Ein Metal-Feuerwerk der Extraklasse
Am 26. Oktober 2024 verwandelte sich das Z7 in Pratteln in einen Schmelztiegel aus Power und Melodie. Die mit Spannung erwartete „Awaken The World Tour 2024“ gastierte in der Schweiz und versprach einen Abend voller musikalischer Höhepunkte. Mit einem beeindruckenden Line-up, bestehend aus dem Headliner Kamelot, den Quasi-Lokalmatadoren von Ad Infinitum, den Niederländern Blackbriar sowie Frozen Crown aus unserem südlichen Nachbarland, stand den Fans eine lange und heisse Metal-Nacht bevor.
Als ich kurz vor halb sechs vor der Halle eintreffe, erstreckt sich die Schlange der Wartenden weit nach hinten bis zur Autobahnüberführung. Für einen würdigen Zuschaueraufmarsch für dieses hochkarätige Package dürfte also gesorgt sein. Der Eintritt geht erfreulich zügig und freundlich vonstatten, der Vorplatz ist ordentlich gefüllt, und auch im Bauch des Rock-Tempels herrscht alles andere als gähnende Leere. Eigentlich steht heute zudem noch ein Interview mit Blackbriar auf dem Programm, doch habe ich von Schlagzeuger René Boxem, den ich via WhatsApp am Vortag bereits kontaktiert hatte, noch nichts gehört. Irgendwie schade, waren doch sowohl pam als auch ich primär wegen dieser Equipe am heutigen Tag in die Nordschweiz gepilgert.
Aber hey, lassen wir uns davon nicht die gute Laune verderben, zumal gleich Power Metal aus Bella Italia auf der musikalischen Speisekarte steht. Ohrstöpsel rein und los geht’s!
Frozen Crown
Frozen Crown gehört zu den Combos, die ich im Vorfeld nur flüchtig kannte. „Gelegentlich mal reingehört, aber nicht wirklich hängen geblieben“, beschreibt mein Verhältnis zu dem Sextett wohl recht treffend. Umso erstaunter bin ich, wie schnell mich die Südländer mit ihrer Mucke in ihren Bann zu ziehen vermögen! Denn was die je drei Mädels und Jungs da vorn aufs Parkett knallen, geht von der ersten Minute an voll auf den Körper: Eine Gitarrensalve jagt die nächste, das Schlagzeug vibriert spürbar in der Magengrube. Beeindruckend ist obendrein die durchgehend actiongeladene Bühnenpräsenz während des 30-minütigen Sets. Mit Ausnahme von Drummer Niso Tomasini ist jede und jeder nahezu pausenlos unterwegs, was sowohl auf dem Podium wie auch im Publikum für eine schweisstreibende Atmosphäre sorgt.
Die Mailänder begehen zudem nicht den Fehler, die doch recht knapp bemessene Spielzeit mit viel Gefasel füllen zu wollen, sondern ballern uns mit viel Spielfreude und bis in die Haarspitzen motiviert Song für Song in die weit aufgesperrten Lauscherchen.
Das abschliessende, mit eingestreuten Growls angereicherte „I Am The Tyrant“ kommt – wie das gesamte heute präsentierte Liedgut – wuchtiger und härter aus den Boxen, als ich es ab CD gewohnt bin. Alles in allem also ein toller Auftakt nach Mass. Ich frage mich allerdings ein wenig, wie die Anwesenden das hohe Partytempo bis zum Ende durchhalten wollen.
Die Setliste – Frozen Crown
- Neverending
- Call Of The North
- Kings
- Steel And Gold
- Far Beyond
- I Am The Tyrant
Blackbriar
Wie dem auch sei, nach dieser energiegeladenen Ouvertüre stelle ich mich nun auf etwas leichtere Momente ein. „A Dark Euphony“ heisst das aktuelle Eisen von Blackbriar, das vor rund einem Jahr das Licht der Welt erblickte und mich in Windeseile zu verzaubern wusste (zur Review). Entsprechend gespannt bin ich nun auf das, was da kommen mag.
Als Sängerin Zora Cock, den Kopf in einen Schleier gehüllt, die Szenerie betritt, ist die Aura, die von ihr ausgeht, bereits deutlich spürbar. Ein Eindruck, der sich in den kommenden 45 Minuten noch verstärken wird. Ihre gefühlvolle, tragende Stimme durchdringt den Raum und verwandelt ihn in ein klingendes Märchenbuch. Wobei die Töne aus diesem gesamtheitlich betrachtet doch um einiges härter und direkter erschallen, als ich es vom Silberling her vermutet hätte.
Die ganze Band sprüht vor Spielfreude und bietet wie schon ihre italienischen Vorgänger zuvor eine mitreisende Show. Besonders Bassist Siebe Sol Sijpkens erweist sich als wahres Powerhorse der Truppe. Unermüdlich treibt er die Zuhörerschaft an, animiert zum Mitsingen und Feiern. Doch auch der Rest liefert voll ab und präsentiert eine beeindruckende Bühnenpräsenz. Erfreulich ist zudem, dass die Menge mustergültig mitgeht und sich nicht nur in der Rolle des andächtigen Beobachters zu gefallen weiss.
So gelingt es den Niederländern mühelos, diese imaginäre vierte Wand zu durchbrechen, ja förmlich einzureissen. Interessanterweise wird sich dieses Phänomen – Achtung, Spoilerchen – bei allen vier Auftritten des Abends einstellen. Und meine leise Frage, ob man zu melancholischen Klängen headbangen kann, lässt sich nun mit einem klaren „Ja“ beantworten.
Die Playlist von Blackbriar repräsentiert dabei eine ausgewogene Mischung ihres bisherigen Schaffens. Vier Tracks stammen vom aktuellen Album, zwei vom Debüt „The Cause of Shipwreck“ von 2021 und vier weitere aus der früheren EP-Phase. „Crimson Faces“ zum Beispiel entfaltet dank des guten Sounds seine volle Wirkung, während „Far Distant Land“ immer wieder für Hühnerhautmomente sorgt. Trotz der spürbaren Entwicklung über die Jahre hinweg wirkt das Set in sich geschlossen und homogen. An der Songauswahl gibt es generell nichts auszusetzen, auch wenn ich persönlich meine absoluten Favoriten „Forever and a Day“ (pam: Ah sowas von …) und „Thumbelina“ etwas vermisse. Erwähnenswert ist zudem die beeindruckende Soloperformance von Keyboarder Ruben Wijga bei „Arms of the Ocean“ – grosses Kino!
Aber kommen wir zum Schluss noch einmal auf diese ganz besondere, intensive Ausstrahlung von Frontlady Zora zurück. Meine Notizen während der Darbietung versuchen, dieses Phänomen einzufangen, doch ich denke, pams Eindrücke von Rock The Lakes 2023 (zum Review) fassen es perfekt zusammen: „So etwas habe ich noch nie bei einem Konzert erlebt. Sie schafft es, durch Augenkontakt mit jedem einzelnen von uns (ja, ich finde auch, dass sie nur mir in die Augen schaut … aber das sagt ja jeder hier), jedem das Gefühl zu geben, dass sie nur für dich bzw. für mich singt“.
Der tosende Applaus nach dem finalen „Until Eternity“ ist mehr als verdient. Ein „phänomenaler“ Auftritt (um einen der Zuschauer zu zitieren), mit dem Blackbriar wieder so einige neue Fans hinzugewonnen haben dürften.
Die Setliste – Blackbriar
- Mortal Remains
- Crimson Faces
- Spirit of Forgetfulness
- I’d Rather Burn
- Arms of the Ocean
- Selkie
- Deadly Diminuendo
- Far Distant Land
- Cicada
- Until Eternity
Ad Infinitum
In der folgenden Umbaupause gehe ich kurz vor die Halle, um mir eine feine Cervelat mit Pommes Frites zu gönnen. Wurde eigentlich schon mal erwähnt, wie fein die Grilladen hier schmecken und wie freundlich das Verkaufspersonal trotz des grossen Andrangs und der damit verbundenen Hektik agiert? Ein grosses Dankeschön an alle, die diesen „Nebenschauplatz“ im Z7 so toll betreuen! Erfreulicherweise erhellt noch ein klitzeklein wenig Restlicht die Umgebung – was sich in der kommenden Nacht mit der Rückkehr zur Winterzeit ändern wird. Nach einem letzten wehmütigen Blick gen Himmel zieht es mich zurück in den Konzertsaal, wo bereits die nächste Band in den Startlöchern steht. Interessanterweise teilen sich Blackbriar und Ad Infinitum nicht nur den Tourbus, sondern auch das Schlagzeug (sowie weiteres Equipment). Lediglich die Front mit dem jeweiligen Logo musste hier ausgetauscht werden.
Nicht minder gespannt bin ich nun natürlich auf den Gig der deutsch-schweizerischen Formation Ad Infinitum, die vor nicht allzu langer Zeit ihr neuestes Studioalbum namens „Abyss“ (zur Review) in Umlauf gebracht hat. Waren ihre Anfänge noch von symphonischen Klängen geprägt, so vollzieht ihr viertes Werk einen deutlichen Schwenk in Richtung Modern Metal. Dieser Stilwechsel scheint das Publikum jedoch keineswegs zu irritieren. Im Gegenteil, die Stimmung ist von Anfang an hervorragend. Kein Wunder bei dem zuvor so grandios zelebrierten doppelten Aufwärmprogramm sowie dem nun sehr druckvollen Sound.
Das Bühnenbild von Ad Infinitum spiegelt die neue Ausrichtung deutlich wider und ist mit bunten LED-Scheinwerfern in einem leicht futuristischen Stil ausgestattet. Das sieht cool aus, lässt aber Schlagzeuger Nik Müller für meinen Geschmack etwas gar in den Hintergrund treten. Wenig überraschend sind dann von den insgesamt zehn gespielten Stücken sieben vom aktuellen Rundling „Abyss“, die beiden Vorgängeralben mit zwei Titeln von „Chapter II: Legacy“ respektive einem von „Chapter III: Downfall“ vertreten. Ihr Erstling „Chapter I – Monarchy“, der noch am ehesten dem symphonischen Lager zuzuordnen ist, schaut in die Röhre. Wohl ein deutliches Zeichen, in welche Richtung sich die Gruppe in Zukunft zu orientieren gedenkt (wie Nik Müller ja auch klar zum Ausdruck brachte – zum Interview).
Obschon sowohl Melissa als auch die zuvor aufgetretene Zora beides stimmliche Granaten sind, könnte ihre Live-Präsenz unterschiedlicher kaum sein. Während Miss Cock sich grazil und tänzerisch mit der Anmut einer Elfe bewegt, verkörpert Melissa eine zu Energie gewordene Urgewalt. Von Anfang an dominiert sie den vorderen Teil der Spielwiese und heizt bei Kompositionen wie „Follow Me Down“ oder „Aftermath“ dem Publikum ordentlich ein. Die eingeworfenen Gutturalfetzen sind dabei weitere Puzzleteile in der stimmlichen Vielfalt dieser Dame, die ihre Performance zusätzlich bereichern. Und auch der Rest der Band ist alles andere als untätig, wirbelt wild über die Spielfläche und sorgt immer wieder für Jubelstürme.
Und dann beginnt zu Beginn des Muntermachers „Upside Down“ urplötzlich mein Handy drauflos zu surren. René von Blackbriar fragt, ob ich noch vor Ort sei und nun Zeit für das versprochene Interview hätte. Ich überlege eine geschlagene Millisekunde – natürlich, mit Freuden, auch wenn ein Teil von mir bedauert, dass „mein“ Ad Infinitum-Konzert damit ein jähes Ende findet. Ich schicke pam, der gerade den letzten Song im Fotograben festhält, eine kurze Nachricht und mache mich auf den Weg zum Vorplatz der Halle, wo Zora, Schlagzeuger René Boxem sowie Rhythmusgitarrist Robin Koezen auf uns warten. Wie dieses eher ungewöhnliche Gespräch (im diffusen Licht einer abseits stehenden Strassenlaterne – und damit irgendwie ganz passend zu Blackbriar) verlaufen ist, erfahrt ihr andernorts in unserem Interview mit den dreien.
Die Setliste – Ad Infinitum
- Follow Me Down
- Aftermath
- Upside Down
- Anthem for the Broken
- Outer Space
- Surrender
- Animals
- The One You’ll Hold On To
- My Halo
- Unstoppable
Kamelot
Vom unterhaltsamen Plausch mit Blackbriar zurück, haben Ad Infinitum natürlich bereits das Feld geräumt, und im Inneren des Z7 wird eifrig der letzte Stage-Umbau des Tages vollzogen. Auf dem Weg nach vorne treffen wir auf Noldi und Coco, die beiden Organisatoren des Swiss Metal Bowlings (und wer (noch) nicht weiss, was das ist – hier entlang). Für die vierte Ausgabe im kommenden September sind so einige Leckerbissen in Planung – man darf wirklich gespannt sein. Doch schon bald gehen die Lichter ein letztes Mal aus für den Headliner des Abends – Kamelot!
Eines vorneweg: Eigentlich müssten die US-amerikanischen Melodic-Power-Metaller ja so ziemlich genau mein Ding sein. Beuteschema, ihr versteht. Aber der Konjunktiv deutet an, dass dem nicht ganz so ist. Und ja, irgendwie wollten sich die zweifelsohne grossartigen Arrangements bisher nicht in meinen Gehörgängen einnisten, keine Ahnung warum. Bei sehr vielen anderen scheint das aber durchaus der Fall zu sein, denn der Saal ist mittlerweile rappelvoll, die Vorfreude auf das Kommende förmlich greifbar.
Bereits zum fünfzehnten Mal gastieren Kamelot heute im Z7 – eine überaus stolze Zahl, die sowohl die tiefe Verbundenheit der Band mit diesem Veranstaltungsort als auch umgekehrt die ungebrochene Begeisterung der Schweizer Fans für diese Kapelle widerspiegelt. Die Bühne präsentiert sich – mit erhöht positionierten Keyboards einerseits und dem Schlagzeug andererseits, sowie vielen weiteren liebevoll ausgestaltete Details – als wahrer Blickfang. Und als Frontmann Tommy Karevik endlich ins Scheinwerferlicht tritt, recken sich hunderte Hände zur Begrüssung in Richtung Hallendecke. Es muss sich für die Herren wie eine Art „Coming Home“ anfühlen, und dementsprechend gut gelaunt und dynamisch agiert das Quintett von Beginn an.
Fünf – plus Melissa Bonny, die wie schon beim letzten Kamelot-Gastspiel (siehe Review) bei insgesamt sechs Nummern das muntere Treiben stimmlich in noch höhere Sphären schraubt. Ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt für die ohnehin opulent angerichtete Show der Amis. Wobei das natürlich nur die halbe Wahrheit widerspiegelt. Wer mehr über die wirkliche Länderzugehörigkeit der auftretenden Musiker erfahren möchte, dem sei die bereits vorhin angetriggerte Live-Review von Kollege Dutti wärmstens ans Herz gelegt.
Freilich dürfen auch dieses Mal Hits wie „Insomnia“, „March Of Mephisto“ oder „One More Flag In The Ground“ keinesfalls fehlen. Aber es ist das Gesamtpaket an Songs, dieses bunte Potpourri aus acht Alben und dreiundzwanzig Jahren kamelotischen Musikschaffens, das den heutigen Auftritt zu einer wahren Machtdemonstration werden lässt. Und die Fans nehmen die immer wieder eingestreuten Interaktionsmomente gerne an. Die ausgelassene Stimmung auf beiden Seiten des Grabens wirkt geradezu elektrisierend.
Den fulminanten Schlusspunkt setzen die Herren – wieder unterstützt von Mezzosopranistin Melissa – mit der Überhymne „Liar Liar (Wasteland Monarchy)“, die die Halle ein letztes Mal zum Beben bringt. Akt Nummero fünfzehn ist eingetütet und zugeschweisst, derweil sich das Publikum wohl schon auf den nächsten Besuch in heimischen Gefilden freut! Zurecht! Denn auch wenn es Kamelot noch nicht geschafft haben, sich tief in mein Herz zu spielen, so haben sie mich heute doch sehr positiv überrascht.
Die Setliste – Kamelot
- Veil of Elysium (mit Melissa Bonny)
- Rule the World
- Opus of the Night (Ghost Requiem) (mit Melissa Bonny)
- Insomnia
- When the Lights Are Down
- Vespertine (My Crimson Bride)
- New Babylon (mit Melissa Bonny)
- Karma
- Manus Dei
- Sacrimony (Angel of Afterlife) (mit Melissa Bonny)
- Willow
- The Human Stain
- Drum Solo
- March of Mephisto (mit Melissa Bonny)
- Keyboard Solo
- Forever (With snippet from Queen’s „We Will Rock You“)
- One More Flag in the Ground*
- Liar Liar (Wasteland Monarchy) (mit Melissa Bonny)*
* Zugabe
Das Fanzit – Kamelot, Ad Infinitum, Blackbriar, Frozen Crown
Alle vier Formationen haben erstklassig abgeliefert, wobei die Goldmedaille natürlich allein schon stimmungstechnisch dem Headliner Kamelot gebührt. Frozen Crown sind für mich eine positive Live-Neuentdeckung, bei Ad Infinitum habe ich aus den bereits beschriebenen Gründen leider den Grossteil des Sets verpasst. Aber das Gehörte wie Gesehene wusste durchaus zu gefallen. Die Auszeichnung „Sieger der Herzen“ geht an Blackbriar, die mit ihrer märchenhaften Darbietung wohl nicht nur mich zu verzaubern wussten. Viermal Top, kein einziger Flop – das angekündigte epische Spektakel wurde in der Tat wahr!
Mit diesem Hammer-Paket hat die Z7-Crew offensichtlich wieder einmal sehr viele Menschen sehr glücklich gemacht. Ein grosses Dankeschön hierfür!