Metalinside.ch – Kissin' Dynamite - Z7 Pratteln 2024 – Foto Kaufi 06
Fr, 25. Oktober 2024

Kissin‘ Dynamite, Massive Wagons, Airstrike

Z7 (Pratteln, CH)
/ 02.11.2024

Das Z7 wird zum Stadion

„Bring Back Stadium Rock“ – dies ist seit längerem das Motto von Kissin‘ Dynamite. Und sie setzen das an diesem nasskalten Freitagabend im Z7 auf eindrückliche Art um!

Kaufi: Dass Kissin‘ Dynamite zu den a) mittlerweile besten Live-Bands gehören und b) bei vielen Leuten nach wie vor unter dem Radar fliegen, sind wahrlich keine neuen Erkenntnisse. Während in Deutschland mittlerweile deutlich grössere Hallen gebucht werden, müssen sich die Schwaben hierzulande noch mit dem Z7 zufrieden geben. Doch das soll sich nicht als Nachteil erweisen, ganz im Gegenteil. Heute wird das Z7 zum Stadion umgebaut!

Obwohl meine Laune grad weit unten ist und ich mir sogar überlege, die Show komplett sausen zu lassen, machen Nicky und ich uns dann doch auf Richtung Nordostschweiz. Wenn wir das nicht getan hätten – ich würde mir das wohl nie verzeihen… Da angekommen trifft man auf ganz viele bekannte Leute und Freunde. Also mal ein Bierchen holen und auf Begrüssungsrunde gehen. Und man merkt schnell: Heute könnte es richtig voll werden hier! Man mag es den Bands gönnen.

Airstrike

Kaufi: Den Anfang des musikalischen Programms bestreiten Airstrike. Hier handelt es sich um eine junge Truppe aus Hessen. Gegründet 2017 und seit 2021 ist der aus Peru stammende Julio Noriega als Frontmann tätig. Der ist auch sofort der Blickpunkt, als das Quartett die Bühne betritt. Der Chruselkopf trägt eine Schweizer Fahne als Bandana, die er bald darauf am Mikroständer anhängt.

Viel Platz um sich auszutoben haben die Jungs allerdings nicht. Die noch verdeckten Aufbauten des Headliners füllen die Bühne ziemlich aus, so dass selbst das Schlagzeug von Johannes Glitsch fast am Rand steht. Vor allem Gitarrist Michi Loewe kümmert sich allerdings kaum darum und gibt richtig Gas auf der beschränkten Spielwiese.

Musikalisch bieten Airstrike erdigen Rock’n’Roll, schön im Fahrwasser von alten Helden wie Aerosmith oder neueren Bands wie den New Roses, manchmal auch noch mit etwas Airbourne versetzt. Speziell der zweite Track „Rollin‘“ fetzt wie Sau und macht richtig Spass. Leider schrauben die Deutschen kurz darauf die Stimmung selbst herunter, in dem sie bei der eh schon kurzen Spielzeit noch eine Ballade („Beyond The Way“) einschieben. Das müsste an dieser Stelle nicht sein.

Insgesamt hinterlässt der Vierer dennoch einen positiven Eindruck, dies zeigt auch der Applaus im bereits jetzt richtig gut gefüllten Z7. Oder Dutti, was meinst Du dazu?

Dutti: Grüss dich, werter Kaufi und ebenfalls ein freundliches „Hallo“ an unsere Leserschaft. Da kann ich dir freilich beipflichten. Ein solider Opener. Vom Verhalten und der Art der Musik hätte ich den Jungs allerdings eher schwedische Wurzeln attestiert. Das Einheizen der Masse gelingt ihnen ohne grosse Schwierigkeiten und der Einsatz der helvetischen Flagge bringt ihnen logischerweise ausreichend Sympathiepunkte ein. In diesem Stil darf der heutige Abend gerne fortgeführt werden. Die nächste Truppe kennst du ja bereits, oder Kaufi?

Massive Wagons

Kaufi: Jip, meine erste Begegnung mit Massive Wagons war dieses Jahr am Brienzersee Rockfestival. Damals vermochte mich die Musik nicht wirklich zu packen. Heute also die zweite Chance. Und ich nehme es vorweg: Es hat sich da nichts geändert.

Klar, das Engagement der Band ist da. Sänger Barry Mills ist DER Aktivposten, wie auch schon in Brienz. Auch seine Vorliebe für spezielle Socken trägt er wieder zur schau, diesmal ist Pennywise angesagt. Aufgrund der begrenzten Bühnengrösse (speziell im Vergleich zu Brienz) wird wirklich der letzte Millimeter ausgenutzt. Auch Posen mit ausgetrecktem Mittelfinger gehören offenbar ins Repertoire.

Aber eben: Musikalisch packt mich das ganz und gar nicht, so mache ich mich nach dem Fotoauftrag auf die Suche nach was Ess- und Trinkbarem. Aber ich habe ja noch jemand, der vielleicht seinen Senf dazu gibt? Also zu Massive Wagons, nicht zur Wurst. Dutti, wie siehst Du diese Geschichte?

Dutti: An „meinem“ Pfosten steht leider kein Wurststand, aber dafür ist die Bar stets in Reichweite. Ein alles andere als harmloses Unterfangen, wenn so viele vertraute Gesichter vor Ort anwesend sind. Da steht man nie sonderlich lange mit einer leeren Dose in der Pfote da. Doch die energiegeladene Darbietung der Bühne rechtfertigt das Befeuchten der eigen Kehle allemal. Im Gegensatz zu Kaufi empfinde ich die „Wagon-Show“ als mitreissend und unterhaltsam. Barry Mills ist wahrlich eine unfassbare Rampensau! Mal schauen, wann sich die Wege von dieser Band und meiner Wenigkeit wieder einmal kreuzen werden.

 Aber nun folgt bald der Headliner. Kaufi, wie steht es um deinen Puls?

Kissin‘ Dynamite

Kaufi: Frag besser nicht! Immerhin: Die ganze miese Laune von daheim ist mal verdrängt. Die Vorfreude auf was jetzt kommt ist riesig. Endlich wieder Kissin‘ Dynamite!

Was hab ich im Vorfeld über die Schwaben gesagt? Dass sie vielerorts unter dem Radar laufen? Das trifft offenbar auch für die Medien zu. Wir sind gerade mal vier oder fünf Fotografen im Graben… Nun gut, das gibt dafür mehr Platz und weniger Gerempel. Dennoch erschreckend, dass hier nicht mehr Medienschaffende anwesend sind.

Doch auch das ist nun egal, denn es beginnt ein absolut epischer Abend! Das Intro „Nothin‘ But A Good Time“ von Poison heizt an und plötzlich stehen sie da: Jim, Steffen, Hannes und Ande präsentieren sich oben an der riesigen Showtreppe, in deren Mitte Sebastian an den Drums platziert ist. „Back With A Bang“ – und Hannes schiesst dann auch gleich eine geballte Ladung Papierschlangen aus seiner „Kanone“. Das Stimmungsbarometer schnellt in die Höhe.

„DNA“ wird frenetisch gefeiert von den Fans und man berichtet von einem grauhaarigen alten Sack im Fotograben, der mehr mit Headbangen als Fotografieren beschäftigt sein soll. Ups. Dann steht Hannes ganz allein im Rampenlicht und strahlt über das ganze Gesicht. Die Fans feiern mit Sprechchören, sie lassen den Blondschopf kaum zu Wort kommen. Und nicht nur er, die ganze Band ist sichtlich überwältigt von dem Empfang hier.

Den Zuschauern wird hier nun richtig was geboten. Die Setliste der Dynamitstangen ist ein Traum, besser geht es kaum noch. Falls jemand gedacht hat, dass hier mehr altes als neues Zeugs geboten wird: Es sind schlussendlich SIEBEN Songs vom aktuellen Silberling „Back With A Bang“. Doch zuerst sind mit „No One Dies A Virgin“ (Eskalation im Fotograben) und „I’ve Got The Fire“ (Eskalation ausserhalb Fotograben) zwei Übernummern aus der jüngeren Vergangenheit an der Reihe.

Nach „My Monster“ wird ein Thron auf die Bühne gestellt. Bereits sehr früh ist mit „I Will Be King“ somit einer der wohl beliebtesten Titel von Kissin‘ Dynamite an der Reihe. Früher ein Standard im Zugaben-Block – das zeigt deutlich, welches Vertrauen die Band in ihr neues und neueres Material hat! Die Schwaben leben definitiv nicht von den Hits vergangener Tage, selbst wenn natürlich auch davon einiges im Programm ist.

Nach dem Thron folgt das grosse Piano. Ein erstes Mal fährt die Band das Tempo nun etwas herunter. Mit dem sanften „Heart Of Stone“ gönnt man den Fans eine Verschnaufpause. Hannes‘ Ansage betreffend Handys an Rockkonzerten hat was, doch in diesem Moment fordert er die Taschenlampen, welche darauf das Z7 in ein riesiges Lichtermeer verwandeln. Zugegeben, das sieht schon beeindruckend aus.

Apropos Piano: Da muss man nicht unbedingt Balladen spielen! Meint der Blondschopf. Meine Wenigkeit erreicht die nächste Eskalationsstufe beim nun folgenden „Queen Of The Night“. Der beste Bon Jovi Song in diesem Jahrtausend, der nicht mal von Bon Jovi ist. DAS ist Stadium Rock in Perfektion, werte Damen und Herren!

Der Teufel ist eine Frau und nur die Toten wissen, wie abgefuckt das Leben ist. Vor allem „Only The Dead“ geht mir dermassen unter die Haut, die zur Hühnerhaut wird und meine Stimme ist langsam nur noch ein Krächzen. Es ist einfach nur geil, was hier gezeigt wird!

Hannes erzählt nun eine kurze Geschichte von früher. Neues Album, Plattenfirma zufrieden – bis auf einen Song. Den haben KD gemacht, einfach weil sie es konnten und Bock darauf hatten. Die Plattenfirma ist nicht mehr ihre Plattenfirma – dafür lieben die Fans nun „Six Feet Under“. Auch das war früher übrigens mal eine gesetzte Zugabe, heute im zweiten Drittel der Show… Dass die Fans hier selbstredend sehr enthusiastisch (und zuweilen auch ziemlich falsch…) mitsingen, muss man wohl kaum erwähnen. Ich frage mich, wie das im Stadion vor 40‘000, 50‘000 Leuten tönen würde….

Langsam biegen Kissin‘ Dynamite auf die Zielgerade ein. Der Sänger erklärt, dass sie im Vorfeld in den sozialen Medien gefragt haben, welcher Song auf gar keinen Fall fehlen darf. Und sie haben den überhaupt nicht auf dem Zettel (im wahrsten Sinne des Wortes) gehabt. Was mich erstaunt – denn es handelt sich um „The Best Is Yet To Come“, den wohl besten Track überhaupt auf dem neuen Album! Ich bin fix und fertig, das ist einfach zu geil.

Und noch eine Ansage: Hannes erzählt, dass auch sie während Corona kurz vor dem Ende standen. Doch irgendwann haben sie geschnallt, dass dies nicht das Ende sein kann, sein darf. Scheissegal, welche Steine das Leben dir in den Weg legt: „This Is Not The End Of The Road“! Ich bin noch fixer und fertiger.

Es folgen die Zugaben. Angeführt von Tourmanager Jomi läuft die Band quer durchs Publikum und macht es sich beim Mischpult bequem. Stadium Rock im Z7! Denn solche Aktionen kennt man natürlich den ganz grossen Nummern wie Kiss oder Mötley Crüe… „Not A Wise Man“ wird nun in einer XXL-Version gespielt. Dies mit ganz viel Unterstützung durch das Publikum, bevor der Rückweg Richtung Bühne angetreten wird.

Dort folgt nun DIE Stadium Rock Hymne, mit der eigentlich diese Geschichte wohl angefangen hat: „You’re Not Alone“. Ein grosses Gummiboot wird auf die Bühne gebracht, Hannes kann so auf Crowdsurfing-Tour gehen und dennoch wie gewohnt weitersingen. Meine Fresse, wie würde das im Stadion aussehen?

Am Ende bleibt nur noch eines: Danke zu sagen! Darauf heben wir die Gläser. „Raise Your Glass“ ist das ultimative Finale. Die Reise geht weiter und das Beste kommt erst – so sind die Lyrics. Und dazu gehört neben Stadion-Auftritten dann hoffentlich auch der Respekt und die Beachtung, welche Kissin‘ Dynamite einfach verdient haben!

Das Fanzit Kissin‘ Dynamite, Massive Wagons, Airstrike

Kaufi: Dies war wohl der letzte Auftritt von Kissin‘ Dynamite im Z7. Sie haben es endlich geschafft, den Laden zu füllen (man hörte Zahlen zwischen 1‘300 und 1‘500 Leuten). Selbst wenn das Z7 knapp nicht ausverkauft war: Die Schwaben dürften in Kürze dann ZU gross sein dafür. So sehr wir alle das Z7 schätzen und lieben – aber KD müssen die Grenzen erweitern.

Denn die Show, die Produktion, das Bühnenbild: Das nimmt Stadium Rock-taugliche Masse an. Alleine die Showtreppe mit ganz viel Licht ist ein Blickfang. Dazu all die weiteren grossen und kleinen Details: Ballone bei „The Best Is Yet To Come“, Konfettikanonen, das grosse, leuchtende KD Logo oberhalb der Bühne, die grossen Dynamitbündel, die plötzlich die Seiten der Bühne dekorierten, die Banner im Hintergrund. Und dazu eben solche Aktionen wie im Zugaben-Block. Fehlt nur noch die Pyro-Show…

Das angesprochene Vertrauen in das neue Material zeigt sich schlussendlich auch damit, dass beispielsweise der jahrelange Rausschmeisser „Flying Colours“ nicht mehr im Programm ist. Mit „Sex Is War“ ist ein weiterer Fixpunkt im Set rausgeflogen. Ich persönlich finde das gut, wenn man nicht bei jeder Show 75% der gleichen geboten bekommt.

Die Spielfreude von Kissin‘ Dynamite ist dazu unbändig, die Fans geniessen das und feiern die Schwaben immer wieder zwischen den Songs. Ah ja, apropos „Fans“: Es ist ganz, wirklich ganz lange her, seit ich eine solche Stimmung im Z7 erlebt habe! Abriss? Selten trifft dieser Ausdruck besser zu als auf das, was hier während 100 Minuten abgeht! Der Laden kocht von Sekunde 1 und selbst die ruhigeren Parts lassen den Level kaum sinken. Auch von Seiten der Zuschauer ist das riesengrosses Kino – Stadium Rock würdig!

Die Summe Kissin‘ Dynamite + Sound + Show + Spielfreude + Stimmung + Freunde und Kollegen ergibt einen der besten Abende, die ich in knapp 30 Jahren im Z7 erleben durfte. Danke dafür! Ach ja: Beim Knockout Festival in Karlsruhe im Dezember erhalten KD endlich mal den Slot, den sie längstens verdienen: Co-Headliner vor Blind Guardian! We’ll be there… Dutti, hab ich was vergessen?

Dutti: Nein, dieser begeisternde „Schwall“ einer Danksagung ist definitiv nicht gestohlen. Zwecks Vollständigkeit möchte ich aber trotzdem noch Airstrike und den Massive Wagons für ihre jeweiligen Aufwärmsequenzen danken. Und zu Kissin’ Dynamite ist zu ergänzen, dass es mich erneut (positiv) überrascht, was aus den blutjungen „Glam Rock-Bubis“ von damals geworden ist. Die Zeit für grössere Räumlichkeiten – oder eben gar Stadien – scheint diskussionslos gekommen zu sein. Nichtsdestotrotz wären sie aber sicherlich auch in „Prattele“ (wie es Hannes so schön ausspricht) weiterhin gern gesehene Gäste.

Die Setliste Kissin‘ Dynamite

  1. Back With a Bang
  2. DNA
  3. No One Dies a Virgin
  4. I’ve Got the Fire
  5. My Monster
  6. I Will Be King
  7. Heart of Stone
  8. Queen of the Night
  9. The Devil Is a Woman
  10. Only the Dead
  11. Six Feet Under
  12. The Best Is Yet To Come
  13. Not The End Of The Road
  14. Not A Wise Man*
  15. You’re Not Alone*
  16. Raise Your Glass*

*Zugaben

Die Fotos Kissin‘ Dynamite, Massive Wagons, Airstrike


Wie fandet ihr das Konzert?

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