Frauen-Power an den Mikrofonen
Caroline «Caro» Breitler und ihre Band verzückten am Samstagabend in einer mässig besuchten Met-Bar die Zuhörerschaft. Im Vorprogramm durften Dreams In Fragments aus Wangen bei Olten den Einheizer-Job übernehmen.
Mit-Metalinsider Sandro (mit Kamera «bewaffnet») und meine Wenigkeit (Dutti) waren für euch in journalistischer Mission vor Ort im Einsatz.
Dutti: Die «Nacht der Frauenstimmen» in der Met-Bar steht an. Da die ursprünglich einplanten Rage Of Light momentan eine längere Pause einlegen, musste Caro Breitler (samt Band) für den heutigen Abend einspringen. Die Zugerin ist fleissig unterwegs und ihr Name erscheint auch in diesem Jahr wieder auf zahlreichen Event-Plakaten. Ich bin ihr bereits im Januar im Zürcher Werk 21 begegnet, als sie das Publikum auf die Herren von Graywolf eingestimmt hat. Heute obliegt der Sängerin und ihrer Equipe die Headliner-Rolle. Zudem darf sie auf symphonische Rückendeckung von Dreams In Fragments zählen – eine Formation, welche die hiesige Bühne schon bestens kennt. Dazu verweise ich zum Beispiel gerne auf meinen Bericht aus dem Jahr 2023.
Dreams In Fragments
Dutti: Es sind nicht immer nur die Musiker, die hochmotiviert zu Werke gehen. Häufig trifft das ebenfalls auf die knipsende Abteilung zu. Sandro ist so intensiv bei der Sache, dass sogar eine auf der Bühne abgestellte Bierflasche eines Zuschauers das Zeitliche segnet. Du pam, wie gut sind wir bei Metalinside eigentlich versichert? Diese Frage habe ich mir ehrlich gesagt noch gar nie gestellt. Aber halb so wild, die aufmerksame Crew beseitigt die Spuren der Verwüstung rasant und ein neuer Gerstensaft ist sowieso zackig besorgt.
Auf der Bühne stelle ich währenddessen fest, dass Bassist Jan Thomas vor allem zu Beginn der Show diverse Probleme mit seinem Kabel zu haben scheint. Aber irgendwann regelt der bevorzugt hüpfende Strahlemann die Geschichte und kann sich fortan wieder seinem eigentlichen Aufgabenbereich widmen. Ui, können die Growls von Axtmann Christian Geissmann bitte immer so schwungvoll daherkommen, wie bei «Falling With A Crown»? So gefällt mir das! Sein Klargesang offenbart heute dafür gewisse Schwächen (aber das ist ja notabene nicht seine Kernkompetenz). Der Grossteil der Mikrofonarbeit liegt ohnehin in der Verantwortung von Seraina Schöpfer. Sowohl bei eigenen Nummern als auch Cover-Versionen aus der Kategorie «Paradise (What About Us?)» und «Digital World» beeindruckt ihr Stimmorgan die anwesenden Gäste. Meine Setlist-Favoriten sind allerdings «Nightchild» und «To Avalon». Gerade in der letztgenannten Komposition steckt unfassbar viel Potenzial.
Künftig müsste man einfach noch an der Soundqualität arbeiten. Der eine oder andere «Chroser» stört den Hörgenuss unnötig. An der Location kann dies eigentlich nicht liegen, denn in diesem Haus bin ich mir stets ausgezeichneten «Boxen-Stoff» gewohnt. Vielleicht kann ich in exakt einer Woche in der Musigburg entsprechende Vergleiche anstellen. Dreams In Fragments werden dort nämlich unter anderem mit Freedom Call im Einsatz stehen.
Sandro: Puh, ja genau, da war doch was… Ich sah die Schlagzeilen direkt vor meinem inneren Auge aufleuchten: «Irrer Knipser crasht Honigweinschenke». Oder: «Ein Abriss der anderen Art». Wobei der von Kollege Dutti geschilderte Tatbestand natürlich nur die halbe Wahrheit widerspiegelt. Also … die besagte Bierflasche stand nicht auf, sondern vor der Bühne, und zwar am Boden (und in Ermangelung von Hühneraugen und dank festem Schuhwerk sehe ich da leider nichts). Und natürlich war es für mich selbstverständlich, dem Geschädigten in der Umbaupause einen gebügelten Ersatz zu spendieren. Was mich aber wirklich verblüffte, war, wie schnell und unkompliziert das von mir angerichtete Unheil von den guten Geistern der Met-Bar beseitigt wurde. Wahnsinn. Leute, ihr habt definitiv was gut bei mir, danke!
Mein Eindruck zum Auftritt von Dreams In Fragments ist derweil ähnlich zwiespältig wie bereits geschrieben. Auf der einen Seite spürt man, wie das in symphonischen Klängen verwurzelte Quintett (das seit Kurzem mit einem neuen Bandlogo unterwegs ist) für sein Schaffen brennt, aber durch den einen oder anderen kleinen Schönheitsfehler (ja, wie die durchwachsene Soundqualität) eingebremst wird. Bei den Coverversionen driften unsere Meinungen derweil zumindest teilweise diametral auseinander. Die Adaption des Within Temptation-Klassikers (featuring Tarja Turunen) fand ich spannend, bei der Interpretation des Amaranthe-Stampfers werden einige vielleicht meinen leicht irritierten Blick bemerkt haben. Meines war es nicht, was wohl auch mit einer nicht zu unterschätzenden Portion Fanboy-Attitüde meinerseits zusammenhängen dürfte.
Caroline Breitler
Dutti: Punkt 22 Uhr übernimmt die Headliner-Gruppe das Kommando. Oha, in Sachen Ausstrahlung ist das direkt ein völlig anderes Level (da können Dreams In Fragments freilich noch etwas lernen). Die Musiker haben sichtbar Spass. Ehe ich tendenziell (zu) viele Worte über Caro verliere, möchte ich die Gelegenheit fairerweise nutzen, um ihre Mitmusiker ins Rampenlicht zu stellen. Denn diese Herrschaften sind, wie bereits angedeutet, mit vollem Elan bei der Sache. Im Hintergrund bearbeiten Andi Caplazi (hey Luke, das ist ein Live-Keyboarder) und Trommel-Bestie Gregory Birrer (der unter anderem ebenfalls bei Royal Desolation und Felskinn auf die Kacke haut) ihre Instrumente. Rechts zupft Marco Vortex Bohler an seinem Bass herum und links findet man den ständig grinsenden Klampfer Alain Schneble. Zweitgenannter Herr trägt ein Glitzer-Shirt und ich entdecke obendrein ein Arch Enemy-Schweissband. Joa, optisch weist er durchaus gewisse Ähnlichkeiten zu Jeff Loomis auf. Das ist also gar nicht so abwegig.
Das Quintett hat eine gelungene Song-Auswahl nach Lenzburg mitgebracht. Mein Lieblingslied «Rockstar» kommt schon an vierter Stelle zum Handkuss. Rampensau Caro ist komplett in ihrem Element. Hmm, existiert eigentlich eine nettere, leicht damentauglichere Bezeichnung für «Rampensau»? Möglicherweise Rampenferkel, «Rampenbüsi» oder Rampenrakete? Keine Ahnung, aber wir sind schliesslich im rockigen Sektor unterwegs und da dürfen die Wörter ruhig ein bisschen derber ausfallen. Caro wird garantiert damit leben können. Und in Bezug auf den Gesang quiekt sie ja nicht ins Mikro, sondern brilliert mit einer wahrlich hammermässigen Stimme. Selbst der gemächliche Akustik-Part der Performance vermag zu gefallen. In diesem Teil drückt das Frontmädel dank des Stücks «Dear Navajo» ihre Verbundenheit zu den US-amerikanischen Ureinwohnern in einem wunderschönen Klangbild aus. Beim anderen Track in diesem Abschnitt – «The One That I Miss» – gibt die Sängerin zu, dass man ausnahmsweise auch einmal versuchen muss, ein wenig radiotauglich zu sein.
Anschliessend erhält ein Fan, der den Vorverkauf genutzt hat, eine Rose von der Mikrofonhüterin. Sie selbst durfte leider nie beim «Bachelor» mitmachen und kompensiert diese verpasste Gelegenheit nun eben mit solchen Aktionen. Danach darf Gregory im Rahmen eines packenden Drum-Solos sein Können demonstrieren. Marco sorgt dabei für die Bass-Begleitung. Starke Kompositionen der Marke «Judgement Day» (da schimmern die 80er schön durch) und «Peace Healer» ebnen schliesslich den Weg ins Ziel. Ohne Zugabe geht aber niemand nach Hause. Deswegen servieren uns die Künstler zum endgültigen Finale das gefühlvolle «All I Am Now Without You».
Sandro: Genau, allein schon die Körpersprache des Headliners spricht Bände. Es ist schon erstaunlich, wie viele Gute-Laune-Vibes die Dame während so einer Show zu versprühen vermag. Ich hatte heute zum ersten Mal das Vergnügen, die … ok «Rampenferkel» geht gar nicht. Obwohl man Caros Anpreisung gewisser Merch-Artikel durchaus in diese Ecke schubsen könnte. Wie wäre es mit «Bühnenkönigin» oder «Rampenelfe». «Sonnenstrahl» fände ich aufgrund ihres stets fröhlichen Gemüts auch noch passend. Also: Miss Breitler durfte ich hier und heute zum ersten Mal erleben, was auch für ihre Musik selbst gilt.
Ob’s mir gefallen hat? Und wie! Nicht nur die Lieder haben in mir eine gewisse Saite zum Klingen gebracht, auch der charmant-witzige, manchmal – wie schon erwähnt – etwas doppelbödige Humor des Lichtfangs hat mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Dass die Stimmung während des gesamten Auftritts als «bestens» bezeichnet werden kann, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung. Und sonst? Nun, den Rest hat Dutti ja bereits meisterhaft dargelegt. Auf jeden Fall eine Truppe, die man im Auge (wie auch im Ohr, was ich mit meinem Besuch am Merch-Stand sichergestellt habe) behalten sollte.
Das Fanzit – Caroline Breitler, Dreams In Fragments
Dutti: Die Lenzburger Met-Bar war heute Abend bedauerlicherweise nur mässig besucht (allerdings fanden gleichzeitige diverse andere Konzertveranstaltungen statt). Wer trotzdem ins nördliche Seetal gepilgert ist, kam in den Genuss einer überzeugenden Darbietung von Caroline Breitler und ihrer Band. Mit dieser Energie und Wucht konnten Dreams In Fragments leider nicht ganz mithalten.
Sandro: Dreams In Fragments würde ich gerne noch einmal live erleben, denn die Band hat durchaus Klasse und Potenzial – was sie heute aber leider nicht vollends abzurufen vermochte. Caroline Breitler hingegen hat heute Abend definitiv einen neuen Fan hinzugewonnen. Eine sackstarke Performance der gesamten Truppe, dem ich gerne weitere Konzerterlebnisse folgen lassen werde!
Die Setlist – Dreams In Fragments
- Intro
- Hey You
- In Flames
- Falling With A Crown
- By The Sea Forever
- Nightchild
- To Avalon
- Paradise (What About Us?) (Within Temptation-Cover)
- Rage And Fire
- Digital World (Amaranthe-Cover)
- Own The Night
- Unireverse
- Outro
Die Setlist – Caroline Breitler
- Intro
- Land Of Hope
- Last Goodbye
- Mistaken
- Rockstar
- What You See
- Love What Is
- The One That I Miss (Caro unplugged)
- Dear Navajo (Caro unplugged)
- Church
- Judgement Day
- Peace Healer
- All I Am Now Without You*
*Zugabe