

Die Supergroup-Tributeband
Pantera spielen im Hallenstadion. Dieser Satz könnte aus den früheren 90er stammen. Aber im Jahre 2025? Wie geht das denn?
Oder lautet die Frage Darf man das? Der Vergleich ist schon nicht ganz fair, aber es ist ein bisschen, wie wenn Phil und Mikkey Jahre nach Lemmys Tod plötzlich wieder als Motörhead auf Tour gingen. Denn Phil Anselmo und Rex Brown sind nur die halbe Miete einer der grössten Metal-Bands der 90er.
Oft wird der Begriff All-Star-Band meiner Meinung nach zu schnell und leichtfertig verwendet, wenn aber nebst Rex und Phil noch Charlie Benante von Anthrax und Zakk Wylde mittun, dann ist der Begriff schon angebracht. Oder ist es einfach die prominenteste Tribute-Band ever?
Nun, wie auch immer, ich bin hier wegen den Songs, die nach wie vor meinem Geschmack entsprechen, und wegen Charlie. Ich bin bekanntlich bereits seit Teeniezeiten ein grosser Anthrax-Fan und dies nicht zuletzt wegen Onkel Charlie und Neffe Franky Bello an der Rhythmus-Fraktion. Wobei die beiden schon einen sehr starken Einfluss auf den sehr typischen Sound von Anthrax haben. Und dazu kommt, dass für mich Charlie einer der meistunterschätzten Drummer im Metal ist. Es gibt ja einige, die sagen, er hätte den Blastbeat erfunden. Nun, ich weiss nicht, wie man sowas wirklich erfinden kann, aber er ist einer der wenigen Drummer, die man rein akustisch sofort erkennt; auch als Nicht-Schlagzeuger.
Bin ich jetzt also etwas gespalten, was die Erwartung an heute Abend betrifft? Eigentlich nicht, denn auf dieses Konzert freue ich mich seit vielen Monaten. Und das letzte Mal erlebte ich Pantera unter dem Banner Pantera 1994 in Zofingen …
So, genug des Vorgeplänkels. Der Fotograben ruft für King Parrot.
King Parrot
Und dorthin geh ich ganz unvoreingenommen… wenn man das denn nach einem sehr klaren Verriss von Dutti vor einigen Jahren sein kann (siehe Review). Zum Glück hab ich die vorher nicht gelesen. Zumindest Phil Anselmo scheint Gefallen an der australischen Hard-/Grindcore-Combo zu haben. Er spielte bereits in einem Videoclip von denen mit und hatte sie auch schon für seinen Youtube-Channel interviewt.
Die Jungs geben schon ein spezielles Bild ab. Auftritt und Attitüde entsprechen dem 90er-Grindcore und die Protagonisten sehen ebenfalls alle älter – so um die 50 – aus… und doch gibt es die Band erst seit 2010. Aber Aussenwirkung scheint für sie gar nicht so wichtig zu sein. Im Gegensatz zu Duttis Premiere mit King Parrot ist es heute der andere Matthews (am Bass) der seinen Bierbauch gleich zu Beginn entblösst und zelebriert.
Doch Sänger Matthews wirkt definitiv auch ohne blutten Ranzen ganz schön durch den Wind. Irgendwie könnte er der durchgeknallte ältere Bruder von Phil Anselmo sein…
Die Songs sind definitiv Grindcore würdig, was deren Länge betrifft. Wir Fotografen im Pit sind dann folglich ziemlich überrascht, als es heisst, die ersten drei Songs sind vorbei und bitte Graben verlassen. Wir alle dachten, wir seien noch beim ersten Lied.
Also ich finde, das grooved doch schon mal ganz schön und selbst Dutti setzt zum Hüftschwung an. Hat er sich heute Abend eventuell mit den Australiern versöhnt?
Mir gefällts und es war – wie es beim Grindcore sein muss – kurz und schmerzlos. Wobei das schmerzlos ja nicht immer genregerecht ist.
Power Trip
Wenn ich mich nicht irre, hab ich mit den Jungs aus Dallas heute ebenfalls meine Live-Premiere. Auf dem Papier könnte mir das definitiv gefallen. Denn ein Soundkuchen bestehend aus den Zutaten Thrash Metal, Hardcore Punk, Speed Metal und Death Metal schmeckt mir normalerweise ausgezeichnet.
Dieser Mix kommt eigentlich ganz gut bei meinen Lauschern an. Doch wie so oft ist es der Gesang, der dann eine Geschmacksnote einbringt, die mir nicht so passt. Instrumental bewegt sich das zwischen Anthrax, D.R.I. und S.O.D. Und das sind drei Bands, die beim mir in der Gunst ganz weit oben stehen.
Der Auftritt von Power Trip ist schliesslich ganz OK, obwohl es mich trotz dem an und für sich geilen Genre-Mix nicht packt. Da werden mir King Parrot stärker in Erinnerung bleiben. Sympathische Notiz am Rande: Der eine Gitarrist trägt ein Celtic Frost-Shirt und teilt dies mit «Shout out for Celtic Frost» auch akustisch mit.
Wir bleiben grad in Dallas und freuen uns jetzt auf den Headliner.
Pantera
Das Publikum ist sehr gemischt, was Alter und Geschlecht betrifft. Man sieht überraschend viele Jüngere und Frauen. Der Sound von Pantera ist definitiv zeitlos und funktioniert als Vorreiter ebenfalls gut mit dem heute modernen Metal.
Zu Beginn des Auftritts der Groove-Metal-Vize-Meister (die wahren Meister sind ja Prong) werden die Silhouetten der verstorbenen Pantera-Brüder Dimebag und Vinnie Paul eingeblendet. Diese sind genauso auf den Bassdrum-Resonanzfellens aufgedruckt.
Den beiden wird auch während dem Konzert immer wieder von Phil gehuldigt. Irgendwie kommt das schon etwas schräg rüber, wenn man bedenkt, dass man sich damals 2003 im Streit getrennt hatte. 2004 wurde Dimebag auf der Bühne während einem Konzert mit seiner Band Damageplan erschossen. Und vierzehn Jahre später folgte ihm Vinnie Paul infolge eines Herzinfarkts. Meines Wissens hatte man sich nie wirklich versöhnt, was der ganzen «Reunion» Tour schon einen etwas schalen Beigeschmack gibt. Man kann es positiv sehen, dass die beiden nicht vergessen werden oder dann halt auch so, dass man sich auf diese Weise ein bisschen eines schlechten Gewissens erledigt und die früheren Pantera-Fans besänftigt – inklusive der Familien der beiden.
Nun, genug der Stänkerei. Ich bin ja wie die anderen 6’500 Nasen freiwillig hier und ich freu mich jetzt einfach auf Songs für die Ewigkeit und ich hoffe, Zakk respektiert das ebenfalls und verfrickelt das Ganze nicht, wie bei Ozzy schon erlebt.
Der Start ist mit «A New Level» schon mal geglückt. Phil scheint gut gelaunt und in guter Verfassung zu sein. Mit seinen Soloprojekten hatte ich ihn auch schon ganz anders erlebt. Selbst als scheinbar eine Flasche Richtung Charlie geworfen wurde, informiert er das Publikum schon fast betont gelassen: «Let’s make it clear. Don’t trow anything to Charlie. This in Zurich… C’mon. If I see that guy I will guide him out of the venue.» Also nicht mal was von Fresse polieren oder so. Da scheinen ein paar Therapy-Sessions ihre Wirkung zu entfalten. Das war ja schon fast buddhamässig.
Sound und nebst Phil ebenso Rex am Bass sind wirklich stark und DAS ist Pantera. Zakk versteckt sich wie immer hinter seinem Vorhang beziehungsweise Haaren. Gefrickelt wird zudem nichts Unnötiges. Dafür scheinen die Soli nicht immer ganz dem Original zu entsprechen, wie mir später zwei Musikerkollegen auf der Heimfahrt mitteilen. Die haben grad eine Pantera-Coverband gegründet und üben dies jetzt momentan fleissig. Darum fällt denen das natürlich sofort auf. Den anderen 6’498 Leuten wohl kaum. Klar, es ist nicht Dimebag. Da hört man schon einen Unterschied. Aber wie würde sich Dimebag heute live anhören? Wahrscheinlich auch nicht mehr wie in den 90ern.
Und da ist noch mein Lieblings-Charlie. Man hört ganz klar, es ist Charlie an den Drums. Er kann oder will das nicht verbergen. Es ist einfach seine Art Schlagzeug zu spielen. Da hört man wohl den Unterschied zum verstorbenen Original am besten raus. Der eine Musikerkolleg – der Drummer – meint dann auch, es hätte einige Temposchwankungen gegeben. Aber man sollte wohl nie Musiker nach ihrer Meinung nach einem Konzert fragen…
«This Love» – die Powerballade. So viel Power können wohl nur Pantera aus einer Akustikgitarre beziehungsweise ohne Verzerrung rausholen. Da fehlt jedoch heute live schon ein gutes Stück an Power zum Original. Aber ich kann mich jetzt ehrlich gesagt auch nicht mehr so genau an 1994 erinnern, ob dies damals mehr Power als ab Platte hatte.
Anschliessend folgen nochmal Videoschnipsel von den beiden verstorbenen Pantera-Brüdern auf den Screens. Der emotionale Moment des heutigen Konzertabends. Selbst Zakk schickt da eine Kusshand zum Himmel.
Es folgt «Walk». Der vielleicht bekannteste Song der Texaner. Dazu kommt der durchgeknallte «Bruder» von Phil – Sänger Matthew Young von King Parrot – auf die Bühne und kann ein bisschen mitwalken und -singen. Damit ist zudem der Reigen der ganz grossen Klassiker eröffnet. «Cowboys From Hell» und dann mein All-Time-Fav «Fucking Hostile» im Zugabenblock, was dann zusätzlich grad den Abschluss bildet.
Das wars. Kurz und schmerzlos folgen die üblichen Dankesworte und dann ist die Arbeit erledigt.
Das Fanzit – Pantera
Pflichtübung? Wegen dem Geld? Einfach wieder Bock auf die guten alten Zeiten? Ehrerbietung für Dimebag und Vinnie Paul? Wohl von allem ein bisschen. Man kann es drehen und sehen, wie man will. Wer ein bisschen Pantera-90er-Nostalgie wollte, hat sie erhalten. Die Klassiker wieder mal im Live-Gewand zu hören, hat schon Spass gemacht. Auch wenn es halt doch nur halbe Pantera waren. Das hat man gehört und gesehen. Aber mehr ist leider nicht mehr möglich.
Die Setlist – Pantera
- A New Level
- Mouth for War
- Strength Beyond Strength
- Becoming
- I’m Broken
- Suicide Note Pt. II
- 5 Minutes Alone
- This Love
- Floods
- Domination / Hollow
- Walk [mit Seth Gilmore and Matthew „Youngy“ Young)
- Cowboys From Hell
- Fucking Hostile*
*Zugabe
Die Fotos – Pantera, Power Trip, King Parrot
