Kein Schlamm, neues Camping-Konzept und einige Überraschungen
Die Vorzeichen für die Ausgabe 2024 des Wacken Open Air standen wettertechnisch gut, was sich bereits eine Woche vor Festivalbeginn auf diversen Wetter-Apps bestätigen liess. Doch das Wetter im hohen Norden bleibt unberechenbar. Die Kapriolen des norddeutschen Wetters gleichen einer Wundertüte.
Doch wie immer siegte die Hoffnung auf ein regen- und schlammfreies Festival. An Bands sollte es auch in diesem Jahr nicht mangeln, auch wenn die ganz grossen Headliner (namentlich) fehlten.
Wacken Open Air 2024 – Tag 0 (Dienstag, 30. Juli)
Anreisetag des Metalinside-Vertreters. Wie immer geht es mit einem frühen Flug von Zürich nach Hamburg. Pünktlich landet die Maschine in Fuhlsbüttel. Ein anschliessender Transfer mit S-Bahn und Zug bringt mich ins Base-Camp nach Itzehoe. Wie immer werden wir von unseren Wacken-Eltern (die uns seit 15 Jahren betreuen) freudig begrüsst. Kaffee und Kuchen dürfen nicht fehlen, bevor die Einkäufe für die nächsten Tage erledigt sind und ich mit dem Auto zum neuen Bändeltauschplatz für Pressevertreter chauffiert werde. Auf lange Wartezeiten eingestellt, staune ich nicht schlecht; nach weniger als fünf Minuten verlasse ich den umfunktionierten Kuhstall und trage stolz mein Pressebändel, bereit für das Festival. Der Rest des Tages wird mit einem feinen «normalen» Essen in einem Restaurant abgerundet, bevor die Nachtruhe einkehrt. Ausschlafen ist sicher keine schlechte Idee für das Programm der nächsten Tage.
Vor einigen Jahren war das Festival noch einen Tag kürzer. Jetzt beginnt das W:O:A schon am Mittwoch. Aus der Presse, die ich bereits morgens nach dem Aufstehen lese, entnehme ich mit Freude, dass das Anreisechaos der letzten Jahre (gemeint sind die Jahre, in denen das Festival stattfand) diesmal komplett ausgeblieben ist und bereits am Mittwoch mehr als 2/3 der Fans angereist sind.
Der in diesem Jahr eingeführte Access-Pass scheint sich positiv ausgewirkt zu haben. Durch die Einführung dieses zusätzlichen Tickets, welches die Fahrzeuge für die Anreise benötigen und erwerben mussten, wird der Verkehr nun über drei Routen abgewickelt. Somit ist es dem Veranstalter (auch durch eine vorherige Befragung) möglich, das Verkehrsaufkommen besser zu regulieren und die anreisenden Autos und Camper auf verschiedene Routen nach Wacken zu leiten. Kritisch anzumerken ist, dass 2024 erstmals zusätzliche Kosten anfallen. Ein Zufahrtspass kostet 33 Euro. Für schwerere oder grössere Fahrzeuge sogar das Doppelte. Ob das gerechtfertigt ist oder nicht, will ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass das Chaos ausbleibt und man aus meiner Sicht aus den letzten Jahren gelernt hat.
Eine weitere Neuerung: Der «Shuttlebus-Bahnhof» befindet sich nicht mehr in der Nähe des Dorfes und der Hauptstrasse nach Wacken, sondern wurde auf die Rückseite des Festivalgeländes verlegt. Dies hat den Vorteil, dass die An- und Abreise reibungsloser verlaufen als in den letzten Jahren, so dass hier ebenfalls eine Verbesserung der Situation erreicht wurde. Ausserdem wird die Zufahrt zum Shuttle nach Itzehoe durch Absperrungen geregelt, so dass sich eine richtige «Schlange» bildet und kein Gedränge entsteht. Der neue Standort hat aber auch Nachteile: Alle Metalheads, die anreisen und dann im vorderen Bereich des Zeltplatzes ihren Platz haben, müssen ihre Koffer, Rucksäcke wirklich weit schleppen. Trotzdem sehe ich durchaus Vorteile.
Ein Blick in das Jahr 2025: Ab dem nächsten Jahr muss man für den Transport von Itzehoe nach Wacken (die letzte Etappe für alle, die mit Bahn und Flugzeug anreisen) kein Geld mehr bezahlen. Noch in diesem Jahr kostet ein «All-Inclusive-Shuttle-Ticket» 15 Euro. Damit kann man zwar so oft hin- und herfahren, wie man will, aber ein echter Festivalgänger, der zeltet, fährt genau zweimal mit dem Bus. Nette Geste fürs nächste Jahr.
Doch zurück zur Gegenwart. Bevor es mit dem Programm des ersten Festivaltages losgeht, noch eine Beobachtung am Rande: An den neuralgischen Stellen wurden jetzt Metallplatten in den Boden eingelassen, um die Wege zu befestigen und dafür zu sorgen, dass bei Schlamm nicht gleich alle wieder einsinken. Was aber aus meiner Sicht nicht durchdacht ist; zwischen jeder Platte zur nächsten Platte ist ein kleiner Absatz. Prompt haben wir gleich am ersten Abend bei unserer Rückkehr den ersten Verletzten mit Kopfwunde, der wohl über einen solchen Absatz gestolpert ist und sich richtig weh getan hat. Trotzdem: Idee gut! Umsetzung noch überdenkenswert.
Langsam wird es spät am Abend, die letzten Vorbereitungen müssen getroffen werden, am Morgen geht es schon los auf dem Holy Ground und die Vorfreude steigt. Letzter Materialcheck, Utensilien zurechtlegen und ab in die Falle. Sweet Dreams of Wacken…
Wacken Open Air 2024 – Tag 1 (Mittwoch, 31. Juli)
Es ist ein schöner Mittwoch im hohen Norden, die Sonnenbrille liegt bereit und wir machen uns auf den Weg zum Holy Ground. Das Fest ist schon in vollem Gange, als unser Shuttle eintrifft und wir gemütlich in Richtung Zentrum des Geschehens schlendern.
Bülent Ceylan – Faster Stage
Ob Bülent Ceylan der richtige Opener und ein Leckerbissen zum Auftakt des Wacken Open Air 2024 ist, darüber lässt sich sicherlich streiten, aber es ist das erste Konzert, das ich sehe. Als Comedian ist er ein absolutes Ass, aber dass er auch Musik macht, ist mir eher entgangen. Ich wusste zwar, dass er auf Metal steht, doch dass er hier beim WOA einen Slot bekommen hat, das war mir neu.
Der Auftritt reisst mich nicht wirklich vom Hocker, aber er hat etwas, das mich vor der Bühne stehen lässt. Das muss ich vielleicht etwas differenzieren. Die Musik an sich gehört jetzt nicht wirklich zu einem Wacken-Festival aus meiner Sicht. Ich erkenne da eher poppige Töne, als dass es viel mit Rock oder Metal zu tun hat, wobei natürlich auch bei Bülent die Gitarren dominieren.
Wenn ich mir die Texte anhöre, sieht das schon ein bisschen anders aus. Hier merke ich, dass dies die Stärke des Protagonisten in seinem «anderen Leben» ist. Denn die Inhalte machen Sinn, Bülent stellt sich mit den Texten klar gegen Rassismus, Gewalt und singt für den Weltfrieden. Ein klares Statement. Trotzdem wird es auf Dauer etwas langweilig, denn die Songs sind in erster Linie für das Publikum produziert, das aber erstaunlich positiv und lautstark mitgeht.
Zum Abschluss gibt es eine Überraschung, mit der wohl die wenigsten gerechnet haben: Peter Maffay betritt unter tosendem Applaus die Bühne. Ihn kündigt Bülent als Very Special Guest an und hat alles darangesetzt, ihn hier im hohen Norden auf die Bühnenbretter zu holen. Gemeinsam geben die beiden gleich den Song „Anders gleich“ zum Besten. Peter Maffay geniesst absoluten Legendenstatus und da macht es auch nichts, dass er den gesamten Text vom Teleprompter ablesen muss. Auf jeden Fall ein besonderer Einstieg ins diesjährige Wacken Open Air. Die letzten beiden Songs bekomme ich leider nur noch zur Hälfte mit, da es mich an einen anderen Ort zieht; das Infield wird nun in Richtung Metal Battle verlassen, das wie in den letzten Jahren auf der W.E.T.- und der Headbangers Stage stattfindet.
Die Setliste – Bülent Ceylan
- Yallah Hopp
- Schmutzige Liebe
- Wenn Metaller traurig sind
- Ohne Filter
- Rüstung aus Hass
- Klopf Klopf
- Brüder
- Lieder gegen Nazis
- Anders gleich (mit Peter Maffay)
- Ich liebe Menschen
- Booom
Metal Battle Day 1
Das Metal Battle hat auf dem WOA natürlich schon Kultstatus erreicht. Es ist wie immer das Finale, das die vielversprechendsten Newcomer aus den verschiedensten Ländern der Welt in einem Nachwuchswettbewerb in Wacken zusammenbringt. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Battle Beast oder auch Hammercult ursprünglich Teilnehmer des Metal Battle waren und nach ihren jeweiligen Auftritten eine steile Karriere hingelegt haben? Die Spielzeit ist mit 20 Minuten pro Band natürlich kürzer als auf den grossen Bühnen, dafür gibt es viel Abwechslung und vor allem das Potenzial für Neuentdeckungen.
Hier eine kleine Zusammenfassung des ersten Nachmittags:
Wir beginnen mit der Band Info aus Kolumbien, die mit ihrem rassigen Industrial Metal das Publikum vor der Headbangers Stage in Begeisterung versetzt. Die Musiker machen einen leidenschaftlichen Eindruck und bearbeiten ihre verschiedenen Musikinstrumente mit viel Spielfreude. Es ist übrigens die erste kolumbianische Band überhaupt, die auf dem Wacken Open Air auftritt. Am Ende reicht es dann für den 5. Platz in diesem echten Wettbewerb. Verdient, finde ich.
Im Wechsel geht es nun weiter zur WET-Stage, auf der meine persönliche Neuentdeckung des Nachmittags eine schlichtweg geniale und beeindruckende Performance abliefert. Die Rede ist von Doomsday Astronaut aus Rumänien. Die Band würde ich persönlich dem progressiven Sektor zuordnen. Sie würde aber sicher auch in die Djent-Ecke passen und hat natürlich darüber hinaus noch andere Einflüsse. Die Band hat bereits drei Alben produziert und fesselt das Publikum mit spannenden Melodiebögen und durchdachten Taktwechseln. Durch die Überlänge der Songs kann logischerweise nicht viel in den Slot gepackt werden, aber die drei gespielten Songs überzeugen durchweg.
Die Setliste – Doomsday Astronaut
- No Laughing Matter
- Groove Monkey
- Born of Smokeless Fire
Weiter geht es auf der Headbangers Stage mit den Junkwolvz aus Griechenland. Eine rockige Angelegenheit, die das Publikum nun erwartet. Rein von der Präsenz der Band und in Bezug auf die Performance würde ich der Band keinen Newcomer-Status zusprechen. Hier spricht und wirkt schon eine gehörige Portion Erfahrung. Zumindest strahlt die Band das aus und das wirkt überzeugend. Auch diese 20 Minuten ziehen wie ein Flugzeug mit Kondensstreifen viel zu schnell über das Publikum hinweg und schon verabschieden sich die Akteure wieder mit einem herzlichen Dankeschön an alle, die dies möglich gemacht haben.
Auf der WET Stage wird schon wieder umgebaut und die nächste Combo steht in den Startlöchern. Carbonic Fields werden das Gelände vor der Bühne von der ersten bis zur letzten Sekunde ihres Sets in Schutt und Asche legen. Die Band spielt eine recht eigenwillige Mischung aus Metal mit Einflüssen progressiver Bands, aber ebenso sind Thrash- und Groove-Metal-Anleihen zu hören.
Optisch macht die Band mit ihren schwarzen Hosen und Hemden sowie den roten Krawatten ebenfalls eine gute Figur. Die Franzosen sind wild drauf, für meine Begriffe ein wenig zu überdreht, was vielleicht auch daran liegt, dass man so eine Chance wie hier beim Metal Battle nur einmal im Leben bekommt und der Adrenalinspiegel bei den Musikern sicher um einiges höher ist als sonst.
Weiter geht es auf der Headbangers Stage mit Tessia. Ich selbst würde Tessia als die norwegische Version von Arch Enemy bezeichnen. Der Stil der Norweger gefällt mir sehr gut. Vor allem wenn Julie Berthelsen (Gesang) die tieferen Grunztöne anschlägt. Die Parts, die klar gesungen werden, gefallen mir nicht. Zu oft werden die Töne nicht getroffen. Schade eigentlich, denn wenn die Band nur mit Tieftönern arbeiten würde, hätte ich mich sofort in sie verliebt. Tessia gibt es übrigens schon seit 2016. Vielleicht dauert es noch ein bisschen, der Name ist jedenfalls notiert.
Und schon geht es weiter zur WET Stage. Thus beginnen ihr Set. Der Eindruck stimmt von Anfang an. Hier wird kompakter und druckvoller Death/Trash vom Feinsten geboten. Von der ersten Minute an ziehen mich die Dänen voll in ihren Bann (Vorab: Der Eindruck sollte mich nicht täuschen; Thus werden der diesjährige Sieger des Metal Battle). Die noch junge Band scheint mir eine grosse Zukunft vor sich zu haben. Die Dänen fegen über den trockenen Vorplatz der Bühne.
Und schon steht ein weiterer Finalist auf der Headbangers Stage. Es ist der letzte, den ich heute begutachte, bevor ich zur Louder Stage gehe, um die Legende Suzi Quatro als Outro des Abends mitzunehmen. Fleshless Entity, die den Metal Battle Central America gewonnen haben, bieten überraschend abwechslungsreichen Death Metal. Vor allem die Growls sind auch hier das Tüpfelchen auf dem i. Die Band hat letztes Jahr ihr erstes Album (Unborn Rising) veröffentlicht und kann auf ganzer Linie überzeugen. Alonso Ramos, der für die Vocals verantwortlich ist, heizt dem Publikum mit seiner Performance noch einmal richtig ein.
Das wars vom heutigen Metal Battle. Jetzt gehts auf die Louder Stage zu einer Legende: Suzi Quatro.
Suzi Quatro
Leider entwickelt sich der Auftritt in meinen Ohren zu einem Debakel. Nicht nur, dass der Sound heute grottenschlecht abgemischt ist, Suzi hat die Töne auch schon deutlich besser getroffen. Bereits nach wenigen Liedern zieht es mich weg, was eigentlich weh tut. Aber meine Ohren sagen mir, dass es vielleicht besser ist, zu gehen, bevor die coolen Sounds des restlichen Tages auf meiner Festplatte überschrieben werden.
Das bringt mich auch zu einem Hinweis für die Zukunft: Früher war die Louder Stage im Infield neben der Harder und der Faster Stage. Sie wurde dann vor einigen Jahren in den ehemaligen Beergarden-Bereich verlegt. Grundsätzlich immer noch eine gute und nachvollziehbare Überlegung. Trotzdem scheint es mir, dass gerade heute durch den Wind, der sanft über das Wacken Open Air weht, viel Musik und Nebengeräusche von den Hauptbühnen in Richtung Louder Stage geblasen werden. Schade. Vielleicht sollte man noch einmal über die Ausrichtung der Bühne nachdenken. Vielleicht könnte man mit einer leichten Drehung der Konstruktion mehr erreichen.
Ein guter Start ins Festival. Das Wetter hält, die Frisur auch. Zufriedenheit bei den vielen Fans, die auch dieses Jahr wieder gekommen sind. Es ist bisher perfektes Festivalwetter und nach den letzten Jahren vermisse ich absolut nichts. Für die nächsten Tage ist zwar Regen angesagt, aber das kann sich hier schnell ändern.
So langsam kehrt Ruhe ein und meine Wenigkeit zieht sich zurück, um für den nächsten ereignisreichen Tag gewappnet zu sein. Übrigens kann ich jetzt auch nachvollziehen, dass meine Metalinside-Kolleginnen und -Kollegen oft die kleinen Bühnen abgeklappert haben. Dieses Jahr bin ich alleine vor Ort und habe mir vorgenommen, eben nicht nur auf den Hauptbühnen mein Ohr hinzuhalten. Es hat richtig Spass gemacht, vor den deutlich kleineren Bühnen zu stehen und das Metal Battle – das ist mir heute klar geworden – wird auch im nächsten Jahr auf meinem Programm stehen. Immerhin habe ich heute einige spannende Bands gesehen, die ich bisher noch nicht kannte.
Wacken Open Air 2024 – Tag 2 (Donnerstag, 1. August)
Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal den Schweizer Nationalfeiertag zu Hause verbracht habe. Wahrscheinlich war es vor meiner Wacken-Ära, also eher 2008. Zum Glück kannte ich damals meine Frau noch nicht. Die habe ich 2011 beim Bang Your Head kennengelernt und ich weiss noch genau, wie ich zu ihr gesagt habe: «Du kannst jede Woche meines Jahres für dich beanspruchen, aber nicht die Wacken-Woche». Sie ist also quasi damit «aufgewachsen», wie meine Kinder auch. Trotzdem kommt es mir so vor, als würde ich jedes Jahr sagen, ich fahre jetzt wirklich zum letzten Mal, doch irgendwie habe ich es bis jetzt einfach nicht geschafft. Aber das ist ein anderes Gedankenspiel.
Der zweite Tag des Festivals. Auch heute fällt mir wieder auf, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man auf einem Event ist, auf das man sich so lange (beim WOA normalerweise 365 Tage) gefreut hat. Die Zeit rast nur so an einem vorbei und durch die Fülle an Bands, die man auf seiner Liste hat, die man eigentlich sehen möchte, gleicht so ein Festivaltag dann manchmal auch einer gut geplanten logistischen Meisterleistung, um wirklich alles mitnehmen zu können. Und dann gibt es zudem noch die unmöglichen Momente, in denen man sich zwischen zwei Bands entscheiden muss, weil sie gleichzeitig oder bestenfalls etwas zeitversetzt spielen (was dann aber schon ein Glücksfall ist).
Heute gehts los (oder besser: weiter) mit dem Metal Battle, den ich dieses Jahr wirklich wieder neu entdeckt habe.
Metal Battle Day 2
Auf der WET Stage sind Griefgod aus Litauen (Vilnius) auf Zerstörungstour. Die tiefen Growls machen Eindruck. Nachdem sie dieses Jahr bereits zwei Singles veröffentlicht haben, ist nun auch ihr erstes Album (Deterioration) erhältlich. Natürlich ist die Band mit ihrem Stil nicht unbedingt massenkompatibel, aber der Name sollte auf dem Radar der Death Metal-Liebhaber bleiben.
Weiter geht es mit Killa the Pia. Wie schon gestern werden die beiden Bühnen im hinteren Bereich des Infields immer abwechselnd bespielt. Das bereits zahlreich erschienene Publikum verlagert sich nun vor die Headbangers Stage. Die Band aus Indonesien mit dem einprägsamen Namen wird der Metalcore-Generation zugerechnet. Die Mischung aus kultigem Trommelwirbel und den Shouts und Growls des Frontmanns lässt keinen Nacken in der Menge kalt. Vor allem den Song „Jeritan Kegelapan“ kann ich wärmstens empfehlen (auch auf Youtube zu finden).
Mit Killa the Pia ist der Metal Battle für dieses Jahr auch schon beendet. Nun hat die Jury wie jedes Jahr die schwierige Aufgabe, aus den Einsendungen die wertvollsten zu küren. Der aufmerksame Leser hat den Hinweis auf den Gewinner bereits im Bericht gesehen. Nachfolgend aber noch einmal zur Übersicht die Ergebnisse des diesjährigen Metal Battles:
Platz 1: Thus – Denmark
Platz 2: Aquilla – Poland
Platz 3: Five Penalties – China
Platz 4: Doomsday Astronaut – Romania
Platz 5: Info – Colombia
Vorerst bleibe ich aber vor der WET Stage stehen, denn die nächste Band möchte ich unbedingt mitnehmen.
Skeletal Remains
Death Metal aus den USA. Die Band gibt es schon seit über 10 Jahren, ich bin schon relativ früh mit einem Hörgenuss in Berührung gekommen und daher heute gerne wieder. Klassischer Death Metal ist für einen Mittvierziger wie mich natürlich definitiv Old School und somit jedes Mal auch ein Moment, der mich in die frühen 90er Jahre zurückkatapultiert und bei dem ich wieder ins Schwärmen gerate, was das für tolle Zeiten waren (wobei Skeletal Remains natürlich schon zur neuen Generation der Death Metal-Bands gehören).
Doch heute überzeugen mich die Kalifornier nicht mehr. Das hat weniger mit der Musik zu tun als mit dem Sound. Viel zu laut dröhnt die Musik aus den Boxen, wirklich hart an der Dezibelgrenze oder sogar darüber würde ich sagen. So macht es nicht wirklich Spass. Musikalisch sind Adrius Marquez und seine Bandkollegen solide unterwegs und lassen nichts anbrennen. Ich finde die Unterschiede zwischen den Bands, was die Abmischung und die Lautstärke des Sounds angehen, manchmal echt auffällig. Teilweise auch schade; die Band gibt auf der Bühne alles, aber am anderen Ende wird die gezeigte und gelebte Leidenschaft durch den nicht wirklich optimalen Hörgenuss ziemlich geschmälert.
Rage
Jetzt geht es auch für mich auf der Faster Stage los. Rage und Peavy Wagner geben sich die Ehre und feiern 40 Jahre Metal. Kaum zu glauben, dass die Band 1984 gegründet wurde. Die Zeit vergeht so schnell. Eine besondere 40th-Anniversary-Show erwartet die Fans heute auf dem Infield. Das Publikum ist im Prinzip noch überschaubar und für eine solche Happy-Birthday-Party hätten es ruhig ein paar Nasen mehr sein dürfen. Aber die Band nimmt das entweder gar nicht wahr oder sie lebt einfach ihre Musik und zieht ihr Set routiniert sowie mit viel Elan durch. Die Stimmung ist sehr entspannt und ausgelassen. Auffällig ist, dass Peavy Wagner heute nicht immer ganz die Töne trifft. Ich glaube aber nicht, dass das am Alter liegt, vielleicht hat es heute einfach nicht vollständig gepasst. Es gibt auch Passagen, die wirklich perfekt klingen. Nebenbemerkung am Rande. Auch in der Schweiz werden Rage dieses Jahr noch eine Show spielen, und zwar am Urrock-Festival in Stans.
Die Setliste – Rage
- Cold Desire
- Under a Black Crown
- Solitary Man
- Black in Mind
- Refuge
- Let Them Rest in Peace
- A New Land
- Great Old Ones
- End of All Days
- Straight to Hell
- Don’t Fear the Winter
- Higher Than the Sky
Messiah
Für mich geht es jetzt zurück zur Headbangers Stage. Denn heute gibts hier Musik aus der Schweiz. Passend auch zum Nationalfeiertag, der wie immer während des Wacken Open Air zu Hause gefeiert wird (Happy Birthday Switzerland).
Zusammenfassend kann der Auftritt von Messiah als «Schweizer Qualität» gebührend gewürdigt werden. Ein abwechslungsreiches Set begeistert auf der ganzen Linie und bringt die Fans so richtig in Fahrt. Auch sonst stimmt bei Messiah alles: Der Sound ist perfekt abgemischt, die Spielfreude der Band scheint ungebremst und überzeugt mich voll und ganz. Nicht zu vergessen, dass Messiah ebenfalls schon viele Jahre auf dem Buckel haben, was sich heute allenfalls in der perfekten Abstimmung innerhalb der Band und dem gesunden Selbstbewusstsein der Akteure positiv bemerkbar macht. Ich habe den Eindruck, dass Messiah dieses Jahr einen Frühling erleben und in Sachen Bühnenpräsenz zu Höchstform auflaufen.
Das Happy Birthday in Richtung Schweiz darf natürlich auch nicht fehlen und so wird hier im hohen Norden eine kurze Ansage in Richtung Heimat und an die anwesenden heimischen Fans gerichtet. Eigentlich nicht zum bisherigen Wetter in Wacken passend, wird das Set mit dem Song „Extreme Cold Weather“ wunderbar abgerundet. Hoffen wir, dass dieser Abschlusssong nicht noch als Fluch über den nächsten Festivaltagen liegt. Das war wirklich allererste Sahne von Messiah. Findet auch das Publikum, das die Band mit frenetischem Applaus verabschiedet.
Was ich aber noch anmerken muss: Die Band hat am Ende nicht einmal viel Zeit, sich richtig vom Publikum zu verabschieden, denn der Slot wird jäh von einem Typen mit Mikro unterbrochen, der nun auf einen bevorstehenden Heiratsantrag aufmerksam macht, der gleich stattfinden soll. Und schon steht der glückliche Herr auf der Bühne und hält mit einem Ring um die Hand seiner Liebsten an. Die ganze Situation wird frenetisch bejubelt. Es ist schön, dass auch so etwas seinen Platz hat und sicher einmalig, auf dem WOA einen Heiratsantrag zu bekommen. Trotzdem hätte ich es noch schöner gefunden, wenn man Messiah das abschliessende Bad in der Menge gegönnt hätte.
Die Setliste – Messiah
- Sikhote Alin
- Christus Hypercubus
- Lycantropus Erectus
- Condemned Cell
- Space Invaders
- Choir of Horrors
- Living With a Confidence
- Hymn to Abramelin / Messiah
- Enjoy Yourself
- Extreme Cold Weather
Uada
Weiter geht es gleich nebenan auf der WET Stage. Ich muss zugeben, dass ich nur hier bleibe, weil mich die ersten Töne der Band sofort in ihren Bann ziehen. Denn eigentlich hatte ich mit Uada noch gar keine Berührungspunkte. Aber eines weiss ich nach diesem Auftritt auch: Es war definitiv nicht mein letzter…
Eigentlich haut mich in Sachen Musik nichts mehr so schnell aus den Socken, aber hier brauche ich definitiv Hilfe, um meinen Kiefer wieder einrenken zu können. Die Black Metal-Band aus Portland in den USA ist definitiv eine Neuentdeckung auf höchstem Niveau. Die Band schafft es mit ihrem schaurig frostigen Grollen gepaart mit atmosphärischen, hymnischen Gitarrenpassagen eine Stimmung zu erzeugen, die wie ein Sog wirkt. Die Band zeigt ihre Gesichter während des gesamten Sets nicht, ihre übergrossen Kapuzen verbergen die Identität der einzelnen Bandmitglieder. Die Konzentration liegt somit ganz auf dem musikalischen Aspekt und wird von der Band entsprechend gesteuert.
Vielleicht hätte sich die Truppe – nach eigenen Recherchen – schon früher in den Vordergrund spielen können. Hier war möglicherweise auch der zeitweilige Verdacht, die Band würde rechtsextremes Gedankengut vertreten, ein Hemmschuh. Von diesem Vorwurf hat sich die Band aber eindeutig distanziert. Was Uada hier mit ihren fünf überlangen Songs zelebrieren, ist erste Sahne. Dass die Band frostige Shredder-Gitarrenklänge mit sehr melodischen, wiederkehrenden Passagen verbinden kann, macht die Songs zu einem Muss für alle Fans atmosphärischen Black Metals.
Danke für dieses kurzweilige und wirklich beeindruckende Set. Sofort auf allen Kanälen geaddet, um auch in Zukunft nichts zu verpassen.
Die Setliste – Uada
- Snakes & Vultures
- Djinn
- In the Absence of Matter
- Cult of a Dying Sun
- Black Autumn, White Spring
KK’s Priest
Es geht also wieder vor die Hauptbühnen. KK’s Priest werden in Kürze ihren diesjährigen Festivalauftritt auf der Harder Stage zelebrieren. Die Supergroup um K.K. Downing legt heute eine sehr solide Show hin. Sowohl musikalisch als auch gesanglich mit Tim «Ripper» Owens. Wenn man die Bandgeschichte und die ewigen Vergleiche mit Judas Priest mal aussen vor lässt, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass hier Herren am Werk sind, die etwas von Musik verstehen und dies darüber hinaus professionell auf die Bühne bringen können.
Das anwesende Publikum geht jedenfalls sehr bewegt mit. Die Band lockt zwar keine Massen ins Infield, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Der Ripper – Bemerkung und Feststellung am Rande – hat einfach ein unheimliches Stimmvolumen und kann eine breite Palette an Registern ziehen.
Und um doch noch einmal auf den Vergleich mit Judas Priest zurückzukommen. Ja, natürlich gibt es Ähnlichkeiten, aber mal ehrlich: Wenn zwei ehemalige Mitglieder von Priest mitspielen – einer davon gar Gründer von Judas Priest (siehe auch Bandname) – ist das dann so verkehrt, dass Ähnlichkeiten auftauchen?
Die Setliste – KK’s Priest
- Hellfire Thunderbolt
- Strike of the Viper
- One More Shot at Glory
- The Ripper
- Reap the Whirlwind
- Night Crawler
- Sermons of the Sinner
- Burn in Hell
- Diamonds & Rust
- Hell Patrol
- The Green Manalishi (With the Two Prong Crown)
- Breaking the Law
- Sinner
Endstille
Schnell zurück zur WET-Bühne, denn es ist Zeit für die letzte Pause. Nein, hoffentlich noch nicht. Aber als Kontrastprogramm gibt es jetzt mit Endstille doch so etwas wie Weltuntergangsstimmung. Mit „Dominanz“ gehts gleich furchtbar rumpelnd los. Wobei rumpeln in diesem Spektrum der metallischen Musik schon fast ein Kompliment ist.
Was mich immer wieder beeindruckt, ist, wie durch Corpspaint und den Einsatz von weisser und schwarzer Farbe aus ganz normalen Männern (zu sehen auf einem Foto, das Endstille auf ihrem FB-Kanal vom Hamburger Flughafen gepostet haben) so furchterregende Gestalten werden, dass es einem echt angst und bange werden kann.
Mayhemic Destructor und Zingultus sowie Cruor und L. Wachtfels und nicht zuletzt B.Killed lassen heute nichts anbrennen. Eher im übertragenen Sinne. Mit den beiden abschliessenden Songs („Frühlingserwachen“ und „Endstilles Reich“) beendet die Band ihren zwar eher statischen (was die Bewegungsaktivitäten auf der Bühne angeht), aber an Aggressivität nichts zu wünschen übriglassenden Auftritt. Ob der Slot von Endstille wirklich richtig platziert ist, wenn es noch kaum dunkel ist, lasse ich mal dahingestellt. Ich verstehe natürlich, dass bei der Menge an Bands einfach Lösungen gefunden werden müssen, aber ich denke ebenso, dass die Wirkung einer solchen Band – oft auch noch mit fantastischen Bühnenrequisiten (zum Beispiel auch Behemoth) – in der Nacht doch noch einmal ganz anders ist.
Die Setliste – Endstille
- Dominanz
- Pro Patria Mori
- Ripping Angelflesh
- Sick Heil
- Bastard
- Jericho Howls
- Conquest Is Atheism
- Depressive/Abstract/Banished/Despised
- Frühlingserwachen
- Endstilles Reich
Opeth
Nicht nur ich habe mich auf den Auftritt der Schweden gefreut. Leider ist es heute für Opeth keine der Hauptbühne, auf welcher nämlich gerade die Scorpions ihre Musik zum Besten geben. Natürlich – dazu später mehr – für den ironisch-sarkastischen Frontmann ein gefundenes Fressen für ein paar Ansagen zwischen den Songs zum Schmunzeln.
Die Songs für den heutigen Auftritt haben Opeth übrigens nicht selbst zusammengestellt, sondern das Publikum. Es ist ein Auftritt aus der Reihe «Requested Songs». Eigentlich cool, denn die Erfahrung aus früheren Auftritten dieser Reihe zeigt, dass die meisten Opeth-Fans immer noch die alten Zeiten bevorzugen, als Åkerfeldt noch gegrowlt hat. Diese Ära wurde mit dem Album Heritage ad acta gelegt, seit dem 2011er-Album zieht es Mastermind Åkerfeldt und seine Mannen in eine andere Richtung.
Zusammenfassend kann man den Auftritt von Opeth beim diesjährigen Wacken Open Air schlichtweg wieder als genial bezeichnen. Das liegt natürlich auch an der Setlist, die, wie bereits erwähnt, auf das Publikum zugeschnitten ist (siehe unten). Allein mit den beiden Songs «Heir Apparent» und «Ghost of Perdition» sowie dem immer wieder knallenden «Sorceress» entführen Opeth das Publikum in andere Sphären.
Leider gibt es heute auch etwas, das mich stört: Ich habe es am Anfang des Berichtes schon kurz erwähnt, die Louder Stage ist einfach falsch platziert. Während des Auftritts von Opeth wird mir das noch einmal so richtig bewusst. Denn je nachdem, wie der Wind weht, jetzt natürlich genau in die richtige Richtung, wird die ganze Musik aus dem Infield auch auf die Louder Stage getragen. Dazu kommt noch ein zweiter Kritikpunkt; die Musik und der Gesang von Åkerfeldt sind heute nicht optimal abgemischt. Åkerfeldt viel zu leise, die Instrumentenfraktion eher am oberen Limit.
Auch Åkerfeldt scheint es zu stören, dass die Musik der Scorpions in den Pausen zwischen den Songs einfach zu gut zu hören ist. In seiner ironischen Art nimmt er diesen Umstand natürlich humorvoll und wohl trotzdem ein wenig ernst auf die Schippe. So fordert er zum Beispiel das Publikum auf, ruhig zu sein und den Scorpions zuzuhören, wiegt sich dabei schunkelnd hin und her und fragt dann, warum das Publikum eigentlich hier sei und nicht vor der Hauptbühne.
In seinen Zwischenansagen kommt er immer wieder auf die Scorpions zurück. Dazwischen wird ordentlich gegröhlt und gesungen. Ich vergleiche die Auftritte von Opeth immer mit einer langen Reise, die hoffentlich nie endet. Aber bei Opeth passiert das trotz der teilweise überlangen Songs recht schnell.
Am Ende des Sets gibt es noch eine Überraschung. Åkerfeldt weist darauf hin: „Schaut, wenn wir gegangen sind, was auf der Videoleinwand noch kommt.“ Und er verspricht nicht zu viel: Heute wird ein neues Album angekündigt UND die erste Singleauskopplung ist bereits erhältlich. Was wirklich überrascht, ist, dass Opeth nach mehr als zehn Jahren ihren musikalischen Stil wieder ändern und zu ihrer Old-School-Phase zurückkehren. Es gibt wieder Growls auf dem neuen Album. Halleluja.
Und damit ist das schwedische Progressive-Festival auch schon wieder Geschichte: Åkerfeldt verabschiedet sich mit dem obligatorischen Spruch auf Deutsch: „Mein Hund ist dunkelblau“ und das wars. Opeth haben heute wieder gezeigt, dass sie in ihrem Genre eine wichtige Referenz sind und darüber hinaus in Zukunft bleiben werden. Musikalisch gibt es keine Aussetzer, alles wirkt stimmig.
Die Setliste – Opeth
- The Grand Conjuration
- Demon of the Fall
- The Drapery Falls
- In My Time of Need
- Heir Apparent
- Ghost of Perdition
- Sorceress
- Deliverance
Eigentlich ist der Abend noch jung und es gäbe noch viel Spannendes zu sehen: Trelldom, die Growling Creatures oder auch Mambo Kurt. Aber es ist erst Donnerstag und noch zwei Tage Festival vor uns. Also ziehe ich mich realistischerweise für heute zurück und verarbeite den Festivaltag. Einschlafen ist überhaupt kein Problem, meine Uhr zeigt über 20km an, die heute gelaufen wurden. Kein Wunder…
Wacken Open Air 2024 – Tag 3 (Freitag, 2. August)
Schon ist wieder Morgen und der nächste Festivaltag steht bevor. Heute sieht meine Liste für die Besuche der Auftritte ein weniger entspannter aus. Trotzdem gibt es einige Bands, welche ich nicht verpassen darf.
Kurze Erklärung zur Wetterlage: Es ist ein wenig kühler als die letzten Tage, aber immer ist noch kein einziger Tropfen Regen gefallen. Balsam für die Seele. Auf die Wettervorhersage für den Samstag bezogen könnte es aber sein, dass Morgen dann zum Schluss der 33. Ausgabe trotzdem noch die Dämme brechen könnten. Aber bis jetzt auch wettertechnisch ein sehr angenehmes Festival.
Xandria
Es geht heute auf der Headbangers Stage los, und zwar mit Xandria. Ein wahrlich angenehmer Start in den Nachmittag. Wunderschöne Melodien, druckvoller Sound, viel Publikum und eine gut aufgelegte Band um Ambre Vourvahis, welche seit 2022 das Mikrofon in der Hand hält.
Ob sie die richtige Besetzung ist, nachdem von 2017 bis 2022 Funkstille seitens der Band herrschte und nach der Trennung von Dianne van Giersbergen nichts mehr ging, lasse ich offen. Vielleicht hat Ambre heute auch nur einen schlechten Tag erwischt, aber mein musikgeschärftes Ohr verrät mir mehrere Male, dass die Frontfrau die Tonhöhen nicht so klar trifft wie vorgesehen. Trotzdem ein solider Gig und die Band ist sichtlich «zurück», die Spiellust ist sehr spürbar.
Die Setliste – Xandria
- You Will Never Be Our God
- Death to the Holy
- Reborn
- Nightfall
- Universal
- Two Worlds
- Valentine
John Coffey
Eigentlich hätte nun die Punkrock-Band John Cofffey die WET Stage entern sollen, aber leider gabs kurzfristig für die Veranstalter eine Absage und es konnte kein valabler Ersatz gefunden werden in der kurzen Zeit (der Grund für die Absage ist dem Schreiberling nicht bekannt).
Aber wieso nicht im Backstage-Bereich mal die vielen anwesenden Bands und Bandmitglieder fragen, ob jemand Lust hat einzuspringen? Eigentlich eine logische Überlegung und eine logistisch kluge dazu. So geschehen und die Bühne betritt als Ersatz Mutz (Moritz Hempel) von der Band Drone, welcher mit seiner Akkustik-Klampfe spontan einspringt. Ein sehr sympathischer Zeitgenosse dieser Mutz und die ruhigen Klänge von einer analogen Gitarre gepaart mit der genial passenden Stimme des Sängers, welcher wirklich von Blues über Rock alles darbietet, führen fast schon zu einem meditativen Zustand. Dazu kommen die witzigen Zwischensequenzen, in welchen Mutz auch viel Humor beweist.
Und so verschwimmt der Fakt, dass eigentlich jemand anders auf der Bühne hätte stehen müssen, relativ schnell.
Soil
Es geht auf der Headbangers Stage weiter mit Soil. Falls euch nicht bekannt eine Band, welche ihren Ursprung in den späten Neunzigerjahren hat (1997). Einen Schreckmoment in der Bandgeschichte gab es, als Sänger Ryan McCombs 2014 im Schlaf einen Schlaganfall erlitt. Daraufhin gab es leider lange nicht mehr wirklich grosse Aktivitäten der Gruppe. Aber jetzt sind sie zurück und spielen eine ausgedehnte Europa-Tour.
Unglaublich wie eng es vor der Stage nun wird. Es scheint, als hätten Soil sehr viele Fans vor Ort, welche sich schon vor Start des ersten Songs lautstark bemerkbar machen. Ich kann es vorwegnehmen. Hier passt einfach wieder mal Alles. Die Stimmung im Publikum ist riesig, die Gitarrenfraktion frickelt sich die Finger wund, Tom Schofield hinter der Schiessbude zerlegt sämtliche Trommelfelle und Frontröhre McCombs kann ohne Scheu als «hammerstark» betitelt werden. Auch die Techniker an den Mischpulten zeigen hier, wie es eigentlich immer sein sollte. Ein perfekter Mix unterstützt den Eindruck eines wunderbaren Sets noch zusätzlich.
Was der normale Fan heute kaum mehr erlebt, zeigt McCombs, nachdem die letzten Töne des Songs Halo verhallt sind; er steigt runter zu den Fans und bedankt sich mit Handschlag persönlich. Wow. Das nenne ich noch Nähe zu den Fans und dies auf einem solchen Festival.
(Nebenbemerkung, da jetzt durch den Kopf geschossen: 2023 – Heaven Shall Burn – Markus Bischoff verspricht, dass er im nächsten Jahr selbst ans Wacken gehen werde und zwar mit dem Zelt. Und scheinbar hat er dies wirklich umgesetzt, wie ich aus nicht so unzuverlässiger Quelle erfahren habe. Nebenbemerkung Ende, passte aber zum Thema).
Die Setliste – Soil
- Breaking Me Down
- Need to Feel
- Wide Open
- Understanding Me
- My Own
- Unreal
- The One
- Black 7
- Halo
Baroness
Seit dem verheerenden Autounfall im Jahr 2013, in welchen die Band involviert war, veränderte sich nicht nur die Besetzung der Band, sondern auch wesentlich auch ihre Sichtweise auf das Leben. Der Tourbus stürzte dazumals 9 Meter von einer Brücke und verschiedene Bandmitglieder erlitten leichte bis sehr schwere Verletzungen.
Dass dann im Jahr 2015 das nächste Album (Purple) zu den besten Alben des Jahres zählte, kann nachvollzogen werden. Das Verarbeiten eines solchen Vorfalls aktiviert sicher Superkräfte und vor allem Emotionen, die in die Musik fliessen.
Zusammengefasst darf festgestellt werden, dass wir gesegnet sein dürfen, dass es die Band noch gibt und sie heute auf dem Wacken Open Air einen Auftritt bestreitet.
Sowohl die Setlist als auch der Auftritt insgesamt würde ich als «sehr engagiert» zusammenfassen. Die Band schafft es ohne weiteres, das anwesende Publikum für sich zu gewinnen. Die progressive Ausrichtung der Band ist spürbar, überwiegt aber im Jahr 2024 nicht mehr zwingend. Sie hat sich in den letzten Jahren eher in Richtung Sludge bewegt. Wahrscheinlich entsteht dieser Eindruck heute auch durch die bedachte Auswahl der Songs für die Setlist.
Die Setliste – Baroness
- Last Word
- Under the Wheel
- A Horse Called Golgotha
- March to the Sea
- Shock Me
- Chlorine & Wine
- The Sweetest Curse
- Isak
Gene Simmons Band
Dass nach Kiss wohl noch kein Ende bei Gene Simmons in Sicht ist, war absehbar. Darum war es keine grosse Überraschung, dass Gene nun mit seiner «eigenen» Band um den Weltball tourt. Heute macht er auch beim Wacken Open Air einen Boxenstopp. Dies darf ich natürlich nicht verpassen und ich bin genug früh vor der Harder Stage, um zu erleben, was nach der Ära Kiss kommt.
Erste Feststellung, nachdem Gene die Bühne betritt, ist, dass der Mann doch lieber Schminke auftragen würde. Gene sieht also in «Natura» doch sehr verlebt und alt aus. Unter der Kiss-Maske kam dies natürlich nicht so wunderbar an die Öffentlichkeit wie heute. Was danach passiert, ist für mich eine grosse Enttäuschung. Gene spielt lediglich zwei eigene Songs, ansonsten alles Cover von Kiss und jeweils ein Cover eines Led Zeppelin-Songs sowie das bekannte «Aces of Spades» von Motörhead. Persönlich würde ich diese Frechheit wohl nie besitzen, einfach weiter Profit aus etwas zu ziehen, was vergangen ist. Auf der anderen Seite ist Gene Simmons bekanntlich ein knallharter Geschäftsmann, der es versteht aus allem möglichen (z.B. Luftgitarren) Kohle zu ziehen.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Umstand, welchen den Auftritt von Gene wirklich schmälert, denn seien wir ehrlich: Die Cover seiner Ex-Band entführen die wirklichen Kiss-Jünger natürlich wieder ins gleiche Rock-Nirvana, wie wenn die Songs an einem eigentlichen Konzert derselben Band gespielt würden, was ja grundsätzlich positiv behaftet ist.
Es ist offengelegt der Fakt, dass Gene im Verhältnis mehr mit den Fans oder kleinen Kindern spricht, welche er teilweise auch auf die Bühne holt. Das Verhältnis zwischen musikalischen Ergüssen und seinem – despektierlich ausgedrückt – «Geschwätz» hält sich für mich heute nicht die Waage. Ich hätte mir mehr Musik und weniger Zwischengespräche gewünscht. Vielleicht hätte ich dann den Auftritt sogar noch positiv gefunden. So aber kehre ich Gene schon vor den letzten drei Songs den Rücken, ich kann mit Bands oder Einzelpersonen, welche mehr Sprechen als Singen nicht wirklich so viel anfangen. Anmerkung am Rande: Beobachtenderweise geht es nicht nur mir so. Die Abwanderungsrate während des Konzertes ist in der Relation angeschaut hoch.
Die Setliste – Gene Simmons Band
- Deuce
- War Machine
- Are You Ready
- Shout It Out Loud
- House of Pain
- I Love It Loud
- Weapons of Mass Destruction
- Parasite
- Almost Human
- Communication Breakdown
- Cold Gin
- Charisma
- Calling Dr. Love
- Ace of Spades
- Rock and Roll All Nite
Primal Fear
Es ist, glaube ich, nicht untertrieben, wenn man bei Primal Fear das Wort «Metal-Institution» raushaut. Über Jahre hinweg erfreuen sich die Fans an den Veröffentlichungen der Band um Ralf Scheepers und Mat Sinner.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Band auf dem Wacken Open Air auftritt. So wirkt der Power Metal, welcher gespielt wird, sehr routiniert und abgeklärt. Dazu kommt die momentane Stimmung auf dem Gelände. Die untergehende Sonne hüllt die Umgebung der Headbangers Stage in eine traumhafte Stimmung.
Scheepers ist heute besonders gut gelaunt und seine Ansagen hält er kurz. Es wird also vor allem Musik gespielt. Ganze zehn Songs passen in den Slot, welcher Primal Fear zusteht. Die musikalische Reise zieht sich durch viele der Alben, welche Primal Fear ausmachen und somit kommt jeder auf seine Kosten.
Ein eindrücklicher Auftritt.
Die Setliste – Primal Fear
- Chainbreaker
- Rollercoaster
- The World Is on Fire
- Deep in the Night
- Another Hero
- Nuclear Fire
- King of Madness
- The End Is Near
- Metal Is Forever
- Final Embrace
Mikkey Dee and Friends
Ja, das waren noch Zeiten, als Motörhead auf dem Wacken auftraten. Unvergessen die Auftritte von Lemmy, Mikkey Dee und Senior Campbell. Mikkey Dee und auch Phil Campbell sind natürlich weiterhin gern gesehene Gäste auf dem Wacken Open Air. Dies ist auch im Publikum heute sehr spürbar. Vor allem die Dankbarkeit für die Musik, welche zu Zeiten von Lemmy komponiert und in die Metal-Welt losgelassen wurde.
Und heute wird diese Zeit (siehe Setlist) zelebriert und zeitweise fühlt man sich zurückversetzt in die guten alten Tage. Schliesst man nun noch die Augen, dann ist es fast so, als stünde da vorne wieder die legendäre Band, die es leider seit dem Tod von Lemmy nicht mehr gibt und nie mehr geben wird. Deshalb wird während dem Auftritt von Mikkey und seinen Freunden gefeiert, was das Zeug hält. Die ausgelassene Stimmung, welche bereits durch den Auftritt von Primal Fear angeheizt wurde, nähert sich vor der WET Stage nun dem Höhepunkt.
Alle der Songs sind in diesem Sinne Motörhead-Cover welche zu Ehren der Vergangenheit mit gelebter Leidenschaft zum Besten gegeben werden. Schön, dass Mikkey nebst seinem Engagement bei den Scorpions die Flagge Motörhead weiter hochhält. Dies ist auch den Worten zu entnehmen, welche Mikkey wählt, wenn er sich ans Publikum wendet. Der immer noch sehr bodenständige Musiker ehrt seinen verstorbenen Kollegen mehrere Male zwischen den Songs und es ist eine grosse Dankbarkeit spürbar.
Dass diese von den Fans geschätzt wird, merkt Mikkey natürlich ebenfalls, denn der Applaus für seine Ansprachen ist grandios. Nebenbei trümmert er auf seine Schiessbude ein, als gäbe es kein Morgen mehr, und ist nach wie vor mit dem gleichen Elan dabei, welchen er immer an den Tag gelegt hat, seit er hinter dem Schlagzeug sitzt. Ich ertappe mich sogar mehrmals dabei, dass ich sentimentale Züge entwickle und Lemmy in den Wolken suche. Ich bin sicher, dass er da oben immer noch an seinen Spielautomaten zockt und einen Jack Daniels darauf bechert.
Die Setliste – Mikkey Dee and Friends
- Stay Clean
- Built for Speed
- In the Name of Tragedy
- Born to Raise Hell
- Orgasmatron
- Killed by Death
- Shine
- Ace of Spades
- Overkill
Avantasia
Avantasia, die Metal-Oper ist zurück in Wacken. Dazumals war ich auf der ersten Tour von Tobias Sammet mit seinem Projekt und ich weiss noch, wie geflasht vom Konzert ich nach Hause gereist bin. Sowas hatte ich bis dato in dieser Art noch nie erlebt. Mittlerweile wollte Sammet das Projekt schon mal an den Nagel hängen. Doch so einfach lässt sich eine solche Maschinerie nicht stoppen. Also gehts munter weiter und es erwartet uns auch bald ein neues Album sowie eine neue Tour im Jahr 2025.
Wieso Sammet und seine Freunde einen so späten Slot am Abend erhalten haben (00.15 Uhr) ist mir unklar. Trotzdem muss ich eingestehen, dass die Rechnung der Veranstalter dieses Mal aufgeht. Das Infield ist auch zu dieser späten Zeit noch sehr gut gefüllt.
Spannend ist ja nebst dem, dass Tobias die Hauptfigur darstellt, wer ihn mit seinem fahrenden Metal-Zirkus jeweils begleitet. Beim heutigen Auftritt sind einmal mehr viele bekannte Gesichter zugegen: Bob Catley das Urgestein oder Geoff Tate (ex-Queensrÿche). Ebenfalls wieder dabei – und das freut das Publikum sehr – Ronnie Atkins, der nach seiner Krebserkrankung wieder zu alter Form zurückgefunden hat. Auch Herbie Langhans ist dabei. Mein Favorit ist aber leider nicht zugegen: Jorn Lande kann dieses Mal nicht mittun.
Wer Tobias kennt weiss, dass er das Flair hat, überlange Ansagen zu zelebrieren. Dies hat zeitweise in den letzten Jahren dazu geführt, dass ich ein wenig eine «Overdose» bekommen habe. Scheinbar wurde ihm das vielleicht mal «gesteckt», denn die letzten beiden erlebten Konzerte waren anders. Den noch anwesenden Fans soll das Recht sein. Denn die Musik, welche Tobias komponiert und für dieses riesige Unternehmen erschafft, ist immer noch einzigartig. Zudem ist der Bühnenaufbau wie auf den letzten Touren wieder mal mehr als imposant.
Musikalisch lässt Avantasia eigentlich nie etwas anbrennen und das ist heute wieder der Fall. Bestnote für Tobias und sein Projekt am heutigen Abend. Obwohl ich beim letzten regulären Song bereits den Rückzug antrete, da wie gesagt bereits wieder mal die tiefe Nacht über Wacken eingekehrt ist und das Festival ja noch immer andauert. Morgen gibts nochmals voll auf die Fresse.
Die Setliste – Avantasia
- Spectres
- Reach Out for the Light
- The Scarecrow
- Dying for an Angel
- Alchemy
- Invincible
- Promised Land
- The Story Ain’t Over
- Let the Storm Descend Upon You
- Farewell
- Shelter from the Rain
- Lost in Space
- Lucifer*
- Sign of the Cross / The Seven Angels*
*Zugabe
Wacken Open Air 2024 – Tag 4 (Samstag, 3. August)
Und schon ist es wieder Morgen, unglaublich wie die Zeit vergeht. Der letzte Tag des Wacken Open Air bricht an und es heisst, nochmals alle Kräfte sammeln für die bevorstehenden Stunden. Wie gewohnt wird heute Abend feierlich bereits wieder das erste Band-Paket für die nächste Ausgabe im 2025 bekanntgegeben. Immer ein spannender Moment. Zudem gibt es heute erneut auf dem Tagesplan einige Bands, die gesehen und gehört werden müssen. Dann heisst es aber auch bald schon wieder abreisen. Für einen Wacken-Nerd immer ein schwieriger Moment, dieses Abschiednehmen.
Aber noch ist es ja nicht soweit und die Camping-Grounds sind nach wie vor dicht besiedelt. Lassen wir es also nochmals so richtig krachen, bevor am Sonntag dann die Heimreise angetreten wird.
Emil Bulls
Ein Wiedersehen mit einer Band, welche ich zu ihrer Anfangszeit auf dem Radar hatte, die sich jedoch dann allmählich in der Vielfalt von anderen Bands verabschiedete. Also quasi ein Comeback heute und was für eines. In Gedanken noch beim gestrigen Tag holen mich die Bulls bereits mit dem ersten Song in das Hier und Jetzt zurück. Was für ein Brett. Und ich erinnere mich wieder, genau diese Mischung macht es aus; Harter, aber melodiöser Gitarrensound gekoppelt mit einem unvergleichbaren Gesang von «Christ».
Für das, dass es noch um die Mittagszeit ist und die bisherigen Tage sicher bei den Wacken-Fans Spuren hinterlassen haben, hat sich eine beachtliche Menge Menschen zusammengefunden, um die Emil Bulls zu zelebrieren. In der heutigen Neuzeit würde man wohl vom «kompletten Abriss» sprechen, denn es geht im weiteren Verlauf des Gigs genau so weiter. Der druckvolle Sound bringt die Meute vor der Bühne in Bewegung und das Quasi-Warm-Up für den letzten Tag ist gelungen.
Manchmal gibt es eben auch was zum Wiederentdecken. Sehr zu empfehlen, die aktuelle Scheibe «Love Will fix it», wenn ihr euch ebenfalls gerne in diese Band eingrooven möchtet.
Die Setliste – Emil Bulls
- The Ninth Wave
- The Age of Revolution
- Euphoria
- Hearteater
- Happy Birthday You Are Dead to Me
- Here Comes the Fire
- The Most Evil Spell
- Not Tonight Josephine
- Love Will Fix It
- Warriors of Love
- The Jaws of Oblivion
- When God Was Sleeping
- Worlds Apart
The Black Dalia Murder
Sie sind zurück, aber leider ohne Trevor Strnad. Aber sie sind noch da und das bedeutet viel. Fast ein Vierteljahrhundert gibt es The Black Dahlia Murder jetzt, aber der Tod von Trevor hat die Bandgeschichte urplötzlich umgeschrieben. Dies führt mir in diesem Moment vor der Bühne wieder mal vor Augen, dass man nur an einen Menschen hinsehen kann, aber nicht in den Menschen hinein. Wir kennen in der Musikwelt wie auch im privaten Umfeld diese Geschichten, die uns fassungslos machen und die bewirken, dass die Zeit plötzlich stehen bleibt.
Bereits einige Monate nach dem Tod von Trevor gab die Band jedoch bekannt, weitermachen zu wollen. Natürlich musste zuerst ein Ersatz gefunden werden. Einen Sänger zu ersetzen, ist nicht die einfachste Aufgabe, vor allem im Fall von TBDM. Die Lösung lag aber näher als anfänglich gedacht. Brian Eschbach, welcher bis zum Tod von Trevor die Klampfe bediente, überwand sich und übernahm den Posten an der Front der Bühne. Zudem kam das ehemalige Bandmitglied Ryan Knight wieder zurück und ersetzte Eschbach an der Gitarre.
Und so stehen sie nun hier am Wacken Open Air 2024 auf der Bühne und lassen es deftig krachen. Der sachliche Betrachter stellt fest, dass zwar jeder ersetzbar ist, aber eine Band sich natürlich verändert, wenn jemand Neues den Gesang übernimmt. Dies ist auch im Falle von TBDM so. Die Songs tönen anders als vor dem Schicksalsschlag. Dies ist jedoch absolut nicht wertend zu verstehen. Denn Eschbach hat sehr wohl die Power, diese Band weiterhin am Leben zu halten und die Fans sind sicher dankbar, hat er sich dazu entschlossen, den Posten als Gitarrist abzugeben.
Somit donnern The Black Dahlia Murder mit einer leidenschaftlichen Attitüde durch ihr Set und erhalten in Form von Applaus und Circle Pits sehr viel von ihrer guten Laune zurück. Eschbach huldigt dem verstorbenen Freund auch während des Sets, die Ruhe in diesem Moment ist gespenstisch. Aber dann gehts erneut durch die Wand und die Band wirkt aufgeräumt und zukunftsgerichtet.
Die Wiedergeburt der Truppe ist also wirklich geglückt und wir können uns auf weitere Musik der Herren aus Detroit freuen.
Die Setliste – The Black Dalia Murder
- Verminous
- Aftermath
- Kings of the Nightworld
- On Stirring Seas of Salted Blood
- What a Horrible Night to Have a Curse
- Statutory Ape
- Nightbringers
- Everything Went Black
- I Will Return
- Deathmask Divine
Bokassa
Weiter gehts mit Bokassa. Aus meiner Sicht eine Band mit ganz grosser Zukunft und ein Phänomen. Die Band gibts ja erst seit 2013. Die Norweger haben sich in der letzten Dekade einen unglaublichen Fan-Stamm zusammengespielt. Die Band betitelt ihre Stilrichtung selbst als «Stoner-Punk» und wahrscheinlich trifft diese unorthodoxe Mischung auch den Nerv der Zeit. Zudem ist die Band einfach sympathisch in ihrem Auftritt und der Aura, welche sie versprühen.
Es geht munter los und vor der Bühne werden nun die Grashalme zerquetscht und malträtiert, was das Zeug hält. Auffällig, dass die Band nicht nur die jüngeren Generationen zu sich zieht, sondern eine bunte Mischung verschiedenen Alters der Musik lauscht.
Nebenbemerkung zum Wetter: Der Regen kommt endlich – ich hatte ihn ehrlich gesagt bereits vermisst. Was ist ein Wacken Open Air schon ohne Regen? Natürlich ist ein mehrjähriger Wacken-Gänger aber wohl schon so traumatisiert, dass er gleich wieder mit dem schlimmsten rechnet. Der Blick geht immer wieder zu Boden, denn man weiss, wie schnell es hier gehen kann und man Minuten später in einer anderen Pflanzen- …ähhh sorry, Morastwelt weiterlebt. Denn es regnet zeitenweise doch recht stark und die Kleidung wurde natürlich im guten Glauben am Morgen auch nicht entsprechend gewählt. Nach den letzten superschönen und wettermässig angenehmen Tagen darf aber ein kleiner Regenschauer durchaus mal sein in der Hoffnung, dass es bald wieder aufhört. Das passiert dann tatsächlich und ein Blick auf den Boden zeigt an, dass keine tiefgründigen Spuren sichtbar sind und sich das Wacken Open Air am letzten Abend noch in ein Schlamm-Bad verwandeln würde.
Zurück zu Bokassa: Die Ironie der Songs ist teilweise auf einem sehr hohen Level angesiedelt, so zum Beispiel im letzten Teil des Sets, wenn die Klänge des Songs «Let’s Storm The Capitol» durch die Boxen zischen. Auf alle Fälle läuft die Set-Zeit der Band unglaublich schnell und das ist immer ein Zeichen dafür, dass es einen mitreisst. So heisst es schon wieder Abschied nehmen und sich darauf freuen, dass Bokassa sich gerade auf Tour befinden und sie auch in der Schweiz ein Konzert spielen werden. Ich bin überzeugt, dass wir noch viel von der Band hören werden in den nächsten Jahren und es bleibt ihnen zu wünschen, dass sie eines Tages im Infield einen Slot bekommen. Ach ja, nun zieht es mich auch in diese Gegend, denn jetzt kommen die grossen Bands des Tages und die will ich ja nicht verpassen.
Die Setliste – Bokassa
- Freelude
- Charmed & Extremely Treacherous
- Retaliation
- Garden of Heathen
- Walker Texas Danger
- The Ending Starts Today
- Mouthbreathers Inc.
- No Control
- Crush (All Heretics)
- Bradford Death Squadron
- Let’s Storm The Capitol
- Molotov Rocktail
- Vultures
- Immortal Space Pirate (The Stoner Anthem)
- Last Night (Was a Real Massacre)
Testament
Nun gehts weiter im Infield und zwar mit Testament, wahre Urgesteine des guten und gepflegten Thrash Metal. Eigentlich dachte ich vor ein bis zwei Jahren, es gebe dann auch ein Wiedersehen mit einem meiner Lieblingsdrummer: Dave Lombardo. Aber dieses kurze Intermezzo scheint bereits wieder vorbei zu sein. Denn scheinbar hat der umtriebige Drummer einfach zu wenig Zeit, um Testament weiter zu unterstützen. So sitzt heute Chris Dovas auf dem Drumhocker.
Chuck Billy hingegen ist und bleibt der Band wohl bis zur Auflösung treu. Seit 1986 lässt er seine Salven am Mikrofon in die Welt hinaus und er sieht auch heute immer noch ganz fit aus, ausser dass er gefühlt mehr und mehr Gewicht zulegt. Testament zeigen heute ein weiteres Mal, dass Thrash absolut nicht tot ist. Die Musik wirkt sehr druckvoll und ich merke darüber hinaus, dass diese Band wirklich Routine auf die Bühne bringt. Die Setlist hat für jeden Individualisten etwas dabei.
Testament sind aus meiner Sicht nach wie vor ganz weit vorne im Thrash-Sektor. Natürlich rücken genau in dieser Sparte sehr viele junge Bands nach (siehe Metal Battle), aber wohin wollen sich diese entwickeln, wenn sie keine Vorbilder wie eben Testament haben? Zusammengefasst; Am heutigen Auftritt der Titanen gibts absolut nichts zu rütteln, fett wars.
Die Setliste – Testament
- Eerie Inhabitants
- The New Order
- Apocalyptic City
- Raging Waters
- The Preacher
- The Haunting
- Trial by Fire
- Drum Solo
- First Strike Is Deadly
- A Day of Reckoning
- Do or Die
- C.O.T.L.O.D.
- Alone in the Dark
- Disciples of the Watch
- Over the Wall
- Into the Pit
Motionless in White
Jetzt gibts eine weitere Premiere auf der Louder Stage. Motionless in White habe ich bis jetzt nur vom Hörensagen gekannt, aber noch nie live erlebt. Am Wacken Open Air kann sich mancher einige «ich will eine Band mal Live sehen»-Wünsche erfüllen, kein Wunder bei der Fülle der Bands, die an diesem Open Air auftreten. Die Amerikaner sind – darf man sagen – schon eine Band, welche mindestens mit dem letzten Album ihren Hype erreicht hat. In mehreren Ländern war die Scheibe (Scoring the End of the World) in Top-Position gelandet.
Der Metalcore berührt mich zwar, aber reisst mich nicht vom Hocker und wahrscheinlich wird es bei dieser einen Live-Auseinandersetzung mit der Band bleiben. Trotzdem machen die Jungs ihre Sache gut und neben (auch hinter und vor mir) geht das Publikum so ziemlich steil. Die Party ist also angerichtet und ich verziehe mich langsam wieder zu den Hauptbühnen, auf welchen langsam das Schlussbouquet des Festivals seinen Lauf nimmt.
Die Setliste – Motionless in White
- Meltdown
- Sign of Life
- Thoughts & Prayers
- Headache
- Masterpiece
- Slaughterhouse
- Rats
- Break the Cycle
- Immaculate Misconception
- Reincarnate
- Another Life
- Scoring the End of the World
Behemoth
Ich warte seit langem darauf (und hoffe, ich erlebe diesen Augenblick überhaupt noch), dass Behemoth am Festival mal einen richtig fetten Slot erhalten, bei welchem die Show des Dauergastes mal so richtig zur Geltung kommt. Genauer und differenzierter ausgedrückt: Das wäre eine Spielzeit, bei welcher der Himmel dunkel ist und die Band ihr volles künstlerisches Potenzial ausschöpfen kann.
Dies war bis jetzt – auf jeden Fall soweit ich mich zurückerinnern kann – noch nicht der Fall. Und trotzdem: Wo Behemoth draufsteht, ist auch Behemoth drin. Ob am Morgen, am Nachmittag oder eben dann gegebenenfalls mal in der Nacht, irgendwie spielt das dann doch keine Rolle, denn Nergal und seine Kumpanen richten die satanistische Suppe immer mit dem vollem Spektrum der Zutaten an.
Heute Abend lässt der Auftritt der Polen die Grashalme auf dem Infield genauso regelrecht niederbrennen. Es kracht, zischt, donnert und scheppert, was das Zeug hält. Es fehlt an nichts während der Spielzeit und ich staune einmal mehr, wie oft Nergal sich in neue Gewänder oder Masken wirft, um die verschiedenen Songs gebührend zu zelebrieren.
Musikalisch metzeln die Jungs sich aggressiv und trotzdem bedacht durch das Set. Die Stimmung wirkt wie immer äusserst bedrohlich. Die Band hat aus meiner Sicht nach wie vor keinen Funken ihrer Leidenschaft verloren. Gerne wieder und Lucifer erhöre unsere Wünsche.
Die Setliste – Behemoth
- Once Upon a Pale Horse
- Ora Pro Nobis Lucifer
- Conquer All
- Ov Fire and the Void
- Cursed Angel of Doom
- Christians to the Lions
- Demigod
- The Deathless Sun
- Blow Your Trumpets Gabriel
- Bartzabel
- No Sympathy for Fools
- Chant for Eschaton 2000
- O Father O Satan O Sun!*
*Zugabe
Amon Amarth
Es ist also angerichtet für den Auftritt von Amon Amarth. Die Schweden, welche sich seit 1992 wirklich alles erspielt haben, was sie sich wünschen dürfen, haben die Primetime heute Abend erwischt und legen mit «Raven`s Flight» schon mal ganz mächtig los.
Johan Hegg ist einfach ein angenehmer Kerl und seine mächtige Stimme lässt einen ohne grosses Dazutun in die Vergangenheit entschwinden und man wähnt sich (auch ohne das Wikingerschiff auf der Bühne) in einer fernen Zeit wieder und geleitet die Band durch brandende Wellen, nahende Ungeheuer und ihre weiteren Abenteuer. Es macht richtig Spass heute Abend und das Infield ist nochmals rappelvoll. Ich würde mal behaupten, dass die Mehrheit des Publikums sogar textsicher ist und die Band auf der Bühne auch gesanglich unterstützt, bis die Stimmbänder explodieren.
Wenn ich es mir so recht durch den Kopf gehen lasse, haben Amon Amarth eigentlich schon alles erreicht, was es im Metal-Universum gibt, und trotzdem habe ich heute wieder einmal den Eindruck, dass die Spielfreude in keiner Facette nachgelassen hat. Sie sind einfach gerne auf der Bühne, gerne auf Tour und geniessen es sichtlich ihrer Bestimmung nachzugehen.
Dies zeigt sich sicher auch in der Beständigkeit der Band. Natürlich hat es in den über 32 Jahren den einen oder anderen Besetzungswechsel gegeben, aber im Gegensatz zu anderen Bands bleibt die Anzahl derer sehr übersichtlich. Von der Ur-Besetzung sind immer noch drei Personen mit von der Partie (Hegg, Mikkonen und Lundström). Das prägt aus meiner Sicht und zeigt wie gut sich die Typen nicht nur auf der Bühne, sondern sicher ebenso im privaten Bereich verstehen.
Danke herzlich für diesen letzten grossen Showdown, welchen ich am diesjährigen Wacken Open Air miterleben darf.
Die Setliste – Amon Amarth
- Raven’s Flight
- Guardians of Asgaard
- The Pursuit of Vikings
- Deceiver of the Gods
- As Loke Falls
- Tattered Banners and Bloody Flags
- Heidrun
- War of the Gods
- The Last With Pagan Blood
- Death in Fire
- Find a Way or Make One
- Put Your Back Into the Oar
- The Way of Vikings
- Under the Northern Star
- First Kill
- Shield Wall
- Raise Your Horns
- Crack the Sky*
- Twilight of the Thunder God*
*Zugabe
Showcase Wacken Open Air 2025 mit erster Bandwelle
Wie gewohnt kommen Jensen und Hübner (Gründer des Festivals) kurz auf die Bühne und bedanken sich selbst bei den angereisten Fans für ihre Treue und ein weiteres unvergessliches Wacken, welches mal ohne Schlamm, ohne Anreisestopp, ohne Pandemie, also endlich wieder mal ganz «normal» verlaufen ist.
Zudem gibt es wie gewohnt die erste Band-Welle für das Wacken Open Air 2025, welche standesgemäss mit einem Film, welcher dazu hinführt, über die Videoleinwände angekündet wird. Diesbezüglich muss ich immer wieder lachen. Seit ein paar Jahren gibt es für das Wacken Open Air jeweils ein Motto. Im nächsten Jahr geht es Richtung Leben ausserhalb der Erde. Am Festival selbst ist das jeweilige Motto aber aus meiner Wahrnehmung dann nicht wirklich zu spüren. Doch das spielt keine Rolle, den jetzt kommen die neuen Bands und wie immer gibt es Jubelschreie, Nervenzusammenbrüche und Gespräche während den Bandankündigungen und vor allem auch danach.
Für das Wacken Open Air 2025 sind unter anderen schon mal die folgenden Bands vorgemerkt:
Apocalyptica, August Burns Red, Clawfinger, Destruction, Dimmu Borgir, Gojira, Grave Digger (Special 45th Anniversary Show), Machine Head, Obituary, Saxon, Within Temptation und – unser Chef pam wird sich sehr fest freuen – Tarja & Marko Hietala…
In der ersten Welle wurden noch einige Bands mehr bestätigt, ihr findet alle Infos auf www.wacken.com.
Das Fanzit – Wacken Open Air 2024
Das Wacken Open Air 2024 geht zu Ende und es ist Zeit das Fanzit zu ziehen.
Zuerst einmal bleibt festzuhalten, dass das Festival zu seiner alten Stärke zurückgefunden hat. Dies hat sicher damit zu tun, dass dieses Jahr wettermässig alles positiv lief und kein anderes Weltgeschehen in die Pläne der Organisatoren spielte. Zudem ist es, glaube ich, das erste Jahr, in welchem der Anreise und auch Abreiseverkehr durch die Einführung eines Access-Passes geordnet und flüssig von statten ging.
Die ganz grossen Headliner – ich meine die wirklich ganz grossen – fehlten dieses Jahr. Aber das ist sicher Ansichtssache. Andererseits; Braucht ein solches Festival überhaupt die riesigen Namen? Klar, wenn Maiden am Wacken spielt ist das natürlich schon sensationell, aber das Festival ist so riesig, dass vieles kompensiert werden kann. So konnte der Schreiberling dieses Jahr zum Beispiel das Metal Battle neu entdecken.
Wacken bleibt abschliessend einfach Wacken. Die Organisation war um Längen besser, ich stelle auch fest, dass man aus vergangenen Jahren doch etwas gelernt hat und neue Ideen umgesetzt hat. In diesem Stil darf es weitergehen.
Insgesamt reise ich sehr zufrieden aus dem hohen Norden zurück und freue mich bereits aufs Wacken Open Air 2025.
Nachbetrachtung fürs Wacken Open Air 2025
Die letzten Jahre meldeten die Veranstalter jeweils bereits nach wenigen Stunden Sold Out. Fakt Nummer 1: Auch für 2025 haben die Organisatoren vor kurzem Sold Out vermeldet. Fakt Nummer 2: Dieses Mal war es jedoch anders als in den letzten Jahren, es ging fast zwei Monate, bis es soweit war. Da versucht man natürlich zu analysieren, an was das liegen kann. Ich glaube es sind verschiedene Faktoren, die hier mitspielen. Der Preis für ein solches Festivalticket war oder ist schon sehr hoch. Dazu kommt, dass nun durch die PKW-Pässe nochmals Geld bezahlt werden muss. Es ist und bleibt Fakt, dass die meisten Fans nach wie vor mit dem Auto anreisen. Reise, Verpflegung usw. muss natürlich ebenfalls immer noch inkludiert werden. Insgesamt darf man einen Wacken-Trip also als Ferien bezeichnen, und zwar kostspielige Ferien. Vielleicht war es aber auch der Umstand, dass das Line-up dieses Jahr nicht die ganz grossen Namen führte und die Menschen tendenziell vorsichtiger werden. Eventuell hat darüber hinaus eine Abwanderung von Stamm-Fans stattgefunden, welche in meiner Generation sind und nach fast 20 Jahren ein wenig kürzer treten. Ich könnte hier wohl noch viele Gründe anführen, wir werden es wohl so nie erfahren.
Das schöne ist: Das Wacken Open Air 2025 ist ausverkauft. Wenn ich in den sozialen Medien lese, dass dieses und jenes Festival im 2025 nicht mehr stattfinden wird, dürfen die Organisatoren des WOA weiterhin stolz sein. Wir sehen uns also wieder auf dem Holy Ground in Wacken vom 30. Juli bis 3. August. Rain or Shine!