Alligatoah - The Hall Dübendorf 2025
Fr, 24. Januar 2025

Alligatoah, Yu

The Hall (Zürich, CH)
16.02.2025
Alligatoah - The Hall Dübendorf 2025

Harte Zeiten und eine kochende Hall

Am 25. Januar stattete Alligatoah der Stadt Zürich einen Besuch ab. Mit Metalalbum im Gepäck und ausverkauftem Stehraum war eine fette Party absehbar.

Alligatoah, das ist doch dieser Typ von Trailerpark, der mal dieses bekannte Drogenlied rausbrachte? Was hat der denn mit Metal am Hut? Nun, neben seinem persönlichen Musikkgeschmack eine ganze Menge! Er spielte bereits zweimal selber in Wacken und vermetallisierte dafür Teile seiner Songs (siehe Review W:O:A 2022). Zuvor trat er dort schon 2019 solo bei Santiano und als Teil von Trailerpark bei Hämatom als Gast auf (siehe Review).

Seinen Weg in Richtung Metal führte Alligatoah im Anschluss fort, beginnend mit einem grossangelegten Social Media-Gag, in dem er ankündigte, aus dem Musikbusiness auszutreten und sich auf den Mond zurückzuziehen, wo der Rapper anscheinend wieder mehr Gefallen am Nu Metal fand. Später erschien mit «So raus» nämlich eine Collab mit Fred Durst von Limp Bizkit: “Ich dreh die alten Alben meiner Helden hinterm Mond auf, so laut, no doubt”. Wie alle Musikacts, die sich auflösen, kam Alligatoah dann bald zurück! Mit einem Album, das sich gewaschen hat und es sogar in unsere Jahreshitparade schaffte. Dabei enthält «off» 12 Tracks, die dem gemeinen Metalhead definitiv besser gefallen dürften als frühere Songs.

Nachdem Lukas Strobel, der sich hinter dem reptilischen Alias versteckt, bereits 2023 eine Show in The Hall gab, machte er mit seiner «Out Of Office»-Tour Ende Januar erneut Halt in Dübendorf. Der Auftritt lässt sich am besten in seinen eigenen Worten zusammenfassen: “Es sind harte Zeiten für Alligatoah-Fans, die kein’ Metal mögen.”

Yu

Bei neunzig Minuten Pufferzeit zwischen Türöffnung und Beginn müsste es eigentlich reichen, eine knappe Stunde vor Beginn einzutreffen, um nichts zu verpassen, oder? Leider gibt es heute zwei Gründe, die das Gegenteil beweisen. Einerseits warte ich für mein Medienticket geschlagene zwanzig Minuten an der Abendkasse, obwohl vor mir kein Dutzend Personen steht. Andererseits stellt sich heraus, dass der Support Act Yu bereits um acht statt wie angekündigt um halb neun spielt. Kommuniziert wurde dies zwar per Mail an alle Ticketkäufer und allenfalls auch auf anderen Kanälen. Auf der Homepage der Location wurde der Zeitplan leider bis zum Abend nicht angepasst.

Nun denn, ich will mich deswegen nicht aufregen und verpasse halt die ersten dreieinhalb Songs. Darunter das Cover von «Alli-Alligatoah», das Yu als Erstes gespielt zu haben scheint. Ich muss sagen: Selbst bei ausverkauften Events erschien mir The Hall noch nie so voll wie gerade jetzt. So geniessen wir Yus Auftritt von weit weg – so weit weg, dass der Support Act anscheinend niemanden um mich herum interessiert und viele Leute mit dem Nachbarn quatschen.

Dabei macht Yu seinen Job gar nicht so schlecht. Der Nachwuchsrapper mit Jahrgang 2003 verfolgt einen ähnlichen Stil wie Alligatoah vor ein paar Jahren. Damit kommt er allem Anschein nach im vorderen Drittel der Halle nicht schlecht an. Selbstbewusst teilt er zwischen den Songs gegen die AfD und Elon Musk aus. Die Amtseinführung des neuen, alten US-Präsidenten ist fünf Tage her und die geopolitisch-diplomatische Welt ist ob den dortigen tragikomödischen Zuständen in Panik. Die finalen drei Songs des halbstündigen Sets präsentiert Yu dann ziemlich stark. Beim letzten davon, «Moshpit», begibt er sich per Stagedive in die Hallenmitte und beendet dort seinen Auftritt auf den Händen eines ausverkauften Stehraums.

Übrigens, solltest du beim Reinhören auf den Geschmack gekommen sein: Yu kehrt am 21. Mai für eine Show im Dynamo nach Zürich zurück.

Die Setlist – Yu

  1. Alli-Alligatoah (Alligatoah-Cover)
  2. Unique
  3. Safe Psychopathen
  4. Rosarote Brille
  5. Freiheit
  6. Danke Schule
  7. Nicht krank
  8. Moshpit

Alligatoah

Die ganze Umbaupause, die gar nicht so lange ist, wenden wir dann fürs Anstehen an der Bar auf. Ans Weit-nach-vorne-Kommen ist sowieso nicht mehr zu denken; dieses Hindernis wird sich jedoch beim Öffnen der ersten Pits erübrigen. Von eher weit weg beobachte ich also, wie ein riesiger Hochformat-Screen an der hinteren Bühnenwand aufflackert und darauf Alligatoah im freien Fall zu sehen ist. Klar, der Mann vom Mond muss ja irgendwie den Weg nach Zürich finden. Während er also gen Erde fällt und dabei «Stay In Touch» singt – die Crowd johlt mit – verliert er plötzlich die Verbindung. Es knistert, knallt und zack, bricht er von oben durch die Decke und fällt auf die Bühne.

In Sachen Bühnenshow kann man Alligatoah nichts vormachen. Hatte er auf der letzten Tour jeweils eine kleine Mini-Stage auf der eigentlichen Bühne, taucht er heute alles in einen verblüffend echten Büro-Look. Sowohl Keyboard als auch Schlagzeug sind als Schreibtische getarnt und alle Instrumentalisten tragen ein Büro-Outfit. Passend dazu haben sich – immerhin hat der Showmaster im Vorfeld dazu aufgerufen – einige Besucher inklusive meiner Wenigkeit entsprechend gekleidet. Der Anteil an “Büroleuten” steigt, als wir während «Weisse Zähne» unseren Weg in Richtung Pit bahnen. Dort kommen wir gerade rechtzeitig an, als dieser bei «Küssen» und dem dreckigen «Es kratzt» komplett eskaliert. Das sind wirklich harte Zeiten für Alligatoah-Fans, die keinen Metal mögen.

Gegen allfällig aufkommende Aggressionen hat Alligatoahs Alter Ego, der Metal Health Coach, vielleicht das richtige Mittelchen zur Hand. Den Charakter hat er über die letzten Monate in unterhaltsamen Social Media-Videos entwickelt. Jetzt zieht er ihn über mehrere Songs durch. So meditiert er mit dem Publikum und erzählt von seinen drei Tarot-Karten, die er am Morgen gezogen hat: Sex, Drugs, Rock ‘n’ Roll – was für eine Ansage zu «Fuck Rock N Roll»! Der kein bisschen metallische Song versetzt das Publikum in einen einzigartigen Trancezustand, der sich wiederum in einem spassig langsamen Circle Pit niederschlägt.

Sein Talent für Komik beweist Alligatoah unter anderem darin, dass er als Metal Health Coach das Publikum bittet, für eine Meditation die Augen zu schliessen, und sich dabei mitten auf der Bühne umzieht – zurück in sein schwarz-rotes Outfit von zuvor. Mit einer Prise Selbstverliebtheit diktiert er der anwesenden Presse, was sie in ihrer Berichterstattung zu diesem Verwandlungstrick und generell zur Performance zu schreiben hat. Sorry, liebe Leser, das Diktiergerät läuft leider gerade nicht. Weitere unterhaltsame Ansagen beinhalten eine Postkarte an seine Oma (“und falls du dich fragst, Oma, wie das Wetter so war in Zürich, das geht dich einen Scheissdreck an”), und nach «Musik ist keine Lösung» philosophiert er, dass ihm die Lösung egal sei. An dieser Stelle hätte statt «So raus» auch «Meinungsfrei» sehr gut gepasst. Noch später folgt die Behauptung, No Angels hätten für ihn einen Hit geschrieben, worauf natürlich das neue «Daylight»-Cover folgt.

Die zweite Hälfte der Setlist ist geprägt von älteren, weniger metallischen Songs. Dabei machen auch diese viel Spass und die Abwechslung beschert dem Auftritt einen gemütlichen, natürlich wirkenden Verlauf. Sowieso scheint die Crowd heute völlig durchmischt: Teilweise sieht man Shirts von Post Malone neben jenen von Obituary! Die Offenheit gegenüber verschiedenen Genres widerspiegelt sich auch in der Friedlichkeit des Pits. So heisst es immer, Metalheads seien liebe Wesen, aber eine derartig gute, aggressionsfreie Laune wie bei den bewegungsfreudigen Hemdträgern habe ich selten erlebt.

Neben der ersten Attacke mit lauter neuen Songs kocht die Halle vor allem bei «Fick ihn doch», «So raus» und «Daylight» – und natürlich während «Willst du». Daher ist es fast ein bisschen schade, dass nach dem Alligatoah-Überhit nur noch eine Piano-Version von «Partner In Crime» folgt, bevor der Herr am Mikro seine Band vom Publikum gebührend feiern lässt. Die Verabschiedung dauert erstaunlich lange und Alligatoah macht nach über zwei Stunden Spielzeit einen Abgang per Video-Rakete. Damit ist sein Gang auf den Mond zwar nicht ganz so bombastisch wie der Rammstein-Abgang auf deren Stadiontour, erinnert aber zumindest stark daran. Mit diesem letzten Kunststück geht ein Abend zu Ende, der in Sachen musikalischer Darbietung, lyrischer Raffinesse und witziger Unterhaltung nichts und auf der Setliste nur sehr wenig vermissen lässt.

Die Setlist – Alligatoah

  1. Niemand
  2. Weisse Zähne
  3. Küssen
  4. Es kratzt
  5. Wer lacht jetzt
  6. Ich fühle dich
  7. Fuck Rock N Roll
  8. Ein Problem mit Alkohol
  9. Lass liegen
  10. Ich ich ich
  11. Scheissdreck
  12. Fick ihn doch
  13. Wie zuhause
  14. Narben
  15. Musik ist keine Lösung
  16. So raus
  17. Monet
  18. Du bist schön
  19. Daylight (No Angels)
  20. Willst du
  21. Partner In Crime

Das Fanzit – Alligatoah, Yu

Dass ich wegen einer Fehlkommunikation den Beginn verpasst habe, merzt Yu mit einem interessanten Auftritt vor einer bereits gut gefüllten Halle gleich wieder aus. Doch Aufwärmen wäre für das Publikum nicht nötig gewesen – zu stark befeuert Alligatoah ab der ersten Sekunde den Kochtopf namens The Hall mit Songs seines neuen metallastigen Albums «off». Über zwei Stunden unterhält der Lyrikmeister die volle Halle und positioniert sich bereits im Januar enorm gut für einen Platz in der Jahresbestenliste 2025!


Wie fandet ihr das Konzert?

16.02.2025
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