While She Sleeps - X-Tra Zürich 2024
Fr, 15. November 2024

While She Sleeps, Malevolence, Thrown, Resolve

X-Tra (Zürich, CH)
26.11.2024
While She Sleeps - X-Tra Zürich 2024

Sprung ins Miteinander

Öffnen sich die Pforten zum Konzertsaal um sechs, der Himmel ist dennoch stockdunkel, so ist es Winter. Der meteorologische Kalender spricht eine andere Sprache, das Thermometer nicht. Umso einladender also eine Halle vollgepackt mit schwitzenden Menschen, die angetrieben von der Musik einander anrempeln. Lass uns auf eine Metalcore-Show mit While She Sleeps gehen!

Die Engländer ziehen in den letzten Monaten von 2024 durch diverse nordwestliche Länder Europas.

Resolve

Ganze drei Gastbands haben While She Sleeps auf ihrer EU-Tour 2024 im Gepäck. So ist es verständlich, dass bereits um halb sieben die Lichter im Saal des Zürcher X-Tras gedimmt werden. Trotz der frühen Uhrzeit mangelt es nicht an Publikum. Ein kleiner Teil davon lässt sich gleich mit Start der harten Töne zu zögerlichen Moshpits ermutigen. Der Auftritt der Band Resolve könnte ein grandioser Start in einen tollen Konzertabend werden, wäre der Tontechniker ein wenig talentierter. So bleibt es Aufgabe der Fantasie des Zuschauers, zu erahnen, ob das, was auf der Bühne vor sich geht, hörenswert ist. Besonders in der ersten Hälfte der Show dominieren Bass und Schlagzeug und schlucken alles andere, inklusive des Gesangs. Immerhin gelingt im Verlauf der halbstündigen Spielzeit die Trennung von Instrumentarium und Gesang auf eine Weise, dass letzterer zu hören ist und ersteres als ein gleichgestellter Brei in Erscheinung tritt, in dem das eine Instrument nicht das andere übertrumpft, aber auch nicht als einzelnes herauszuhören ist.

Abgesehen von diesen auditiven Problemen schlagen sich Resolve wacker und ernten zu Recht lauthals Zuspruch von den Zuschauern. Die 2016 in Frankreich gegründete Band gilt aktuell in der Schweiz (noch) als Geheimtipp. Das Interesse an Metalcore-Bands besteht jedoch, das beweist die hohe Publikumsdichte bereits bei der ersten Vorband. Ob Resolve allerdings nach Verlassen der Bühne den ein oder anderen neuen Hörer gefunden haben, steht in den Sternen. Ihre Musik klingt nach irgendwas zwischen Metalcore und Post-Hardcore aber nicht nach etwas, was noch nie da gewesen wäre. Es bleibt der Band zu wünschen übrig, dass sie auf ihrem nächsten Album das Tüpfchen auf dem i, ihren Wiedererkennungswert, findet.

Thrown

Anders ist dies beim nächsten Programmpunkt. Thrown sind auf Papier eine Hardcore Punk/ Metalcore Band. Auf Gehörgang sind weiter Einflüsse aus dem Nu Metal auszumachen. Die in der Umbaupause eingespielten Hip-Hop-Perlen deuten ausserdem eine Verneigung vor diesen an. So ist es dann auch als man mit seinem Schaffen die Bühne stürmt und mit dem aggressiven Bastard von Metal und Rap, dem Crossover, loslegt. Throwns von Rhythmus dominierter Metal-Sprechgesang, bei dem die Instrumentalfraktion eher begleitend als ergänzend wirkt und umfangreich durch Playback ergänzt wird, mag ausserhalb dieser Konzerthalle vielleicht nicht jedem gefallen. Hier innerhalb des X-Tras scheint er aber grossen Anklang zu finden. Wenn die Songstruktur nicht nach Moshpits schreit, werden – in einer beeindruckenden Synchronität mit dem Nebenmann – Häupter geschwungen. Da der Mixer ausgewechselt wurde oder der alte gelernt hat, wie sein Mischpult funktioniert, ist selbst die Musik wieder zu verstehen. Diese wird mit vollem Elan vorgetragen. Eine kurze Spielzeit hat den Vorteil, dass man seine Energie nicht einteilen muss. So kommt die Band, insbesondere Sänger Marcus, dem Publikum in Sachen Bewegung in nichts nach.

Die Songs sind kurz, die meisten haben eine Spielzeit von gerade mal zwei Minuten. Trotzdem wird der Auftritt nicht durch ausufernde Ansagen in die Länge gezogen. Man begrenzt sich inhaltlich jeweils auf ein «thank you» und fährt dann gleich mit dem nächsten Track fort. So hat man dann am Ende des Auftritts sein komplettes Repertoire durchgespielt. 2025 wurden Headliner-Shows in Australien und Nordamerika angekündigt. Wie Thrown diese mit dem bis anhin veröffentlichten Material füllen möchten, ist fraglich.

Malevolence

Mit längeren Songs und weniger Playback fahren Malevolence fort. Ihr Bekanntheitsgrad im Publikum scheint grösser zu sein als bei den vorangegangenen Bands. So singt ein Teil des X-tras markante Textpassagen mit und lebt sich in den Pits noch einen Deut härter aus, beinahe so, als spiele bereits der Hauptact. Wem die Band bis anhin noch kein Begriff war, den holt sie mit ihrem ausgeklügelten Hardcore, gut platzierten Breakdowns und nicht unbedingt genre-typischen Gitarrensolos ab. Neben all den antreibenden Stücken findet man sogar Platz für ruhigere Passagen, die, zumindest zu Teilen, in Cleanvocals vorgetragen werden. Ein gewagtes Unterfangen: Bedenke man, dass der Auftrag eines Supportacts lautet, den Konzertbesucher für den Star des Abends heiss zu kochen. Malevolence gelingt dies trotz sanfteren Klängen und verlieren das Publikum nicht in Balladen. Dieses lässt sich gar dazu ermutigen, einen Teil seines Handyakkus einem Taschenlampen-Lichtermeer zu opfern. Langweile soll auf keinen Fall aufkommen. Profi-Animateure Malevolence haben sich zu beinahe jedem Lied ein kleines interaktives Spielchen einfallen lassen. Besonders innovativ sind diese nicht, mal soll man im Kreis rennen, mal im Kreis aufeinander zu rennen, aber es hält das Publikum bei der Stange.

Laut Sänger Alex sei dies die «most favourite show» der Tournee – eine Schleimerei, die man Bands nicht mehr abkauft, spätestens seit Kiss bereits in den 70ern, unabhängig davon wo sie spielten, jeden Abend Ähnliches kundgaben.

Ob das nun tatsächlich der beste Zwischenstopp der Tour ist oder nicht, Malevolence liefern ab, als wäre es das und lassen, als sie sich von der Bühne verabschieden, eine für While She Sleeps beinahe verkochte Zuschauerschaft zurück. Doch die Energiereserven einiger Hardcore-Konzertgänger sollten nicht unterschätzt werden!

While She Sleeps

Während sie schläft, schlafen While She Sleeps, oder einfach „Sleeps“, wie die Band von der Fangemeinschaft – der „Sleeps Society“ – liebevoll genannt wird, definitiv nicht.

Das war eine lahme Einleitung, die die Intention eines witzigen Wortspiels mit dem Namen der Band verfehlte. Ich bitte um Entschuldigung. Die Vorlage war einfach zu verführerisch.

Der Hauptact fordert wie bereits die Vorbands viel von seinem Publikum, animiert gleich beim ersten Song zum Springen und sagt nicht nein zu wilden Mosh- und Circlepits. Nicht aber ohne, dass Sänger Lawrence zuvor einen Appell an das Miteinander sendet: „Wenn einer hinfällt, dann fangen wir ihn auf“. Dies lässt die Frage aufkommen, ob wir als Gesellschaft an einem Punkt angekommen sind, an dem es keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dass wir unseren Gefallenen wieder aufhelfen. Vielleicht wollte Lawrence aber auch nur diese Selbstverständlichkeit nochmal betont haben, damit sie eine solche bleibt.

Es folgen im Verlauf noch einige weitere Fürsorge-Bekundungen für die Zuschauer und im Gegensatz zu anderen Schmeicheleien, die an diesem Abend aus Mündern von Sängern flossen, kauft man es den Sleeps sogar ab. Die Nähe zu den Fans ist offensichtlich vorhanden und wird während des Konzertes auch physisch gesucht. Davon profitieren besonders die früher angereisten Erste-Reihe-Camper, die immer mal wieder Lawrence ein High-Five geben oder während Ansagen, in denen er sich auf das Drum-Podest setzt, mit ihm in Blickkontakt treten können.

Solche Ausdrücke der Zuneigung sind gutes Recht der Fans. Die Band kann ihrer „Sleeps Society“ nur dankbar sein, denn trotzdem die Setlist zu einem Grossteil aus Songs vom in diesem Jahr veröffentlichten Album „Self Hell“ stammt, ist die starke Publikumsbeteiligung an der Show unabhängig davon, ob neue Lieder oder Klassiker gespielt werden. Vielleicht involvieren sich die Zuschauer in das Geschehen an einigen Stellen beinahe zu gut oder die Security ist zu schlecht organisiert. So wirkt diese dann und wann mit den gar nicht mal so übermässig vielen Crowdsurfern überfordert und kann es an einer Stelle nicht verhindern, dass ein besonders grosser While She Sleeps-Fan die Bühne stürmt, um sich vom Sänger eine kurze Umarmung zu holen. Nebst den High-Fives mit der ersten Reihe soll es nicht der letzte Körperkontakt mit dem Publikum bleiben. Mitten während des Auftritts klettert Lawrence auf die Galerie des X-Tras, bringt damit einen übereifrigen Ordner dazu, es ihm gleichzutun, und sich selber mit einem Sprung von dieser in das Publikum in eine potenzielle Gefahr, vor der ihn auch der Sicherheitsmann nicht bewahren kann. Zu seinem Glück und Bewahrung eines nachwirkenden Traumas der Zuschauer, wird er von diesen aufgefangen, wofür er im Anschluss kaum mehr aufhören kann, sich zu bedanken sowie sich zu erkundigen, ob es sein lebendiges Wasserbecken schadlos überstanden hat.

Die musikalischen Darbietungen von While She Sleeps sind ordentlich und frei von grösseren Makeln, abgesehen von ein paar Schwächen in den Cleanvocal-Parts des Sängers. Eine nicht allzu grosse, aber trotzdem freudige Überraschung ist es, als Sänger Alex von Malevolence die Bühne stürmt, um – wie in der Studioversion – seinen Teil zum Song «Down» beizusteuern.

Der Auftritt wird zwischenzeitlich unterbrochen, vielleicht aus dramaturgischen Gründen, so genau erklärt sich dies nicht. Klar ist nur, dass diese Pause nicht ungeplant war. Dafür verabschiedet man sich am Ende der Performance endgültig und verzichtet auf die Konzerttradition namens Zugabe.

Das Fanzit – While She Sleeps, Malevolence, Thrown, Resolve

Es gibt nicht viele Metalcore-Bands, die mich ansprechen, und um ehrlich zu sein: While She Sleeps zählen nicht dazu. So kann ich nicht behaupten, dass mich dieses Konzert sonderlich aus den Socken gehauen hat. Was ich allerdings nicht nur behaupten, sondern honorieren kann, ist die hohe Qualität des Auftritts und die Hingabe der Band an ihr Schaffen. Sollte ihr wider Erwarten diese Show keinen Spass bereitet haben, so gelang es auf jeden Fall, dies gekonnt zu verstecken. Nicht nur in Form von Pflanzen beim Song «To The Flowers» wurden Blumen an die Fans verteilt, denen dieser Abend im X-Tra sicherlich im Gedächtnis bleiben wird. Um sie, die Fans, geht es schliesslich am Ende, nicht um den Typen, der mit einer Akkreditierung für ein Metal-Fanzine hereingekommen ist.

Die Auftritte der Supportacts waren ebenfalls nicht von schlechten Eltern. Nur bei Resolve entstand der Eindruck eines kleinen Mangels an Bühnenerfahrung, insbesondere in Veranstaltungsstätten dieser Grösse. Umso schöner also kriegen sie die Chance, solche Venues «ausprobieren» zu können. Thrown überzeugten mich von allen Bands am wenigsten, zu kurz waren die Songs und nach wie vor zweifle ich daran, dass es der Band möglich wäre, mit der bereits veröffentlichten Diskografie eine Show von über einer halben Stunde zu füllen. Mit dem Prädikat Vielleicht-kaufe-ich-mir-mal-eine-CD bleiben mir Malevolence im Gedächtnis. Sie wirkten auf mich nochmal eine Spur härter, auf eine Weise auch «böser», als die Sleeps und holten mich, zumindest an diesem Event, am besten ab.


Wie fandet ihr das Konzert?

26.11.2024
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