Von Biestern, toten Gänseblümchen und weissen Löwen
Die sogenannte „All-Star-Truppe“ The Dead Daisies beehrt das Z7 – mit dabei Beastö Blancö und der ehemalige White Lion-Fronter Mike Tramp.
Ein höchst interessantes Package bittet zum Tanz. Die Dead Daisies sind längstens etabliert mit ihrem Classic Rock. Darf man wohl so sagen, oder? Als wäre dies nicht Grund genug für einen Besuch im Prattlener Konzerttempel, gibt es mit Beastö Blanco und Mike Tramp hochkarätigen Support. Vor allem auf den ehemaligen White Lion-Sänger freue ich mich enorm, denn das Original habe ich leider nie live erleben dürfen.
Mike Tramp
Und eben diesem Mike Tramp ist die Aufgabe zugeteilt, hier als Opener zu spielen. Als kurz vor 19 Uhr die Lichter ausgehen, ahne zumindest ich jedoch noch nicht, was hier auf uns zukommt. Auf der Bühne stehen nur Mike Tramp und sein (mir unbekannter) Sidekick Marcus Nand. Zwei Gitarristen, einer davon als Leadsänger. Kein Bassist (ok, das kennt man von anderen Bands leider mittlerweile ja ebenfalls) und vor allem kein Drummer. Da kommt also sehr vieles ab Band.
Diese Tatsache finde ich schon sehr enttäuschend. Obwohl Tramp einen Erklärungsversuch gibt: „Wir haben die anderen Musiker irgendwo in einer Bar verloren. Aber dafür können Marcus und ich nun all die Kohle teilen!“. Ok, der Humor ist da, das täuscht aber dennoch nicht darüber hinweg, dass man die White Lion-Klassiker wie „Tell Me“ oder vor allem auch „Wait“ gerne mit mehr „LIVE“ hören würde. So bleibt ein sehr schaler Beigeschmack und mindestens bei meiner Wenigkeit ein rechtes Stück Enttäuschung.
Die Setlist – Mike Tramp
- Living on the Edge
- Broken Heart
- Little Fighter
- Tell Me
- When the Children Cry
- Wait
Beastö Blancö
Musikalische Ausreisser sind danach Beastö Blancö. Deutlich härter gehen die US-Amerikaner um Alice-Cooper-Tochter Calico und Alice-Cooper-Basser Chuck Garric zu Werke. Hier ist er allerdings als Gitarrist im Einsatz.
Es folgen 45 Minuten knallharten Hardrocks, der mit leichten Industrial-Elementen versetzt ist. Vor elf Jahren erschien das Debüt „Live Fast Die Loud“, in diesem Sommer folgte mit „Kinetica“ nun bereits Studioalbum Nummer vier. Ich durfte die Truppe 2018 auf der Monsters of Rock Cruise das erste Mal erleben, damals überzeugten sie komplett. Logisch, dass ich jetzt enorm gespannt bin!
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass „Kinetica“ (sowie das letzte Werk der Dead Daisies…) komplett an mir vorbeigerauscht sind, respektive ich hab nie mitbekommen, dass da neue CDs veröffentlicht wurden. Nach dem country-mässigen Intro „Il Nostro Spirito“ ist der Opener „Run For Your Life“ zwar Neuland – doch das macht gar nix, denn es ist ein starker Einstieg. Gefolgt von „Freak“ und dem saugeilen „Grind“. Ich wage nicht daran zu denken, was mein Nacken mir am nächsten Tag so wird mitteilen wollen…
Die knipsende Zunft wird an diesem Beginn allerdings kaum Freude haben: Während der ersten zwei Tracks stehen sämtliche Musiker praktisch ununterbrochen in rotem Spotlight. Der pure Hass zum Fotografieren. Und irgendwie schade, man will ja die Bands jeweils im wortwörtlich besten Licht präsentieren.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Dies beweist Calico Cooper immer wieder. Sie hat zweifellos viel von des Vaters schauspielerischem Talent geerbt. Zwar hat auch sie ihre Gesang-Parts, doch Garric ist stimmlich schon mehr gefordert. Dafür überzeugt das Machine Girl mit all den theatralischen Einlagen wie beim Alice Cooper-Cover „Feed My Frankenstein“ oder eben bei genanntem „Machine Girl“, welches mit viel Laser inszeniert ist.
Keine echten Pyros, sondern nur Stoffflammen untermalen „Lowlands“, ebenfalls nochmals mit Laser garniert. Für einen Support-Act bieten Beastö Blancö doch einiges auch fürs Auge. Allerdings spritzen sie heute – im Gegensatz zur Cruise – nicht mit Feuerlöschern herum… Das starke, treibende „Breakdown“ setzt dem Auftritt die Krone auf. Zwar merkt man, dass gewisse Teile des Publikums mit dem Sound insgesamt wohl nicht allzu viel anfangen konnten – ich bin jedoch restlos begeistert. Mein Nacken wird es mir dann bald bestätigen.
Die Setlist – Beastö Blancö
- Run for Your Life
- Freak
- Grind
- Nobody Move
- Feed My Frankenstein
- Machine Girl
- Honey
- Lowlands
- Blind Drive
- Breakdown
The Dead Daisies
Ein Intro voll auf meiner Linie! Nachdem wir im Kollegenkreis zuvor über alte, ganz alte Bands diskutiert haben (diese „wen würde man gerne mal noch sehen“-Geschichten) passt Led Zeppelins „Rock And Roll“ perfekt! Da hab ich grad richtig Spass, bevor mit „Light ’Em Up“ die Gänseblümchen loslegen.
Was folgt ist eine saucoole Rock ’n’ Roll-Party. Älteres wie „Rise Up“ und der Gassenhauer „Make Some Noise“ (mein Nacken…) genauso wie „I Wanna Be Your Bitch“ vom aktuellen Silberling sorgen für beste Laune im recht anständig gefüllten Z7. Die Stimmung ist insgesamt zudem recht gut. Das überträgt sich auch auf die Band.
Da fehlt dafür ein Protagonist: Doug Aldrich kann die Tour (wenn ich das richtig verstanden habe) aus gesundheitlichen Gründen nicht mitmachen. Sein Ersatz ist jedoch kein geringerer als Reb Beach, den die alten Säcke von uns noch als Gründungsmitglied von Winger oder als Georg-Lynch-Ersatz bei Dokken kennen. Wenn man Fronter John Corabi glaubt, dann hat der nur einmal mit der Band proben können – das merkt man jedoch zu keinem Moment.
Während das Drumsolo von Tommy Clufetos trotz dessen heftigen körperlichen Einsatzes halt wie fast jedes Drumsolo mehrheitlich überflüssig ist, so ist die Bandvorstellung bald darauf sehr cool. Jeder Musiker erhält einen Moment im Rampenlicht – jeder mit eigenem Song. Beim australischen Bandgründer David Lowy kann es nur AC/DC sein, bei Clufetos ist es die „Seven Nation Army“. Basser Michael Devin zelebriert Black Sabbaths „Children Of The Grave“ und Reb Beach zockt „Living After Midnight“. John Corabi bildet mit „Join Together“ den Abschluss.
Weitere Highlights des Abends bilden zweifellos die Hymne an die Töfffahrer „I’m Gonna Ride“ und das einfach saustarke CCR-Cover „Fortunate Son“. Im Allgemeinen bin ich ja diesen nachgespielten Songs gegenüber recht skeptisch eingestellt, die Dead Daisies haben aber eigentlich schon immer einige Perlen ausgegraben. Und dazu gehört im Endeffekt ebenso der (vorerst) letzte Song „Midnight Moses“ von der Sensational Alex Harvey Band. Da die Gänseblümchen musikalisch respektive stilistisch durchaus auch in den 70ern unterwegs sind, passen halt solche Dinge schon irgendwie.
Als Zugaben gibt es dann noch „Long Way To Go“ sowie „Helter Skelter“ von den Beatles. Letzterer kommt relativ schwer und langsam daher, vor allem wenn man die Version von Mötley Crüe irgendwie im Ohr hat. Dennoch ist es ein äussert gelungener Abschluss nach 95 Minuten, der mit viel Applaus der Fans belohnt wird.
Das Fanzit – The Dead Daisies, Beastö Blancö, Mike Tramp
Es gab heute im Z7 für einmal neben viel Licht auch Schatten. DIE Enttäuschung für mich war zweifellos der Auftritt von Mike Tramp. Selbst wenn die beiden Musiker Spass hatten auf der Bühne und es auch schön war, mal White Lion-Songs live zu hören – dass da 50% ab Band kommt, finde ich wahrlich nicht toll.
Dafür vermochten vor allem Beastö Blancö richtig zu überzeugen, dies gilt (trotz minim schwächeren Momenten – „Lock’n’Load“ ist nicht unbedingt ein Favorit bei mir) auch für die Dead Daisies. Während BB ebenfalls mit Show trumpften, war beim Headliner vor allem die Spielfreude von Frontmann John Corabi sichtbar. Und so plündert man dann gerne noch den Merch-Stand. Zumal die T-Shirt-Preise mit CHF 35.- noch knapp im Rahmen liegen (sogar Dark Tranquillity verlangen offenbar mittlerweile einen halben Hunderter…), die neuen CDs kosten sogar nur 15 Stutz! Da greift man sofort zu, bevor es vollgepackt auf den Heimweg geht.
Die Setlist – The Dead Daisies
- Light ’Em Up
- Rise Up
- Dead and Gone
- Make Some Noise
- I Wanna Be Your Bitch
- Unspoken
- Bustle and Flow
- Drum Solo
- Lock ’n‘ Load
- I’m Gonna Ride
- Born to Fly
- Take A Long Line
- Band Introduction
- I’m Ready
- Fortunate Son
- Mexico
- Midnight Moses
- Long Way To Go*
- Helter Skelter*
*Zugaben