Äs Schüga wär fein!
Im Normalfall würde ich diesen Satz kaum laut aussprechen, doch bei Knöppel mache ich gerne eine Ausnahme. Ende November luden die St. Galler Spass-Punkrocker ins Dynamo.
Ungefähr neun Jahre ist es her, seit mir mein damaliger Lehrer Knöppel (!) empfahl. Seither habe ich mich mehr oder weniger ausführlich mit den urkomisch bis saudummen Texten ihrer Diskographie befasst, die auch ausserhalb des harten Musikkosmos Bekanntheit erlangte und welche 2023 um eine dritte Scheibe ergänzt wurde (siehe Review von Luke). Live auf die Band zu treffen blieb mir jedoch verwehrt, selbst als im vergangenen Frühling einige Termine anstanden: Zu spät wurde ich darauf aufmerksam und sämtliche relevanten Events waren bereits ausverkauft.
Doch jetzt stehe ich hier, vor dem Jugendkulturhaus Dynamo in der Zürcher Innenstadt. Erneut ist der Gig sold out, und die glücklichen Ticketinhaber geniessen am Limmatufer noch ein kühles Bier bei noch kühleren Fast-schon-Wintertemperaturen. Im Innern, beim Erklimmen der Treppe, fallen mir die vielen rot-gelben Sixpacks auf, welche unter dem Arm getragen und in Gruppen verteilt werden. Alles aus dem Backstage? Keinesfalls! Knöppel respektive Mainland Music scheinen mit dem Dynamo eine Abmachung bezüglich Bierausschank getroffen zu haben. Erhältlich ist heute lediglich Schützengarten, und zwar entweder als Dose oder gleich im leicht vergünstigten Sixpack. Das erklärt dann auch, wieso der Abend für den einen oder anderen ziemlich versoffen enden wird…
Jack Stoiker
Doch bis Knöppel die Bühne betreten werden, dauert es noch lange. Immerhin spielen zuerst noch zwei Support Acts. Wobei, der erste davon ist Jack Stoiker, und ja, das ist auch der Sänger und Gitarrist des heutigen Hauptacts. Knöppel-Bassist Marc steht ebenfalls bereits beim Opener in der Pflicht, und zwar am Kontrabass. Die zwei Drittel Knöppel eröffnen also für sich selbst. Variation findet man lediglich im Stil, kaum aber in den Texten. Worauf auch Jack selber hinweist: Anders als Knöppel würden sie eben nicht übers Wichsen singen, worauf dann aber gleich «Uf em Liintuech» folgt.
Im Publikum wird derweil geschunkelt, mitgegrölt und vor allem viel gelacht. Bei «Di Tütsche sind blöd» zieht das gesamte Dynamo gemeinsam über unsere nördlichen Nachbarn her, und auch bei Songs wie «Ochsegallefleggeseife» und «I de Sackhoor» sind viele Besucher erstaunlich textsicher unterwegs. Nebenher werden fleissig gelbe Bierchen gekillt. Ich halte fest: Einen viel besseren Opener als Jack Stoiker könnten Knöppel kaum haben.
Mamba Bites
Dass es heute Abend aber nicht nur um primitive Texte, sondern auch um soliden Punkrock geht, beweisen dann Mamba Bites. Das Trio aus dem Welschland legt energisch los und die Stimmungskurve zeigt von A bis Z steil nach oben. Ihr «Sparkly Punk Rock» ist genau das, was man sich darunter vorstellt: Gute-Laune-Musik, welche mit viel Energie präsentiert wird und das bereits aufgewärmte (und angesäuselte) Publikum sofort zu jeder Menge Bewegung animiert. Da braucht man die Songs, welche seit der Bandgründung 2019 auf zwei EPs releast wurden, gar nicht zu kennen – nein, die Mucke macht auch so Spass. Fröhliche Moshpits sind garantiert!
Daran mitverantwortlich sind in den Augen vieler wohl die beiden Mädels an Bass und Gitarre, welche sich die Gesangsparts teilen und von hinten mit sattem Punkrock-Drumming unterstützt werden. Gerade Gitarristin Teo versprüht nicht nur viel Spiel-, sondern auch pure Lebensfreude. Mamba Bites sind für mich definitiv eine Überraschung und ich würde die drei Musiker sofort bei einem Headliner-Gig besuchen. Ein Blick in ihr Konzertarchiv verrät, dass diese gar nicht so selten sind. Liebe Punk(rock)-Fans, bitte notieren!
Knöppel
Da muss der Headliner gleich kräftig nachlegen, um nicht hinter den welschen Kollegen abzustinken! Dies dürfte für das St. Galler Trio jedoch ein Leichtes sein, zumal die Besucher ja grösstenteils ihretwegen den Weg ins Dynamo auf sich genommen haben. Bald kommt es, wie es kommen muss. Herr Mittag, alias «Midi», betritt mit seinen beiden Mitstreitern die Bühne und die erwartete Eskalation tritt schneller ein als erwartet. Bereits beim ersten Riff spüre ich die erste Bierdusche und aus dem Augenwinkel sehe ich gleich drei Bierfontänen über die Menge spritzen.
Weder Band noch Publikum zeigen irgendwelche Startschwierigkeiten. Die vorderen Reihen wandeln sich innert Sekunden zu einem riesigen Moshpit, der die im Vergleich höchstens als Aufwärmübungen zu bezeichnenden Pits zuvor bei Mamba Bites alt aussehen lässt. Mit der Kombination ihres eher ruhigen, gerade schon groovigen Punks und den vulgären Texten vermögen es Knöppel, das Publikum durchgehend zu begeistern und die Stimmung nie einbrechen zu lassen. «Dä hät mi g’haue dä Wichser» findet den Weg auf die Setlist erstaunlich früh, und obwohl der ausufernde Pit eine gewisse Härte erreicht, bleiben die Besucher im Gegensatz zum darin besungenen Wichser ausserordentlich friedlich.
So vergeht die Zeit viel zu schnell, während wir gemeinsam über Sex, Fussball und Bier singen. Der Auftritt findet irgendwann, nach gefühlt Dutzenden punkmässig kurzen Songs, sein Ende. Der biergetränkte Boden, die schwitzigen Shirts und die trockenen Kehlen sind Zeugen eines sehr starken Konzertabends. Gegen die trockene Kehle hilft jedoch, entgegen dem Text von «Schüga», auch ein anständiges Bier, mit welchem sich im Anschluss einige im nahegelegenen Ebrietas versorgen.
Das Fanzit – Knöppel, Mamba Bites, Jack Stoiker
Alle drei Bands vermochten auf ihre eigene Weise zu überzeugen. Jack Stoiker und Knöppel durften auf ihre zahlreichen Fans setzen, welche bestens mit dem Markenzeichen der Bands – ihren vulgären Texten – vertraut waren und ihren Teil zur Stimmung beitrugen. Objektiv betrachtet war diese bei Knöppel am besten, doch heimlicher Gewinner des Abends sind für mich Mamba Bites: Während ich Knöppel nun gesehen habe und nicht zwingend ans nächste Konzert rennen werde, bin ich bei den Welschen jederzeit wieder mit am Start!