Down Under im Dynamo
Extreme Musik, gepaart mit einer Violine? Kann das überhaupt funktionieren? Die Australier Ne Obliviscaris liessen daran am Montagabend absolut keine Zweifel aufkommen. Das war grossartiges «Metal-Kino»!
Mit dabei waren ausserdem ihre Landsleute von Freedom Of Fear und die israelische Alternative-Equipe Walkways.
Nach zwei Wochen Ferien war der heutige Start zurück in den Arbeitsalltag für mich ohne Zweifel eine Herausforderung. Aber irgendwie habe ich die Mail- und Sorgen-Flut erfolgreich «überlebt». Nichtsdestotrotz möchte der eigene Schädel nun mit einer gesunden Dosis Live-Musik ausgelüftet werden. Zum Glück hat Veranstalter Mainland Music dazu einen passenden Event parat.
Die extremen «Aussie-Gitarren-Frickler» Ne Obliviscaris gastieren nämlich im Zürcher Dynamo. Die Akteure möchten ihre beiden Platten «Citadel» (2014) und «Exul» (2023) komplett durchzocken. Für Personen wie meine Wenigkeit ist das somit eine ideale Gelegenheit, um sich mit dem musikalischen Schaffen des Sextetts vertraut zu machen. Das Aufwärmprogramm bestreiten derweil die Truppen Walkways und Freedom Of Fear.
Beim Betreten des Saals fällt mir sofort ein ungewohnter Anblick auf. Der Merch-Stand steht auf der rechten Raumseite (und ist ziemlich grosszügig ausgebreitet). Das dürfte wohl leider für einen eher mässigen Publikumsansturm sprechen. Netterweise haben sie etwas vorne trotzdem noch ein bisschen Platz freigelassen, so dass ich ungefähr an meinem bevorzugten Standort Stellung beziehen kann (in dieser Disziplin bin eben schon ein kleiner «Bünzli»).
Freedom Of Fear
Die Todesblei-Mucke der ersten Band wird mit den Attributen «melodiös», «technisch» und «geschwärzt» ausgeschmückt. Wenn Fronterin Jade Monserrat nicht gerade mit bitterbösem Gekrächze beschäftigt ist, setzt sie auf hypnotisierende Tanzeinlagen. Schiessbuden-Hüter Liam Weedall muss auf der linken Bühnenseite wüten, da in der Mitte der «Spielwiese» – im hinteren Bereich und noch von Tüchern verdeckt – bereits die «Kessel-Abteilung» des Headliners auf ihren Einsatz wartet. Der Sound von Freedom Of Fear kann nach meinem Gusto sinnvollerweise mit demjenigen von Fleshgod Apocalypse verglichen werden. Drums und Gitarren sind mit verflucht viel Geschwindigkeit unterwegs! Der Vierer aus Adelaide empfiehlt sich mit dieser halben Stunde fraglos für weitere Besuche auf helvetischem Grund.
Walkways
Als ich die nächste Kapelle im heutigen Line-up entdeckt habe, löste das wahre Freude in mir aus. Schliesslich waren die Israelis eine meiner lohnenswerten Entdeckungen am Wacken Open Air 2022.
Huch, Basser Avihai Levy war zuvor noch Merch-Verkäufer, aber jetzt muss er auf der Bühne ran! Allerdings tut er dies nicht allein, sondern gemeinsam mit vier Kumpels. Neben Alternative-Sequenzen enthalten die Songs der Mannschaft ebenfalls Elemente aus der Nu Metal- und Metalcore-Sparte. Den Klargesang von Ran Yerushalmi stufe ich heute jedoch als ziemlich mau ein. Dafür sitzen seine Growls und Screams. Der zweite Teil des Gigs wirkt etwas besser, aber insgesamt waren die Jungs am W:O:A definitiv stärker. Mangelnden Einsatz kann man ihnen aber sowieso keinesfalls vorwerfen. Während der finalen Nummer «Actions» wagt Avihai beispielsweise einen mutigen Ausflug mitten in den Pit.
Positiv anzumerken ist obendrein die Tatsache, dass weder politische noch sonstige Angelegenheiten wegen der aktuellen Unruhen auf unserer Erdkugel diesen Auftritt überschatten. Die Musik steht im Fokus. So, wie es eigentlich immer sein sollte!
Ne Obliviscaris
Kurz vor 21 Uhr geht es wieder zurück nach Down Under. In der dortigen Grossstadt Melbourne sind Ne Obliviscaris beheimatet. Und genau diese Band tritt nun vor das Zürcher Publikum. Genauer gesagt ist es bloss ein Mann – nämlich der mit einer elfenähnlichen Mähne ausgestattete Tim Charles. Dieser eröffnet die Darbietung mit einem packenden Violinen-Intro. Es handelt sich hierbei gleichzeitig um den Auftakt der «Painters Of The Tempest»-Trilogie. Nach und nach betreten die restlichen Mitglieder das Rampenlicht und ernten dafür frenetischen Applaus seitens des Publikums. Seid ihr bereit für einen wilden Ritt? Jetzt gibt es keine Ausreden mehr!
Mein Kiefer hat ziemlich schnell Bodenkontakt. «Läck isch das starch!» Es sieht beinahe so aus, als ob ich hier eine weitere Truppe in meinen Kreis von Lieblingskünstlern aufnehmen müsste (gestern sind schon Mister Misery dank einer überzeugenden Performance in der Musigburg dieser besonderen Liga beigetreten). Tim ist nicht nur ein Meister des Streichinstruments, sondern glänzt ausserdem mit einer lupenreinen Gesangsstimme. Als Kontrast figuriert sein Kollege James Dort, welcher die Growl-Passagen abdeckt. Die beiden harmonieren ausgezeichnet zusammen.
Im zweiten Abschnitt dreht sich dann alles um die Scheibe «Exul». Daniel Preslands Schlagzeug-Geballer passt wunderbar zum Scheinwerfer-Gewitter. Die progressiv angehauchten Bass-Soli von Martino Garattoni machen ebenfalls viel Freude. Die Circle Pits toben beinahe ununterbrochen. Im Jahr 2015 durften die «Aussies» in diesem Gebäude noch das Werk 21 beglücken. Tim kann sich sogar noch daran erinnern. Aber ich würde schon meinen, dass sie mittlerweile zu Recht bereit für grössere Aufgaben und Kaliber sind. Die zweistündige Machtdemonstration endet schliesslich mit «And Plague Flowers The Kaleidoscope» (einem über zehn Minuten vertilgenden Brocken vom Debüteisen «Portal of I»).
Das Fanzit – Ne Obliviscaris, Walkways, Freedom Of Fear
Ich bin überaus dankbar, dass ich dieses Ne Obliviscaris-Spektakel in Fleisch und Blut erleben durfte. Eine sensationelle Band, welche extreme Musik und klassische Elemente gekonnt miteinander kombiniert. Ihre Landsleute Freedom Of Fear zeigten freilich lohnenswerte Ansätze und verdienen deswegen auch mehr Aufmerksamkeit. Einzig Walkways kamen heute Abend nicht vollends auf die übliche Betriebstemperatur.
Die Setliste – Freedom Of Fear
- Immortal
- Primordius
- Nebula
- Carpathia
- Entities
- Zenith
Die Setliste – Walkways
- Humane Beings
- Hell Born Shove (Impossible)
- Out
- Levitate
- Prove Me Wrong
- A Reminder
- Half The Man I Am
- Actions
Die Setliste – Ne Obliviscaris
- Painters Of The Tempest (Part I): Wyrmholes
- Painters Of The Tempest (Part II): Triptych Lux
- Painters Of The Tempest (Part III): Reveries From The Stained Glass Womb
- Pyrrhic
- Devour Me, Colossus (Part I): Blackholes
- Devour Me, Colossus, (Part II): Contortions
- Equus
- Misericorde I – As The Flesh Falls
- Misericorde II – Anatomy Of Quiescence
- Suspyre
- Graal
- Anhedonia
- And Plague Flowers The Kaleidoscope*
*Zugabe