein beinahe schüchternes „Thank you“, und schon beginnen die ersten Handgriffe für den Ab- beziehungsweise Umbau. Alles in allem ein sauberer und stimmungsvoller Auftakt. One down, two to go – so kann es gerne weitergehen!

Die Setliste – Fragment Soul

  1. All That I Despise
  2. A Soul Inhabiting Two Bodies
  3. Pain Ceased
  4. A Choice Between Two Evils
  5. Eternal Night In Death

Nailed To Obscurity

Nach einer vergleichsweise kurzen Unterbrechung schalten die „In der Dunkelheit Verankerten“ (frei übersetzt) nun ein paar Deftigkeitsgrade höher. Nailed To Obscurity, die aus Ostfriesland in Niedersachsen stammen (keine Sorge, ich verschone euch mit Witzen aus Kindertagen), sind bekannt dafür, ihre Gefolgschaft mit einer ordentlichen Portion Melodic-Death-Doom-Metal zu versorgen. So weit, so gut.

Beim Gig des Quintetts um Frontmann Raimund Ennenga wird schnell klar: Hier erleben wir die wohl aktivste Band des Abends. Auf der Bühne ist Bewegung angesagt – die Haare fliegen, die Musiker sind in ständigem Einsatz, und selbst das Publikum, das inzwischen wieder etwas näher an die Spielstätte herangerückt ist, lässt sich, wenn auch zurückhaltend, auf die härtere Gangart ein.

Interessanterweise erschallen vor wie nach der Vorstellung die Klänge von Journeys „Separate Ways“ aus den Lautsprechern. Eine Besonderheit, über die sich formidabel nachgrübeln liesse. Eine Anspielung auf ein häufig wechselndes Musikerkarussell kann es kaum sein, weist das Line-up doch seit über zehn Jahren eine gesunde Stabilität auf. Jedenfalls zielt die nun im Anschluss dargebotene Mucke ziemlich direkt auf die Nackenmuskeln – auch wenn im Saal gerne etwas mehr Trubel herrschen dürfte. Ihre Setliste bestücken die Esenser hauptsächlich mit Titeln aus ihren letzten beiden Langrillen „Black Frost“ und „King Delusion“. Eine gute Wahl.

Die brachialen Gitarrenriffs, durchzogen von melodischen Elementen, bilden dabei ein solides Fundament, auf dem die kraftvollen Growls von Raimund hervorragend zur Geltung kommen. Zudem ist die ausdrucksstarke Mimik des Sängers absolut sehenswert, die eine beeindruckende Bandbreite von Schmerz bis Wut widerspiegelt – Pokerface sieht anders aus.

Alles in allem eine energiegeladene und dynamische Performance, die definitiv Lust auf mehr macht.

Die Setliste – Nailed To Obscurity

  1. Separate Ways (Journey cover – von Band)
  2. King Delusion
  3. Clouded Frame
  4. Resonance
  5. The Aberrant Host
  6. Liquid Mourning
  7. Protean
  8. Deadening
  9. Road to Perdition
  10. Separate Ways (Journey cover – von Band)

Draconian

Zum Abschluss der Mittwochabend-Unterhaltung betreten nach einer sich doch recht lange hinziehenden Umbaupause nun noch die Gothic-Doom-Titanen aus Säffle, Schweden, die Spielfläche. Düster-Knurrer Anders Jacobsson trägt dabei ein schwarzes Zip-Hoodie, dessen weit nach vorn gezogene Kapuze sein Antlitz zumindest zu Beginn des Sets nahezu verbirgt. Theatralisch und der nun folgenden, neunzig minütigen Darbietung absolut angemessen. Aber augenscheinlich etwas zu wärmespendend, perlen doch schon bald einmal die ersten Schweisstropfen von seiner Stirn.

Lisa Johansson, die den klaren Gesangspart übernimmt, ist den nicht gerade als kühl zu bezeichnenden Temperaturen im Bauch des Konzerthauses Schüür da deutlich angemessener gekleidet. Beide Akteure liefern eine meisterliche Darbietung ab, wobei Anders’ markante Growls zweifellos als stilprägend für den Sound der Combo bezeichnet werden dürfen. Gemeinsam erschaffen sie so eine Art „Beauty and the Beast“-Duett, das allein schon durch seine Dynamik zu beeindrucken weiss.

Generell herrscht on stage ein recht munteres Treiben, auch wenn nicht ganz so viel Action geboten wird wie noch beim Auftritt zuvor. Was die Anwesenden jedoch in keinster Weise stört, die, einer Wanderdüne gleich, von Band zu Band weiter nach vorne gewandert und bei Draconian nun schliesslich am Bühnenrand angekommen sind. Bei der Songauswahl greifen die Skandinavier zur Hälfte auf die beiden Alben „Arcane Rain Fell“ und „Turning Season Within“ aus den Nullerjahren zurück, derweil sich die andere Hälfte der Setliste – bis auf den Opener „The Cry of Silence“ vom Debüt – als Mix aus den letzten vier Studiowerken präsentiert. Zwölf Lieder in neunzig Minuten und knapp gehaltene Ansprachen – man merkt, dass Draconian in ihren Stücken wahrlich viel zu erzählen haben (wie ja schon Fragment Soul zuvor).

Auch nach stolzen 30 Jahren Bandgeschichte zeigen die Schweden keine Spur von Altersmüdigkeit. Mit ihren schweren Riffs, den getragenen Schlagzeugrhythmen sowie dem bereits erwähnten charakteristischen Wechselgesang gelingt es ihnen nach wie vor, eine düstere, melancholische Stimmung zu transportieren. Und es ist faszinierend mitzuverfolgen, wie sich ein Gros der Menge wie Farne in einem steten Windhauch zu den doch eher harschen Tönen hin und her bewegt. Was keineswegs verwundert, ist es doch kaum möglich, sich dieser mitreissenden Klangwelt zu entziehen, die das Sextett hier gerade errichtet.

Eine eines Headliners überaus würdige Show, die in der Tat weit mehr Zulauf als die vielleicht knapp zu einem Drittel gefüllte Halle verdient hätte. Eine Art Therion – Deja Vu (zur Konzert-Review).

Die Setliste – Draconian

  1. The Cry of Silence
  2. Heavy Lies the Crown
  3. Deadlight
  4. Heaven Laid in Tears (Angels‘ Lament)
  5. Morphine Cloud
  6. Bloodflower
  7. Night Visitor
  8. Earthbound
  9. Daylight Misery
  10. Pale Tortured Blue
  11. Death, Come Near Me
  12. The Sethian

Das Fanzit – Draconian, Nailed To Obscurity, Fragment Soul

Doom-Gothic-Whatever-Metal und seine zahlreichen Spielarten zählen normalerweise nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Genres. Umso erstaunter war ich, wie sehr mich diese Klänge in ihren Bann zu ziehen und – ja, auch – verzaubern vermochten. Fragment Soul waren sowas wie der Ruhepol am heutigen Abend – aber alleweil sehr bewegend. Draconian wurden derweil ihrer Rolle als Headliner mehr als gerecht und erfreuten die Anwesenden mit ihrem charakteristischen Melange aus Doom, Melodic Death und Gothic Metal.

Mein persönlicher Favorit des Tages stammt jedoch aus Deutschland und hört auf den Namen Nailed To Obscurity. Der bescheidene Zuschaueraufmarsch stimmt ob der tollen Leistungen aller drei Kapellen jedoch etwas nachdenklich respektive traurig.

Die Fotos – Draconian, Nailed To Obscurity, Fragment Soul


Wie fandet ihr das Konzert?

24.11.2024
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