Orphaned Land - Z7 Pratteln 2024
Do, 5. Dezember 2024

Orphaned Land, Dirty Shirt, Stråle, Ring Of Gyges, Royal Rage

Z7 (Pratteln, CH)
12.02.2025
Orphaned Land - Z7 Pratteln 2024

Exotisch wildes Programm mit wenig Besuchern

Am 5. Dezember bekam das Z7 in Pratteln Besuch. Leider nicht von allzu vielen Gästen, jedoch von fünf Bands aus aller Welt, deren Genremix kaum bunter hätte ausfallen können.

Endlich, endlich, endlich schaffen es Orphaned Land und ich wieder einmal in dieselbe Location. Es ist das erste Mal seit 2018, als das Konzert in der Galvanik meine Durststrecke mit dem ersten Zusammentreffen beendete. Seither erschütterte eine Pandemie die Menschheit und das Aufflammen eines uralten Konflikts den Nahen Osten, aus welchem die Band stammt. Unzählige Absagen und Verschiebungen waren die Folge. Auf einigen Touren war schon gar kein Schweizer Termin geplant, zum Beispiel auf der 30-Jahres-Tournee 2022 (wofür das Backstage in München uns noch immer die Ticketkosten schuldig ist, aber das ist ein anderes Thema). Der Januar 2024 sollte die Erlösung bringen; «Motocultor across Europe» mit Orphaned Land als Headliner plante einen Termin im Z7. Auch diese Tour musste verschoben werden, kam jedoch im Dezember endlich zustande.

Doch selbst der Rest des Line-ups liest sich mehr als interessant: Thrash aus Brasilien, Prog aus Island, Alternative aus Finnland und «Crossover Folkcore» aus Rumänien. Da lassen Larry und ich uns nicht zweimal bitten!

Für den Auftakt wird es aufgrund der schwierigen Situation auf der A3 etwas knapp. Wir nähern uns dem Z7 mit einigen Minuten Verspätung und von drinnen schepperts bereits. Der Aussenbereich ist wie leergefegt, das geschlossene Fenster schützt die Mitarbeiter beim Foodstand, für welchen es momentan keine Kundschaft gibt. Klar, die Besucher sind bestimmt schon alle drin, oder? Denkste! Beim Betreten der Halle weiss ich nicht, ob mir die Kinnlade runterfallen oder ich laut loslachen soll. So leer habe ich das Z7 selten gesehen.

Royal Rage

Auf dem Weg zur Bühne, wo der brasilianische Opener Royal Rage bereits beim zweiten oder gar dritten Titel angelangt sein dürfte, zähle ich ungefähr 40 Personen. Davon steht vielleicht die Hälfte vor der Bühne und lauscht dem Thrash, den die Band präsentiert. Diesen nehme ich sehr begeistert auf: Er ist stellenweise verspielt, haut trotzdem schön in die Fresse und auch die nötige Portion Groove fehlt nicht. Die vier Herren aus Curitiba lassen sich von der kleinen Besucherzahl nicht beirren und stellen ihre Musik in den Mittelpunkt. Die drei grünlichen Helmmasken, welche die Mikroständer zieren und nur bedingt jener im Bandlogo ähneln verleihen der Bühne das gewisse Etwas, ohne der Musik die Aufmerksamkeit zu stehlen. Nach einer halben Stunde ist der Auftritt gefühlt viel zu schnell vorbei, doch es stehen ja noch vier weitere Acts an.

Die Setlist – Royal Rage

  1. Dawn Of A New Era
  2. Evolve
  3. Into The Abyss
  4. Feed The Herd
  5. Disease And Decadence
  6. Lampião
  7. Real Dolls

Ring Of Gyges

Wer oder was ist Gyges und was hat es mit dessen Ring auf sich? Das Schmuckstück stammt aus philosophischen Diskussionen Platos, und erweckt bei mir, sobald ich dies im Vorfeld lese, Erinnerungen ans neueste Orphaned Land-Album von 2018, für welches sich die Band seinerzeit ebenfalls von Platon inspirieren liess.

Von irgendwelchen philosophischen Gedankenspielen bemerkt man heute jedoch nichts. Im Gegenteil, mein Gehirn ist damit beschäftigt, die Musik der isländischen Truppe Ring Of Gyges zu verarbeiten und herauszufinden, in welchem Takt es meinen head bangen lassen soll. Diese Aufgabe stellt sich als gar nicht so einfach heraus, zumal die Progger verschiedene ungerade Taktarten einbauen und selbst vor Wechseln nicht zurückschrecken. Mein Drummerherz springt vor Freude und ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Der etwas unkonventionelle Stil der Reykjaviker fasziniert mich genauso sehr wie jener ihrer Landsleute von The Vintage Caravan und Sólstafir. Immer wieder nimmt die Formation sämtliche Energie aus ihrer Musik, fährt in ruhige Gewässer, nur um gleich darauf wieder zu explodieren und die Besucher mit ungewöhnlich verschobenen Kompositionen herauszufordern. Wer auf progressiven Rock steht, soll Ring Of Gyges bitte unbedingt auschecken!

Die Setlist – Ring Of Gyges

  1. Dragonflies
  2. Nautilus
  3. Andvaka
  4. The Choice
  5. Holy Water
  6. Parasite

Stråle

Im zweiten Break holen wir uns kurz etwas zu knabbern, doch sind die Umbaupausen derart kurz, dass wir trotz sofortiger Bedienung am Foodstand noch lange nicht fertig sind, als die nächste Band die Bühne betritt. So lobt man sich die Logistik! Die knackig kurzen Unterbrüche erlauben es, gepaart mit den eher kurzen Spielzeiten – je dreissig Minuten für die ersten drei Bands und, wie wir feststellen werden, nur eine Stunde für den Hauptact – viel Abwechslung in einen gar nicht allzu langen Abend zu packen.

Wie sich herausstellen wird, haben wir genau den richtigen Act erwischt, um uns kulinarisch zu verpflegen. Der Alternative Metal von Stråle aus Finnland weist viele spannende Ansätze auf, überzeugt jedoch nicht voll und ganz. Gerade Sänger Daniel wirkt zwar sehr sympathisch und schafft mit der Widmung eines Songs an seine verstorbene Mutter einen starken emotionalen Moment, doch fehlt dem Auftritt ein bisschen von allem. Mit ihrem neuen Cover «Blinding Lights» reisst der Sechser aus Helsinki das Publikum gegen Ende doch noch ein bisschen mit – halt nur, weil man den Song kennt und mitsingen kann.

Die Setlist – Stråle

  1. The Heart You Tore Apart
  2. Control
  3. Resist And Reform
  4. Close Is Not Enough
  5. Wasted
  6. Blinding Lights (The Weeknd)
  7. King Of Silence

Dirty Shirt

Der vierte Act ist auf Motocultor-Touren quasi ein zweiter Headliner und bekommt einen etwas grosszügigeren Zeitslot. Hier sind Dirty Shirt für die mexikanischen Azteca eingesprungen, die im Januar hätten dabei sein sollen. Der erste Song «Ciocarlia», den ich wie alle anderen Titel nicht kenne, drückt von Beginn weg aufs Partypedal. Das Instrumentalstück ist ein wunderbarer Start in ein wildes Set, das definitiv als eine der Überraschungen des Jahres abzustempeln ist.

Die Rumänen lassen ihren sehr eigenen Mix nämlich ohne mit der Wimper zu zucken auf die eher karge Meute los. Diese wiederum nimmt die rumänische Unbändigkeit wohlwollend entgegen, und einige Individuen – wer Larry und mich kennt, weiss, dass wir da dazugehören – nutzen die aufputschende Musik für ausschweifende Tanz- und Hüpfeskapaden. Im Verlauf des Sets reissen besagte Individuen sogar einige lockere, schnelle und vor allem sehr fröhliche Circle Pits an. Der «Crossover Folkcore» ist genau das, was man sich darunter vorstellt (wobei Core als leichte Hardcore- und keinesfalls als Metalcore-Einflüsse zu verstehen ist) und wirkt wie Benzin, das man über die feurig kochende Stimmung kippt.

Es ist jedoch nicht nur die Musik, die den energiegeladenen Auftritt der Transsilvanier ausmacht. Die fröhliche Truppe strahlt eine Freude aus, die heute ungeschlagen bleiben wird. Mit einem steten Lächeln auf den Lippen hauen die Musiker Banger um Banger raus und geniessen das gegenseitige Aufputschen zwischen Band und Publikum. Allen voran sprühen die beiden sich wunderbar ergänzenden Sänger eine enorme Sympathie aus. Dies widerspiegelt sich gerade in den kurzen, unterhaltsamen Ansagen zwischen den Songs

Obwohl das Workout, das wir gerade veranstalten, sehr anstrengend ist, vergeht sogar dieser längere Slot viel zu schnell. Ehe wir uns versehen, kommen wir zum Ende. Das Instrumentalstück «Latcho Drom» fasst den entfesselten Charakter der Osteuropäer noch einmal perfekt zusammen, bevor Band und Publikum in die wohlverdiente Umbaupause entlassen werden.

Die Setlist – Dirty Shirt

  1. Ciocarlia
  2. Put It On
  3. Nice Songs
  4. Pretty Faces
  5. Dope-a-min
  6. Hot For Summer
  7. Geamparalele
  8. Dirtylicious
  9. Maramu
  10. Pălinca
  11. Latcho Drom

Orphaned Land

Nach den Eskapaden von gerade eben erwartet uns bei Orphaned Land etwas mehr metallische Besinnlichkeit. «The Simple Man» ist dafür ein optimaler Start und ich staune ob der sofort sehr guten Abmischung. Der gar nicht so schnelle, dafür umso treibendere Song macht Laune und die Israeli füllen den eher leeren Raum sofort mit ihrer musikalischen Präsenz. Dies, obwohl Sänger Kobi Farhi anfangs noch etwas verwirrt wirkt, was darin kulminiert, dass er versehentlich den Mikroständer anstösst, welcher sogleich umkippt und das Mikrofon mit einem lauten Wumms in den Fotograben befördert.

Im Laufe der Zeit scheint sich seine Trance jedoch zu legen, worauf Publikum und Band problemlos auf einer emotionalen Ebene zueinanderfinden. Dabei feiert Ersteres die gesamte Bandbreite des sehr dynamischen Stils, den Orphaned Land mit der heutigen Setlist abdecken. Hierbei gilt es jedoch festzuhalten, dass manche der im Studio aufgenommen Atmosphären live der guten Abmischung zum Trotz nicht ganz wie gewünscht zur Geltung kommen. Der Grossteil, allen voran die härteren Passagen, kommen jedoch sehr wuchtig daher!

Abgesehen von Kobi Farhi sticht in meinen Augen vor allem Drummer Matan Shmuely hervor, der neben seinem virtuosen Drumming den harschen Backgroundgesang beisteuert – Growls, die er mit einer eindrücklichen Lockerheit präsentiert und auf welche manch andere Sänger neidisch sein darf. Doch bei den Saitenhexern macht es ebenfalls Spass, ihnen beim Bearbeiten ihrer Instrumente zuzuschauen. So wirkt auch das Set von Orphaned Land sehr kurzweilig. Die Ansagen des Völkerverständigers Kobi und eine sehr abwechslungsreichen Setlist, welche trotz kurzer Spielzeit das Wichtigste abdeckt, führen gelungen durch den Gig. Nach ebendiesem verrät ein Blick auf die Uhr, dass lediglich eine Stunde vergangen ist, diese gestaltete sich jedoch angenehm intensiv.

Die Setlist – Orphaned Land

  1. The Simple Man
  2. The Kiss Of Babylon (The Sins)
  3. All Is One
  4. In Propaganda
  5. All Knowing Eye
  6. Sapari
  7. Ocean Land (The Revelation)
  8. We Do Not Resist
  9. Let The Truce Be Known
  10. El Meod Na’ala
  11. In Thy Never Ending Way
  12. Norra El Norra (Entering The Ark)
  13. Ornaments Of Gold

Das Fanzit – Orphaned Land, Dirty Shirt, Stråle, Ring Of Gyges, Royal Rage

Das Motocultor-Package erwies sich als bunter Genremix mit Bands aus diversen Ländern. Royal Rage haben die nicht so zahlreichen Besucher mit einer gehörigen Portion Thrash aufgewärmt, worauf Ring Of Gyges das Publikum mit ihrem Prog Metal faszinierten. Stråle vermochten nicht gleich zu begeistern, doch mit ihrem aufputschenden Stil erweckten Dirty Shirt das Z7 darauf zu einem Haufen Partyfüdlis. Schlussendlich beendeten Orphaned Land den Abend mit einer Stunde sehr diversem, intensiven Oriental Metal und schönen Atmosphären.


Wie fandet ihr das Konzert?

12.02.2025
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