Ein nostalgischer Rock ’n’ Roll-Abend
Die Münchner Spider Murphy Gang kehrt zurück ins Z7 und lädt zur grossen Nostalgie-Party.
Für einmal ist weder Hardrock noch Heavy Metal der Grund, warum ich das dritte Mal innert zwei Wochen in den Konzerttempel zu Pratteln pilgere. Nein – dieses Mal ist es die Spider Murphy Gang. Auch wenn ich damals schon härtere Musik hörte, so gehörten SMG immer zu meinen musikalischen Begleitern, selbst als es kommerziell nicht mehr so erfolgreich lief. Mit zarten 15 Jahren war dies zudem 1985 das zweite Konzert in meinem Leben, welches ich besuchen durfte. Auch wenn die Bayern immer mal wieder in der Schweiz waren, so ist dies heute meine erste Begegnung nach weit über 30 Jahren. Die Vorfreude ist riesig!
The Kickstarters
Als ich relativ spät in der Halle ankomme, staune ich nicht schlecht. Da hat es deutlich mehr Publikum, als ich es erwartet hätte, das Z7 dürfte nahe vor dem „Ausverkauft“ sein. Und so kämpfe ich mich mal durch bis zur „Fotoecke“ und merke: Hier ist anderes Publikum als gewohnt anwesend. Doch dazu später mehr.
Jedenfalls geht es pünktlich los mit den Kickstartern. Das Quartett startet mit „Blue Suede Shoes“ (einem Cover von Carl Perkins) und zeigt gleich, was hier in den nächsten 45 Minuten zu erwarten ist. Ich bin bei diesen puren Rock ’n’ Roll / Rockabilly-Dingen nicht gerade der Experte, so kann ich nicht sagen, ob dies jetzt alles Coverversionen sind, oder ob die Augsburger auch eigene Songs im Programm haben. „Great Balls Of Fire“ von Jerry Lee Lewis oder das sehr sanft gespielte „Always On My Mind“ von Willie Nelson (nein, der Song ist NICHT von Elvis…) sind mir jedoch sehr wohl bekannt. Vor allem die Feuerbälle sorgen für richtig gute Stimmung im Publikum.
Die Kickstarter zeigen sich ansonsten sehr sympathisch, bodenständig und dankbar, dass sie hier spielen können. Ein idealer Anheizer, der die Fans wunderbar auf den Headliner vorbereitet. Insgesamt trotz guten Momenten nicht unbedingt meins, den Süddeutschen kann man jedoch einen richtig guten Job attestieren. Nur darauf kommt es an.
Spider Murphy Gang
Viertel nach neun – es ist Zeit für geballte Nostalgie! Wie kaum eine andere Band lebt die Spider Murphy Gang wirklich nur von der Vergangenheit. Selbst wenn ich bei vielen Metalbands rumnörgle deswegen: Hier und jetzt will niemand irgendwas anderes als alte und ganz alte Hits. Davon haben die Münchner schliesslich auch mehr als genug!
Unter tosendem Applaus betreten Andreas Keller (Drums), Ludwig Seuss (Keyboards), Otto Stanioli (Saxophon), Willie Duncan (Gitarre), Barny Murphy (Gitarre) und Günther Sigl (Gesang und Bass) die Bühne. Dies mit einer Coolness, die nur jemand mit so viel Erfahrung haben kann. Was braucht es da noch? Richtig: Eine „Überdosis Rock’n’Roll “!
Im Blickpunkt stehen natürlich die beiden Originale Günther und Barny, letzterer in rotem Overall, mit roter Kappe und roten Schuhen unterwegs. Der Fronter zeigt sich sehr schnell als fantastischer Entertainer. Im Verlauf der Show macht er mit seinen Sprüchen und ausgedehnten Ansagen sogar Tobi Sammet Konkurrenz…
So erklärt er vor dem Song „Mit ’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia“, dass er eine schwierige Jugend hatte wegen seiner Körpergrösse („Einszweiundsechzig – mit Absatz!“) – die Mädels hätten immer woanders hingeschaut. Und zeigt auf Barny, der nicht mal so viel grösser sei. Der kommentiert es mit „Einsfünfundsechzig – OHNE Absatz!“ Jeder Zentimeter zählt…
Etwas später versucht Sigl den Fans den Twist beizubringen. Respektive den jungen Leuten im Publikum zu erklären, was das ist. „Rock ’n’ Roll ist Arbeit und nicht nur wie angewurzelt rumstehen!“ Minutenlang folgt Spruch um Spruch, mit denen der Fronter die Fans aus der Reserve lockt. Sie hätten letztens im Seniorenstift Baden-Baden gespielt, da sei mehr los gewesen als hier: „Die Rollatoren sind nur so rumgeflogen!“ Beste Unterhaltung, bevor es mit „Ich grüsse alle und den Rest der Welt“ musikalisch weitergeht.
Nun folgt Hit auf Hit, ein regelrechtes Best-of aus den 80ern! „Pfüati Gott, Elisabeth“ macht den Anfang, bei „Schickeria“ schnellt das Stimmungslevel direkt im Anschluss richtig in die Höhe. Hier bietet die SMG nun eine XXXXXL-Version: Der Song wird mit ausgiebigen Solos ausgeschmückt und dauert damit locker über eine Viertelstunde. Nun ja, Barny und Günther können wohl eine Verschnaufpause brauchen…
Auch bei „Wer wird denn woana“ wird nochmals soliert, hier darf Drummer Andreas Keller sein Können ausgiebig demonstrieren. „Ich schau Dich an (Peep Peep)“ wird lauthals mitgesungen, gleiches bei „Wo bist Du“. Textlich auch pure Nostalgie – da gab es noch kein Tinder, Partnersuche lief über Zeitungsinserate…
Es folgt der absolute Höhepunkt des Abends. Der Song, auf den JEDER gewartet hat. Zweifellos der grösste Hit der Spider Murphy Gang, einer der grössten Hits der Neuen Deutschen Welle (die gemäss Sigl jetzt die „Alte Neue Deutsche Welle“ ist) – dies obwohl sie musikalisch weit davon entfernt waren. 32 – 16 – 8. Muss man noch mehr sagen? Kaum einer, der hier nicht lauthals mitsingt. Den Text von „Skandal im Sperrbezirk“ könnte wohl die grosse Mehrheit sogar im Schlaf singen. Schlicht überragend und ich bin grad verdammt dankbar, dass ich sowas nochmals erleben darf!
80 Minuten sind durch, doch das ist bei weitem nicht genug. Das Publikum will mehr und bekommt das auch. Schliesslich stehen auf dem Programmzettel (auch Setliste genannt) noch ganze SECHS Titel. Mit „Achterbahn“ geht es los, doch zur Überraschung aller posiert die Band danach bereits für das Schlussbild. Die Fans lassen nicht locker und so lässt sich die Band nicht allzu lange bitten.
„Herzklopfen“ ist ein absoluter Kult-Song – auf CD. Live wirkt das einfach zu wenig. Dafür braucht es den wirklich letzten Song: DIE Bandhymne schlechthin – „Mir san a bayrische Band“. Den kann man eigentlich ganz am Anfang oder ganz am Ende spielen. Es ist der Schlusspunkt nach knapp 100 Minuten und er könnte nicht besser sein.
Das Publikum
Ein paar Bemerkungen zum Publikum muss ich auch noch loswerden. Schon bei der Ankunft im Z7 merkt man: Heute ist nicht das „normale“ Volk da, welches man üblicherweise sieht. Es ist eben das normale Volk, welches vielleicht einmal pro Jahr an ein Konzert geht. Ausser Christian und Meli, der Fotograben-Crew, kenne ich keinen Menschen.
Stur stehen die Leute auf ihrem Platz, wenn man mal nach hinten oder nach vorne durchlaufen will, macht keiner Platz. Rücksicht? Keine Spur. Umgekehrt wird man dann selbst angerempelt, wenn einer mit frischem Bier wieder zurück an seinen Platz will…
Spannend auch die Leute, die ihre Kinder mitnehmen – welche dann während dem Konzert am Boden sitzen und sich mit dem Handy beschäftigen. Dass bei „Skandal im Sperrbezirk“ zudem hunderte davon (also Handys, nicht Kinder) in die Höhe gehalten werden, trübt einfach den Genuss. Auch das Gequatsche, vor allem während den unterhaltsamen Ansagen, ist enorm nervig. Leute, wenn ihr labern wollt – get the fuck out!
Was man dem Publikum jedoch fairerweise zugutehalten kann: Sie sorgen für richtig gute Stimmung. Äusserst textsicher und trotz Wie-angewurzelt-stehen wird im grossen Stil mitgesungen und geklatscht. Dennoch freu ich mich auf den Sonntag: Da sind dann die normalen Z7-Besucher wieder da…
Das Fanzit – Spider Murphy Gang, The Kickstarters
Wenn Bands wie Iron Maiden, AC/DC oder Judas Priest auf Tour gehen, fragen sich die Fans immer, ob dies das letzte Mal ist. Angesichts des Alters, beispielsweise von Rob Halford, ist die Frage sicher nicht unberechtigt. Dann kommt hier die Spider Murphy Gang daher. Mit einem Sänger der Jahrgang 1947 hat. Ja, richtig gelesen: Günther Sigl ist 77 Jahre alt! Sein Partner in Crime, Barny Murphy, wurde dieses Jahr ebenfalls 70.
Es ist wirklich kaum zu glauben, wie fit diese Herren sind! Speziell Günther ist agil wie nur was, er springt, er geht in die Knie und stimmlich gibt es ebenfalls nichts, was auf sein Alter deuten würde. Irgendwo hat der Kerl einen Jungbrunnen entdeckt, der ihn nicht altern lässt!
Wie eingangs erwähnt, lebt die Spider Murphy Gang von ihren alten Hits. Persönlich vermisse ich zwar vor allem „Reissverschluss“, auch „Cadillac“ oder „Viva la Rock’n’Roll“ wären schon noch cool gewesen. Doch schlussendlich ist wirklich alles dabei, was die Münchner an Hits im Programm haben. Es wäre mal interessant zu erfahren, wie oft sie „Skandal im Sperrbezirk“ in ihrer Karriere gespielt haben…
Es ist schlussendlich genau die nostalgische Rock ’n’ Roll Party, die ich, die wohl jeder Anwesende heute Abend erwartet hat. Wenn ich nun jedoch realisiere, wie alt die Band, die Fans und auch ich geworden bin, dann stellt sich halt schon die Frage: War dies das letzte Mal, dass wir die SMG live erleben durften? Wir wollen es nicht hoffen. Die Deutschen sind schliesslich nach wie vor in Topform. Und wenn es dennoch das Finale war? Dann bin ich einfach nur dankbar und glücklich, dass ich diese Show erleben durfte!
Die Setliste Spider Murphy Gang
- Überdosis Rock’n’Roll
- Rock’n’Roll Schuah
- Vis-a-vis
- So a Nacht
- Mit’n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia
- Sommer in der Stadt
- Ich grüße alle und den Rest der Welt
- Pfüati Gott Elisabeth
- Schickeria
- Wer wird denn woana / Drumsolo
- Ich schau‘ dich an (Peep Peep)
- Wo bist Du?
- Skandal im Sprrbezirk
- Achterbahn*
- Herzklopfen*
- Mir san a bayrische Band*
*Zugaben