Legenden im Z7
Die lange Wartezeit ist vorbei: Die Pretty Maids kehren ins Z7 zurück! Danish Dynamite in der Nordwestschweiz.
Es waren sehr ereignisreiche Jahre, welche die dänischen Rocker Pretty Maids durchlebt haben. Die Krankheit von Sänger Ronnie Atkins, die Pandemie inklusive abgesagter Tour und dann sollen sich auch noch Ronnie und Gitarrist Ken Hammer verkracht haben. Nicht wenige hatten in dieser Zeit die Befürchtung, dass dies das Ende der Band ist. Doch dann die Kehrtwende. Völlig aus dem Nichts wurden plötzlich Konzerttermine in diesem Jahr bekannt gegeben. Und eine der wenigen Club-Shows soll in der Schweiz stattfinden: Im von der Band so geschätzten Z7! Nun ist es soweit: Vorhang auf für die lebenden Legenden!
Dan Reed
Kaufi: Als wir leicht verspätet kurz nach 19 Uhr in der Halle auftauchen, steht bereits der Support Act auf der Bühne. Dabei handelt es sich um Dan Reed, der alleine mit seiner Gitarre ein Akustik-Set präsentiert. Reed könnte den älteren Semestern auch bekannt sein als Frontmann von Dan Reed Network, die 1989 für Bon Jovi im Hallenstadion den Support machten.
Heute ist der gute Herr jedoch wie erwähnt als lupenreiner Solokünstler anwesend. Vor allem die Zuschauer im vorderen Teil der Halle zollen dem US-Amerikaner mit viel Applaus Respekt, während gegen hinten das Interesse am Dargebotenen eher minim scheint. Bei mir persönlich bleibt ehrlich gesagt auch nicht allzu viel hängen und eine akustische Version von Dio’s „Holy Diver“ finde ich schon eher speziell. Aber vielleicht sehe ich das alles falsch – oder was meint mein werter Metalinside-Kollege Rossi dazu?
Rossi: Haha, köstlich! … Lustigerweise trudle ich ebenfalls erst nach 19 Uhr in der Halle ein. Die Klänge von Dan Reed holen mich da nicht wirklich ab, im Gegenteil. Bleibe im hinteren Teil der Halle beim Merch stehen, verschaffe mir kurz einen Überblick und suche mir einen idealen Platz irgendwo zwischen Bühne und Mischpult. Dort ist die Stimmung bereits erstaunlich warm, aber der Funken springt auch da bei mir nicht über. Doch vielleicht bin ich einfach zu sehr auf die Maids gespannt, als dass ich mich gerade auf ein Akustikset einlassen kann oder will.
Pretty Maids
Kaufi: Punkt 20 Uhr ist es soweit: Ronnie Atkins, Ken Hammer, René Shades, Chris Laney und Allan Tschicaja sind zurück! Und mit dem Doppel „Mother Of All Lies“ / „Kingmaker“ lassen es die Dänen gleich richtig krachen. Meine Nackenmuskeln bekommen nach dem Wahnsinn zwei Tage zuvor (siehe hier) keine Verschnaufpause.
Mit „Back To Back“ und dem unwiderstehlichen „Red, Hot And Heavy“ gibt es die erste Ladung Nostalgie, welche von den geschätzt 1‘000 Fans noch so gerne angenommen wird. Doch eigentlich ist das ja eine Show, welche das neue Album (so Ronnie) promoten soll. Selbst wenn das nun bereits fünf Jahre alt ist… Mit „Will You Still Kiss Me (If I See You In Heaven)“ und „Serpentine“ ist nun das dritte „Doppelpack“ also vom aktuellen Silberling. Es sollen dies jedoch die einzigen zwei Tracks davon bleiben. Schade, denn beispielsweise mit dem Titeltrack „Undress Your Madness“ oder vor allem „Firesoul Fly“ wäre durchaus weiterer guter Stoff vorhanden.
Beeindruckend ist jedoch die Performance der Band. Basser René Shades tänzelt immer wieder auf der Bühne herum, ohne dass ihm jemals sein Zylinder vom Kopf fallen würde. Chris Laney wechselt zwischen Keyboard und Gitarre hin und her, während Allan Tschicaja unermüdlich auf seine Kübel haut. Im Fokus steht jedoch – natürlich – das Duo Atkins / Hammer.
Ronnie merkt man den Kampf sichtlich an, je länger das Konzert dauert. Dennoch ist seine Stimme einfach unverkennbar. Eine absolut grossartige Leistung, die der Sänger hier abliefert. Und Hammer? Also wenn es jemals wirklich Krach zwischen den beiden Alphatieren gegeben haben sollte, dann scheint das alles Schnee von gestern zu sein. Der Gitarrist strahlt über die komplette Spielzeit; der hat enormen Spass, dass er hier auf der Bühne des Z7 stehen darf. Da sind zu keiner Sekunde irgendwelche Animositäten mit Atkins auszumachen. Hier ist eine verdammte Einheit (damit meine ich die ganze Band) am Werk, welche einfach enorm Bock hat, den Fans eine gute Zeit zu bescheren!
Dies schafft man natürlich problemlos mit Hits wie „Yellow Rain“, Rodeo“ oder dem überragenden „Little Drops Of Heaven“. Doch auch Überraschungen wie „Queen Of Dreams“ als letzter Song vor den Zugaben oder einer meiner absoluten Lieblinge, „Nightmare In The Neighbourhood“, passen hervorragend ins Programm. Bei Letzterem merke ich, dass hier wohl eher älteres Publikum anwesend ist, denn obwohl ich mitten im Kuchen stehe, sind kaum Smartphones zu sehen. Eine Minute später ändere ich meine Meinung blitzartig. Die Ballade „Walk Away“ beginnt – und mehr als ein Dutzend dieser verdammten Dinger versperren mir die Sicht auf die Bühne. Elende Pest!
Ich such mir einen Platz mit besserer Sicht, als Ronnie die Frage stellt, ob wir etwas von „Pandemonium“ hören wollen. Ähm, hallo? Selbstverständlich! Ich bin bereit für erneute Eskalationen… „Pandemonium“, „I.N.V.U.“ und „Little Drops Of Heaven“ – ich würde noch mehr ertragen von dieser Götterscheibe! Den Zuschauern geht es ähnlich, es herrscht eine grossartige Stimmung.
Mit „Please Don’t Leave Me“ geht es gemächlich auf die Zielgerade, die dann mit „Rodeo“ und besagtem „Queen Of Dreams“ auf furiose Art erreicht wird. Doch selbstverständlich ist dies nicht das Ende. Als Zugaben gibt es wenig überraschend noch „Future World“ sowie „Love Games“ auf die Löffel. Was dann hier den leisen Kritikpunkt bildet, dass man (zu) viel des Gespielten kennt und etwas mehr Abwechslung schön wäre. Zugegeben: Geil ists trotzdem!
Rossi: Aber sowas von! Es ist Sonntagabend und ich stehe in einem gut gefüllten Z7 mit guter Sicht zur Bühne und mit meinem geliebten Quadratmeter, sprich: genug Platz um mich herum. Platz zum Headbangen, Platz für die Luftgitarre, Platz zum frenetischen Mitsingen – perfekt! Im modernen Metalzeitalter grenzt das schon an ein Wunder, aber ich träume tatsächlich nicht. Auch nicht, als die Pretty Maids die Bühne betreten und es beinahe surreal erscheint, Ronnie Atkins im Scheinwerferlicht wiederzusehen. Ich kriege zum ersten Mal Hühnerhaut…
Was dieser Ronnie im Angesicht seiner Krebserkrankung an Lebenswillen und -freude auf die Bühne bringt, geht vom ersten gespielten Ton an unter die Haut. Spätestens bei den Krachern aus dem bereits 40-jährigen Debutalbum (Kaufi, sind wir alt? Wehe, du sagst Ja…) brechen alle Dämme: Es wird abgefeiert, als gäbe es kein Morgen, strahlende Gesichter, soweit das Auge reicht. Ein Hünerhautmoment jagt den anderen – ist es wirklich Sonntagabend? Normalerweise tue ich mich ja schwer mit den Sonntagabenden. Aber so? Noch so gerne!
Das Fanzit – Pretty Maids, Dan Reed
Kaufi: Danke Nobby, danke Z7, dass ihr es geschafft hat, Pretty Maids nochmals respektive wieder ins Z7 zu holen! Man weiss ja wirklich nie, wann es das letzte Mal ist… In diesem Fall hoffen wir alle schwer, dass es noch eine, nein: noch VIELE Wiederholungen gibt!
Denn die Pretty Maids zeigen sich allen Widrigkeiten zum Trotz in bestechender Form. Dass die Spielzeit aufgrund der Begebenheiten halt auch als Headliner mit knapp 95 Minuten eher kurz ausfällt, sei ihnen verziehen. Und schliesslich müssen sie ja noch 17 Stunden nach Hause fahren! Erwähnt Ronnie mehrmals mit schelmischem Grinsen… Und was meint Rossi zu diesem Abend?
Rossi: Ich bin geflasht! Was für eine Power, was für eine Leidenschaft und Spielfreude, was für eine ausgelassene Stimmung! Dass Atkins die Töne nicht mehr jederzeit so trifft wie in seinen besten Tagen, das sei ihm grosszügig verziehen. Ich ziehe schlichtweg den Hut vor diesem Herrn! Wenn es etwas zu bemängeln gäbe, dann vielleicht die Tatsache, dass ich mir aufgrund des 40-jährigen Jubiläums von „Red, Hot and Heavy“ eine etwas andere Setlist gewünscht hätte (z. B. in Bochum wurde das Album in ganzer Länge gespielt). Aber auch so reihe ich diesen Auftritt unter die Top-Konzerte von 2024 ein!
Setliste: Pretty Maids
- Mother of All Lies
- Kingmaker
- Back to Back
- Red, Hot and Heavy
- Will You Still Kiss Me (If I See You in Heaven)
- Serpentine
- Yellow Rain
- Nightmare in the Neighbourhood
- Walk Away
- Pandemonium
- I.N.V.U.
- Little Drops of Heaven
- Please Don’t Leave Me
- Rodeo
- Queen Of Dreams
- Future World*
- Love Games*
*Zugaben