«How we survive, is what makes us who we are»
Wenn ich an Rise Against denke, denke ich sofort an meine Teenagerzeit. An die Zeit, in der ich mich politisch orientieren wollte, versuchte, meine Gefühle zu ordnen und meine Gedanken in Worte zu fassen.
An das Gefühl, verstanden werden zu wollen. Ich erinnere mich genau daran, wie meine Freunde und ich «The Unraveling» und «Revolutions per Minute» in Dauerschleife gehört haben. Wie «Swing Life Away» zum Soundtrack eines jeden Sommers wurde und «Everchanging» mich durch jede Phase des Wandels begleitet hat. Keine andere Band hat mich so stark geprägt wie diese. 2009, einen Tag vor meinem 16. Geburtstag, sah ich Rise Against zum ersten Mal live – seitdem habe ich keine Tour verpasst.
Doch mit der Zeit kommen unweigerlich Veränderungen – auch für Rise Against. Ihr Sound hat sich im Laufe der Jahre gewandelt, was völlig natürlich ist. Doch wie viel ist vom rauen, unverfälschten und authentischen Punkrock der Jungs aus Chicago noch übrig? Wie ist es, in einer Welt zu leben, die so verzweifelt nach Veränderung schreit und doch so oft stillsteht? Wie viel kann eine Band ertragen, die den Weltschmerz in ihre Musik kanalisiert und sich als «Voice of the Voiceless» versteht? Eine Band, die sich für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung stark macht – ist das auf Dauer überhaupt auszuhalten?
Mit all diesen Fragen im Kopf hatte ich das Glück, Zach, den Lead-Gitarristen von Rise Against, im Rahmen des Riverside Festivals in Aarburg zu treffen. Zusammen sprachen wir über die Themen, die mich im Laufe der Jahre immer wieder beschäftigt haben.
«Willkommen in der Schweiz! Wie gefällt es dir hier?» frage ich ihn zum Einstieg.
Zach lächelt und antwortet begeistert: «Es ist wunderschön hier. Wir hatten gestern einen freien Tag in Basel und es ist einfach unglaublich. Die Schweiz hat etwas Unberührtes an sich, mit Architektur, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht – das gibt es bei uns in den Staaten einfach nicht. Es ist atemberaubend.»
Zach ist seit 2007 Teil von Rise Against. Ich will wissen, wie sich die Mission der Band in all den Jahren entwickelt hat. «Die Mission ist im Kern immer dieselbe geblieben», erklärt er. «Wir tragen unsere Einflüsse offen zur Schau, und es gab immer eine starke Botschaft in unserer Musik. Auch wenn sich unser Stil weiterentwickelt hat, bleiben das Herz und die ursprüngliche Idee hinter der Band unverändert.»
Ein zentrales Thema in der Musik von Rise Against ist der Ruf nach Gerechtigkeit und Wandel. Mich interessiert, wie er angesichts globaler Herausforderungen die Hoffnung nicht verliert. «Man muss hoffnungsvoll bleiben», sagt Zach entschlossen. «Wenn du aufgibst, was bringt es dann, überhaupt Kunst zu machen oder auf einem Festival zu spielen? Du musst daran glauben, dass klügere Menschen irgendwann eingreifen und die Dinge in die Hand nehmen. Zum Beispiel in den USA – die Vorstellung, dass jemand wie Donald Trump erneut Präsident werden könnte, ist schrecklich. Aber man muss hoffen, dass das System und die Menschen das verhindern werden.» (Badumtss…)
«Don’t be an asshole»
Ich spreche die aktuellen Kontroversen in der Musikszene an und frage, wie es der Band gelingt, ihren Werten auf und abseits der Bühne treu zu bleiben. «Es geht darum, ein guter Mensch zu sein und keine schrecklichen Dinge zu tun», erklärt er. «Menschen machen Fehler, aber es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Als Band mit einer Botschaft müssen wir unser Handeln mit unseren Worten in Einklang bringen, aber letztlich geht es einfach um grundlegende Anständigkeit. Don’t be an asshole.»
Natürlich will ich auch mehr über die musikalische Zukunft der Band erfahren. Ich frage nach dem neuen Song «Want It All» und anderen kommenden Projekten. Zach erzählt: «‹Want It All› ist ein neuer Song von unserem kommenden Album, das nächstes Jahr erscheinen wird. Wir haben mit Catherine Marks zusammengearbeitet, die schon grossartige Arbeit mit Künstlern wie boygenius und Frank Carter & The Rattlesnakes gemacht hat. Das Album war eine Gelegenheit für uns, unsere Kreativität zu erkunden. Es klingt immer noch nach Rise Against, aber es ist unser Weg, uns nicht zu wiederholen.»
Neugierig frage ich weiter, ob es auf dem neuen Album Kollaborationen oder Gastauftritte gibt. Zach grinst geheimnisvoll: «Ja, aber darüber darf ich noch nicht sprechen. Bleib gespannt!»
Zum Schluss möchte ich wissen, welche der vielen kraftvollen Songs der Band für ihn besonders bedeutsam sind. «Da fallen mir einige ein, wie ‹Survive› und ‹The Escape Artist›», sagt er nachdenklich. «Tims Texte richten sich oft an die Underdogs, an Menschen, die eine Gemeinschaft oder ein bisschen Unterstützung brauchen. Es ist schwer, einen Song auszuwählen, denn genau darum geht es bei Rise Against – denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst keine haben.»
Ich frage ihn, ob es Songs von Rise Against gibt, die heute aktueller denn je sind. Zach nickt und sagt: «Ich denke, ‹Survive› fasst das gut zusammen. ‹How we survive, is what makes us who we are› und diese Botschaft ist zeitlos. Jede Generation kann sich damit identifizieren.»
Das Gespräch mit Zach Blair verdeutlicht, dass Rise Against mehr sind als nur eine Band – sie sind ein Sprachrohr für die, die sonst nicht gehört werden. Trotz der Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt, bleibt ihre Mission klar: Die Welt durch ihre Musik ein Stück besser zu machen, Ungerechtigkeiten anzuprangern und den Glauben an Veränderung aufrechtzuerhalten. Ihre Musik ist nicht nur eine Begleitung durch die Höhen und Tiefen des Lebens, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für all jene, die sich nach einem Wandel sehnen. Es ist die Leidenschaft, mit der sie ihre Botschaft tragen, die Rise Against zu dem macht, was sie sind – eine Band, die auch nach all den Jahren nichts von ihrer Dringlichkeit verloren hat.
Als ich Zach nach seinem persönlichen Highlight in all den Jahren frage, wird klar, dass es nicht nur einzelne Songs sind, sondern die Kraft und Gemeinschaft, die sie mit ihrer Musik schaffen, die ihn bewegt. «Survive» mag sinnbildlich für ihren unermüdlichen Kampf stehen, aber es ist die Gesamtheit ihrer Werke, die immer wieder die Herzen der Zuhörerschaft erreicht – ob Teenager, die sich verloren fühlen, oder Erwachsene, die den Glauben an eine bessere Zukunft nicht aufgeben wollen.
Mit dieser Botschaft verlasse ich das Gespräch – inspiriert, nachdenklich und mit dem Gefühl, dass Rise Against noch viele Kapitel in dieser Geschichte schreiben werden.