Metalinside.ch – Koenix – Met-Bar Lenzburg 2024 – Sandro 23
Sa, 21. Dezember 2024

Koenix, Varda

Met-Bar (Lenzburg, CH)
31.12.2024

Met, Mittelalter & ein Haufen Spass

Am Samstag, 21. Dezember 2024 machten sich Koenix und Varda daran, die Honigwein-Schenke in Lenzburg in einen mittelalterlichen Festsaal zu verwandeln. Ob ihnen diese Analepse (Sprung in die Vergangenheit) gelungen ist, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.

Das heutige Doppelkonzert bildet sowohl für die Met-Bar Lenzburg als auch für meine Wenigkeit sozusagen den Schlusspunkt in Sachen Live-Musik anno 2024. Eine Dernière im langsam aber sicher zu Ende gehenden Jahr, die für mich gleichwohl eine dreifache Premiere bereithält: Sowohl die allseits in den höchsten Tönen gelobte Location als auch die beiden aufspielenden Bands stellen für mich unbekanntes Terrain dar.

Was im Falle von Varda eine gewisse Ironie in sich birgt, wollte ich die Truppe doch beim diesjährigen Greenfield Festival gleich mehrfach bei ihren Auftritten auf dem dortigen Mittelaltermarkt beehren. Leider grätschte eine heftige Lungenentzündung dazwischen, sodass die erste Live-Begegnung um eine weitere halbe Sonnenumrundung verschoben werden musste.

Der Laden ist schon seit Längerem bis auf den allerletzten Platz ausverkauft. Da haben sich wohl einige Freunde althergebrachter Klänge trotz aller vorweihnachtlicher Hektik ein verfrühtes Festtagsgeschenk gemacht (nicht wenige passend eingekleidete Gäste lassen darauf schliessen). Oder sich mit dem heutigen Besuch eine kleine Auszeit vom hektischen X-Mas-Trubel gegönnt. Die Stimmung ist bereits jetzt, kurz vor dem ersten Lichterlöschen, wunderprächtig. So schlängle ich mich mit der Kamera in der Hand und einem Lächeln im Gesicht durch die dicht gedrängten Menschenmassen und versuche, wie einst Moses am Roten Meer, die Menge zu teilen. Tandaradei!

Varda

Stell dir vor, du stehst in einer mediävalen Taverne und lauschst den alten Weisen aus längst vergessenen Zeiten! So in etwa lässt sich die muntere Aufführung von Varda ziemlich treffend umschreiben. Doch schön artig der Reihe nach.

Das Erste, was ins Auge sticht, ist das schöne, stimmige Bühnenbild mit in Efeu eingekleideten Mikroständern, das die Honigwein-Schenke in eine liebliche Landschaft verwandelt. Überdies die vielen Musikanten, die sich auf der Spielfläche tummeln, um uns mit verschiedenen mittelalterlichen Instrumenten an einen Ort zu entführen, in dem Minnesänger und Spielleute durch die Lande zogen und die Menschen mit ihren ehernen Melodien zu verzaubern wussten. Dann setzt die Tonkunst ein und man realisiert, dass man auch ohne DeLorean durch die Zeit zu reisen vermag, Marktsack und Schlagzeug reichen dazu völlig aus.

In J.R.R. Tolkiens Mittelerde ist Varda ein Valar, ein mächtiges göttliches Wesen, das für Licht und Sterne zuständig ist. Irgendwie fragt man sich, ob der Schöpfer von „Herrn der Ringe“ bei den Auftritten von Frontdame Mirjam heimlich zugegen war, als er die Blaupause für die Elben entwarf. Mit ihrer kristallklaren, durchdringenden Stimme würde sie selbst Galadriel vor Neid erblassen lassen. Was mir noch auffällt: Madame Skal singt oft mit geschlossenen Augen – eine Eigenschaft, die sie mit Zora Cock von Blackbriar zu teilen scheint (zum Interview mit Zora und Co). Zusammen mit ihren musizierenden MitstreiterInnen verschmilzt die Equipe zu einer Einheit, die nicht nur erhaben aufspielt, sondern das Publikum direkt in ihre magische Klanglandschaft mit einbezieht. Sehr beeindruckend – und, wie ein Blick in die Menge zeigt, auch sehr mitreissend.

Dabei reicht das dargebotene Liedgut von rhythmisch treibend über ansteckend trommelnd bis hin zu leiblich verträumt. Am heutigen Abend setzt man wenig überraschend in erster Linie auf Stücke des im letzten Jahr erschienenen Albums „Ardor“, und mit „Helvegen“ ist wiederum die Coverversion der Wardruna-Hymne am Start. Ein sehr ausgewogenes Programm, das sowohl zum Seele treiben lassen, wie zum beschwingten Tanzen einlädt.

Dass bei so viel Trubel auf dem mit allerlei spannenden Gerätschaften ausgestatteten Tummelplatz auch mal etwas nicht ganz so Einstudiertes passieren kann, versteht sich von selbst. So muss sich Mirjam nach einem kurzen Abstecher in den Bühnenhintergrund schon mal den Weg zurück nach vorn erkämpfen (kommt davon, wenn die werten Herren Mitstreiter alle gleichzeitig Platz für die Gesangskünstlerin machen wollen), und wenn sich die halbe Gruppe um die korrekte Höhenausrichtung eines Mikrofonständers bemüht, muss man sie einfach ins Herz schliessen.

Das finale „Chì Mi Na Mòrbheanna“ sorgt für reichlich Hühnerhaut-Feeling. Ein anmutiger Ausklang einer wunderbaren Darbietung, der trotz oder gerade wegen des melancholischen Untertons irgendwie perfekt in die vorherrschende Adventszeit passt. Ja, ist denn heut‘ …. Nee, diesen Spruch hebe ich mir fürs Fanzit auf! Varda zeigen mit ihrer abwechslungsreichen und energiegeladenen Inszenierung, dass mittelalterliche Musik mehr als nur ein historisches Relikt ist. Ein souveränes, sympathisches, mitreissendes Spektakel, das gerne noch etwas länger hätte dauern dürfen.

Die Setliste – Varda

  1. Intro Ardor
  2. Indigo/Bärentanz
  3. Skol
  4. Jigset
  5. Bedlam Boys
  6. Hi Ri Horeinno
  7. Harassa
  8. Snjór Eldur
  9. My Mother Told Me
  10. Helvegen  (Wardruna-Cover)
  11. Burgonya
  12. Uborka
  13. Piparpoka
  14. Siedler
  15. Carmina*
  16. Andro*
  17. Chì Mi Na Mòrbheanna*

*Zugabe

Koenix

In der mit 45 Minuten doch recht lange angesetzten Umbaupause wird munter weitergewuselt, und die Frage, welches Kabel wohl wem gehört, wird sicherlich nicht nur einmal gestellt. Aber irgendwann ist alles korrekt zusammengesetzt und richtig eingestöpselt, sodass wir so um halb elf in den zweiten Teil des heutigen Abends starten können.

Wobei der Auftakt zur jetzigen Sause mich als Luzerner doch ziemlich stark an die beim närrischen Treiben üblichen Verkleidungsrituale erinnert. Möchten Koenix etwa am Tag der Sonnenwende den Winter austreiben? Nun, gegen längerfristig schneefreie Strassen in tieferen Lagen wäre ja grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber nein, die fünf Herren scheinen mit dieser liebevoll gestalteten Kostümierung den Opener „Urzyt“ möglichst authentisch in Szene setzen zu wollen. Was ihnen auch formidabel gelingt. Ein Auftakt nach Mass, der erahnen lässt, dass uns nun kein gewöhnliches Konzerterlebnis bevorstehen wird. Im Laufe des fröhlichen Treibens werden noch Drachen die Bühne erobern und geflügelte Elfen durch die Szenerie trippeln. Macht euch auf was gefasst!

Die aus einer trashigen Mittelalter-Märchen-Rock-Band namens „Des Koenigs Halunken“ hervorgegangene Truppe hat ihre Setliste im Vergleich zu ihrem letzten Gastspiel an ebendieser Stelle – damals ebenfalls mit Varda als Aufwärmprogramm (siehe Review von Kollege Dutti) – an einigen Ecken und Enden verändert, was auf eine veritable Anzahl potentieller Live-Kracher schliessen lässt. Und wie damals versprühen die Musikanten eine urtümliche Mischung aus Folk, Ska, Elektrokram und Mundartcharme, die trotz der vielfältigen und nicht unbedingt Metal-lastigen Einflüsse absolut zu gefallen weiss. Ein wilder Ritt auf Einhörnern garniert mit viel Witz und Spielfreude. Quasi eine Art Mani Matter 2.0 auf rot und blau schillernden Pillen.

Und die Mischung all dieser Elemente ergibt einen Sound, den man durchaus als tanzbar bezeichnen kann. Was nicht wenige der Anwesenden in der immer wärmer werdenden Örtlichkeit auch hingebungsvoll zelebrieren. Beim „Dampfwalzer“ verwandelt sich der Publikumsbereich dann endgültig in einen Ballsaal. Insgeheim staune ich, wie man in dieser proppenvollen Lokalität so viel Freiraum schaffen kann, damit nicht wenige Paare verträumt vor sich in walzern können.

Ebenfalls leicht überrascht bin ich von der überwältigenden Anzahl an Instrumenten, die dort auf der Bühne fein säuberlich aufgereiht und sortiert darauf warten, früher oder später ihre spezifische Klangfarbe in Richtung Publikum schallen zu dürfen. Ich meine, bei Vardas Auftritt war es da oben schon nicht unbedingt leer, aber jetzt wähnt man sich in der Tat in einem sehr gut sortierten Fachgeschäft für nicht unbedingt dem Mainstream zugehörigen Tonwerkzeugen. Ja, sogar eine Sitar ist dabei, bei der man angeblich sieben Leben benötigt, um sie spielen zu lernen (ob das mit einem Theremin schneller geht? Miss Skal könnte darüber gewiss Auskunft geben). Über das wahre Alter von Marco darf also gerne spekuliert werden.

Wieder mit von der Partie ist zudem Schiessbudenmeister Philipp, der aufgrund eines im Sommer gebrochenen Fusses eine Zwangspause einlegen musste. Willkommen zurück! Ein grosses Kompliment geht obendrein an die Mischabteilung der Lenzburger Honigwein-Schenke. Glasklar, stimmig abgemischt… Wäre es vielleicht möglich, den einen oder anderen Tontechniker von anderen Locations mal auf einen Kurzlehrgang einzuladen? Das wäre schön!

Leider muss ich den Ort des Geschehens, der sich dank zweier grossartiger Formationen für ein paar Stunden in einen Festsaal verwandelt hat, aus ÖV-technischen Gründen bereits vor den finalen Klängen von Koenix verlassen. Doch steht für mich bereits felsenfest, dass es ein Wiedersehen geben wird – mit allen meiner drei heutigen Neuentdeckungen!

Die Setliste – Koenix

  1. Urzyt
  2. Feschtwäse
  3. Dürs Füür
  4. Hingerem Mond
  5. Fuchur
  6. Drachenreiter
  7. Dampfwalzer
  8. Caverna Magica
  9. Hier und Jetzt
  10. Morge am drü
  11. Tuuti Bolognese
  12. Perelìn*
  13. Bi de Fahrende*

*Zugabe

Das Fanzit – Koenix, Varda

Die „Mittelalternacht“ in der Met-Bar bot fürwahr einen überaus würdigen Abschluss eines ohnehin wunderbaren Konzertjahres. Sowohl Varda wie Koenix wussten mit ihren schwungvollen Darbietungen in der bis auf den letzten Platz ausverkauften Spielstätte zu überzeugen und bewiesen, dass mediäval inspirierte Musik auch im Jahr 2024 nichts von ihrer Faszination verloren hat.

Ein Abend voller Energie, Kreativität und mitreissenden Rhythmen, der wohl nicht nur bei mir Appetit auf weitere Konzerterlebnisse dieser beiden Equipen geweckt hat. Und wie sagte doch (jetzt kommt’s) Franz „Der Kaiser“ Beckenbauer in einem viel beachteten Werbespot für einen deutschen Telekom-Anbieter: „Ja, ist denn heut‘ schon Weihnachten?“. Für uns war das hier und heute definitiv der Fall!

Die Fotos – Koenix, Varda


Wie fandet ihr das Konzert?

31.12.2024
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