
Dead Pioneers – Po$t American
Punk, PunkrockEndlich wieder politischen Punk
Dead Pionieers bedienen sich auf ihrem neuesten Werk Po$t American ein weiteres Mal am Punkrock, um über Missstände und Frustration zu sprechen. Dabei nimmt gerade das „Sprechen“ auffällig viel Platz ein.
Gregg Deal ist ein Aktivist und Künstler mit amerikanisch-indigener Abstammung, was er in seinen Projekten oft zum Ausdruck bringt und was sich inhaltlich wie ein roter Faden durch seine Werke zieht. Eines dieser Projekte ist die Punkrockband Dead Pioneers. „Nur ein toter Pionier ist ein guter Pionier“, skandiert der Frontmann auf „Untitled Spoken Word No. 2“. „Manchmal ist die beste Option, ein Arschloch zu sein“. Klassenkampf, Rassismus, Sexismus und kulturelle Aneignung sind Themen, über die sich auf Po$t American aus vollen Rohren ausgekotzt wird.
Das Albumcover ziert die Darstellung eines amerikanischen Ureinwohners, der mit einem Tomahawk auf eine nicht weiter definierte weisse Person einschlägt. Dieses Werk soll, wie die dazugehörigen Audiostücke, bewusst provozieren. Im lyrischen Ich, in der verdrehten Rolle eines sich moralisch als einwandfrei empfindenden Rassisten meint Gregg auf „White Whine“: „Ich hasse keine Weissen. Ich habe selbst weisse Freunde und die fühlen sich durch meine Aussagen nicht angegriffen“, eine Argumentation, die man im Westen immer mal wieder zu hören bekommt, etwa wenn es um die Verwendung von Teile der Bevölkerung diskreditierende Wörter geht.
Ebenfalls häufig diskutiert, sowohl im politischen und gesellschaftlichen Diskurs wie auch auf dem Album, wird die sogenannte „kulturelle Aneignung“. Ein Kampfbegriff, der so oft verwendet wurde, dass seine ursprünglichen Ansprüche hinter Mauern aus überzogener Forderung verschwinden, die interessanterweise meist von Nicht-Betroffenen hochgezogen wurden, welche anstelle der Wahrung von Kulturen (von Minderheiten) eher auf eine moderne Apartheid abzielen, in der beispielsweise bestimmte Frisuren nur von bestimmten „Ethnien“ getragen werden dürfen. Dead Pioneers schrecken trotzdem nicht davor zurück, ein weiteres Mal dieses Themengebiet anzusprechen. Gregg Deal spricht aus persönlicher Betroffenheit, wenn er MAGA-Anhänger verbal bespuckt, die sich als „Indianer“ verkleideten, als sie 2021 auf Befehl ihrer politischen Führung Donald Trump das Kapitol in Washington D.C. stürmten.
Ist das noch Punkrock?
Punk ist deutlich mehr als nur eine Musikrichtung. Punk ist eine Lebenseinstellung. Punk ist eine deutliche geradlinige linke politische Färbung von allem, mit dem er in Berührung kommt. Po$t American klingt an vielen Stellen mehr nach mit Musik unterlegten Podcasts oder Predigten als an die klassische Kombination von Instrumenten und Gesang. Das gesprochene Wort steht im Vordergrund. Die Lyrik ist nicht Teil eines Songs, die Lyrik ist der Song. Was auf dem Album erzählt wird, ist spannend, lädt aber nur an wenigen Stellen zum Pogen ein. Klassische Songstrukturen mit Strophe, Refrain, C-Teil usw. werden ausnahmslos ignoriert. Aber ist nicht gerade das Missachten von Normen Punk?
Fehlende Strukturen und Korsetts schaffen, obwohl oder weil das Wort an erster Stelle steht, für die Musik Räume, sich experimentell frei zu entfalten. Nebst klassischem Drei-Akkord-Punk probiert man sich im Avantgarde-Bereich oder spielt auf einem Klavier Dinge zusammen, die gar an die Anarchie des Genres „Neue Musik“ erinnern.
Das Fanzit zu Dead Pioneers – Po$t American
Po$t American gibt neue Denkanstösse über politische und gesellschaftliche Zustände aus der Sicht eines Amerikaners mit indigenen Wurzeln. Musikalisch ist es, wie die Stilrichtung des klassischen Punks vermuten lässt, keine Erleuchtung, enthält aber Spielereien, die darauf warten, entdeckt zu werden.
Hits für die nächste Punkrock-Mottoparty liefern Dead Pionieers nicht. Vielmehr gilt es, ihre Audiostücke in ein bisschen mehr als einer ruhigen halben Stunde zu geniessen. Dann hat man sich aber, nach ein paar weiteren Hör-Durchgängen, schnell mal sattgehört.
Die Tracklist – Dead Pioneers – Po$t American
- A.I.M
- Po$t American
- My Spirit Animal Ate Your Spirit Animal
- Pit Song
- The Caucasity
- Mythical Cowboys
- Dead Pioneers
- White Whine
- Juicy Fruit (Ode To Chief Bromden)
- STFU
- Bloodletting Carnical
- Love Language (feat. Ren Aldridge von Petrol Girls)
- Fire And Ash
- Working Class Warfare
- Untitled Spoken Word No. 2
Das Line-up Dead Pioneers
- Greff Deal – Vocals
- Josh Rivera – Guitar
- Abe Brennan – Guitar
- Lee Tesche – Bass
- Shane Zweygardt – Drums