Apocalypse Orchestra – A Plague Upon Thee
Doom Metal, Mittelalter Folk, Mittelalter RockEs schleicht die Pest
Der Bandname Apocalypse Orchestra klingt im ersten Moment verdächtig nach Symphonic Metal. Es wächst die Vorstellung von heldenhaften Schlachten in einem Endzeitszenario, grosszügig untermalt von cineastischem Soundtrack. Doch weit gefehlt!
Das schwedische Quintett ist äusserst gemächlich unterwegs und lässt weitestgehend die Finger von geplusterten Keyboardklängen. Es regiert das Handwerk traditioneller Instrumente, mit denen ein ebenso erdiger wie auch archaischer Sound erzeugt wird. Willkommen in einer schleppend düsteren Klanglandschaft voller Epik und Power!
Die Geschichte von Apocalypse Orchestra reicht ins Jahr 2013 zurück. Traditionelle Folk-Instrumente wie Drehleier, Dudelsack oder Mandola werden mit den schweren Riffs verzerrter Gitarren kombiniert. Das Debut «The End Is Nigh» (2017) findet sofort seinen Platz, auch wenn in einem kleinbesiedelten Nischengenre. Obwohl Mittelalter Rock eine konstante Faszination ausübt, ist der schleppende und zuweilen hypnotische Mood des Doom Metal wesentlich sperriger. Umso erstaunlicher, welch massive Reichweite die YouTube-Videoclips von ‹Theatre Of War› (2,4 Mio.) und ‹Garden Of Earthly Delights› (21 Mio.) aufweisen.
Entromantisiertes Mittelalter
Für das zweite Album haben sich Apocalypse Orchestra acht Jahre Zeit gelassen. «A Plague Upon Thee» ist erneut eine Sammlung aus mittelalterlicher Geschichte und deren Weltanschauung, eine ansteigende Spannung zwischen Religion und Wissenschaft. Seuchen, Verschwörungen und Fanatiker werden unter schicksalhaft und zuweilen dystopisch wirkenden Klängen zum Leben erweckt und treiben ihr Unwesen. Das ist äusserst schwere Kost und weit von einem romantisierten Mittelalter entfernt.
Wie auf dem Erstling nehmen sich Apocalypse Orchestra bei jedem Song bedächtig viel Zeit zur Entfaltung. «Slow Metal Music» ist ein selbsternannter Slogan, der sich auf einem ihrer Bandshirts wiederfindet – genau das trifft es. Der Opener ‹Virago› zieht sogleich mit fatal pochender Perkussion und Drehleier in seinen Bann und entfesselt eine orchestral mittelalterliche Apokalypse. Bereits hier entscheidet sich, ob man sich diesem beklemmenden Szenario aussetzen möchte. Wer hängen bleibt, wird jegliches Zeitgefühl und den Bezug zum Hier und Jetzt während der nächsten Stunde komplett verlieren.
Absolut beeindruckend, wie das Vorstellungsvermögen durch eine dichte Atmosphäre gespeist wird und alles zu einem nahbaren Erlebnis heranwächst. Mittelalterliche Melodien mutieren durch die konstanten Peitschenhiebe des Doom zur Prozession der Flagellanten. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl aus diesem tranceähnlichen Zustand herausgerissen zu werden. Kein Song fällt aus dem Rahmen, auch wenn keiner wirklich heraussticht. Allerdings ist das beabsichtigt, um die Stimmung auf einem konstanten Level zu halten. Das ist mehr als gelungen!
Nüchtern betrachtet, hat sich musikalisch gegenüber dem Debut nur wenig verändert. Das neue Material klingt merklich runder und entsprechend zugänglicher. Das geht auch mal auf Kosten der unberechenbaren Tiefen, von denen «The End Is Nigh» nur so strotzte. Doch wenn die letzten Noten vom Abschlusstrack ‹Saint Yersinia› erklingen, wird eine Rückkehr in die Welt von «A Plague Upon Thee» nicht lange dauern …
Das Fanzit zu Apocalypse Orchestra – A Plague Upon Thee
Unter dem Strich entpuppt sich «A Plague Upon Thee» als der lieblichere Zwilling von «The End Is Nigh». Was heisst das in der Sprache von Apocalypse Orchestra? Etwas mehr Mut zu episch beklemmenden Tiefen und der Wow-Effekt des Debuts wäre aufrechterhalten geblieben.
Freilich tut dies dem Album nur im direkten Vergleich einen kleinen Abbruch, denn Apocalypse Orchestra bleiben sich selbst treu: Das Gesamtkonzept passt, die Songstrukturen reissen mit und der Eskapismus wirkt – mittelalterliche Schicksalskost vom Feinsten!
Die Tracklist – Apocalypse Orchestra – A Plague Upon Thee
- Virago
- Tempest
- Glass and Sun
- Anchorhold
- Sacrament of Avarice
- From the Athanor
- To Arrive
- Saint Yersinia
Das Line-up Apocalypse Orchestra
- Jonas Lindh – Guitars, Mandola, Backing Vocals
- Rikard Jansson – Bass, Backing Vocals
- Andreas Skoglund – Drums and Percussion, Backing Vocals
- Mikael Lindström – Hurdy Gurdy, Bagpipes, Rauschpfeife, Backing Vocals
- Erik Larsson – Guitars, Mandola, Cittern, Lead Vocals