
Epica – Aspiral
Symphonic Metal
Ich gestehe …
„Die niederländischen Symphonic-Metal-Titanen EPICA freuen sich, ihr neuntes Studioalbum „Aspiral“ anzukündigen, das am 11. April 2025 bei Nuclear Blast Records erscheinen wird. Dieses monumentale Werk markiert ein neues Kapitel im Werdegang der Band und verbindet ihre typische symphonische Grösse mit einem frischen Sinn für Kreativität und Inspiration“, so die selbstbewusste Ankündigung über die gängigen Promo-Kanäle.
Nun, dass Erwartung und Wirklichkeit nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen, dürfte inzwischen bekannt sein. Doch was hat das Oranje-Sextett ausser vollmundigen Ankündigungen noch zu bieten? Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf den Titel dieser Rezension. Ich gestehe: Beim ersten Hören konnte mich die neue Scheibe der niederländischen Symphonic-Ikonen nicht wirklich überzeugen. Sollte dies der phönixgleiche Aufstieg aus der „Omega“-Asche sein? Unvorstellbar!
Nach unzähligen imaginären Plattenumdrehungen habe ich meine Meinung jedoch etwas revidiert. Wie ich heute dazu stehe – und was mir sonst noch an „Aspiral“ aufgefallen ist – lest ihr in den folgenden Zeilen.
Lichtspiel
Mit „Cross The Divide“ liefern die Niederländer gleich zu Beginn einen griffigen, eingängigen Track, der den Einstieg in ihr mittlerweile neuntes Werk erfreulich niederschwellig hält. Ein treibendes Stück mit einem Ohrwurm-Refrain, das definitiv Lust auf mehr macht. Das folgende „Arcana“ hätte von der Machart her gut auf den Vorgänger „Omega“ gepasst. Ausgestattet mit einem wuchtigen und einprägsamen Kehrreim, zählt gerade dieses Teil für mich zu den Highlights des Albums und könnte gegen Ende hin auch gut aus einem Tim-Burton-Film stammen.
Das sowohl von der Spiel- als auch von der Namenslänge her epische „Darkness Dies in Light – A New Age Dawns Part VII“ ist mit seiner eindrucksvollen, cineastisch-orchestralen und progressiv durchmischten Erlebniswelt ein Titel, mit dem Epica sehr stolz und überzeugend den symphonischen Banner hochhalten. Obwohl mir die unterschiedlichen Passagen beim ersten Hören noch etwas überladen erschienen, sehe ich das Klangwerk mittlerweile als Ausrufezeichen bezüglich Abwechslungsreichtum und musikalische Tiefe. Nicht leicht zu fassen, aber umso spannender zu entdecken. Die Weise über das Herz aus Vulkanglas („Obsidian Heart“) ist im Anschluss ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich selbst ein weniger komplexes Lied der Epicaner unaufhaltsam in die Gehörgänge schleichen kann.
Mit „Fight To Survive“ präsentieren uns die Symphonic-Metaller die wohl kommerziellste Komposition der aktuellen Langrille. Wobei man dieses Attribut, das im harten Rock eher negativ besetzt ist, ein wenig relativieren muss. Der Song ist einfach extrem rhythmisch, brennt sich schon nach wenigen Umdrehungen in die Seele ein und dürfte sich – so zumindest meine Einschätzung – live im Refrain zu einer mitreissenden Hüpfnummer entwickeln. „Metanoia – A New Age Dawns Part VIII“ ist dann ein Lehrstück in Sachen Licht und Dunkelheit und gleichzeitig ein wunderbarer Beleg dafür, warum Epica in diesem Genre wirklich keine Konkurrenz zu fürchten braucht. Grandiose Gesangslinien, schöne, aber nicht überbordende Chorpassagen, stimmige Instrumentalisierung – alles greift wunderbar ineinander.
Im Auge des Sturms
„T.I.M.E.“ mag mit seiner opernhaft-cineastischen Ader und der von Trommelsalven durchdrungenen Bridge vieles sein, aber leider nicht mein Fall. Kein schlechter Song, aber zumindest meiner Wahrnehmung nach nicht ganz auf der Höhe der restlichen zehn Tracks. „Apparition“ ist dann wieder so ein Titel, dem man durchaus das Etikett „kommerziell“ anheften könnte – und der es wohl gerade deshalb auf die Bühnen der kommenden Sommerfestivals (wie etwa dem Summerside) sowie der gemeinsamen Tour mit Amaranthe (am 27. Januar 2026 in der Halle 622 in Zürich; zur Vorschau) schaffen dürfte. Die starke Gitarrenarbeit im Mittelteil sowie der gelungene Übergang samt Refrain stechen dabei ebenso hervor wie die unglaubliche Dynamik, die die Niederländer in dieser Hymne zu entfachen imstande sind!
Du stehst auf packendes Songwriting sowie treibende Gitarren, gepaart mit kraftvollem Schlagzeugspiel und zauberhaftem Gesang? Dann ist „Eye Of The Storm“ genau dein Ding – Symphonic Metal at its best. Im Gegensatz dazu ist die nachfolgende grosse Saga des Daseins recht komplex, von Rhythmuswechseln durchzogen, mal ruhig, mal stürmisch – wie das Leben eben so spielt. Ein Stück, das viele Facetten der Gruppe beleuchtet und mit einem brillanten Intermezzo auftrumpft. Ganz grosses Kino, im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Titeltrack ist zugleich die Ballade des Albums, die Simones unvergleichliche Stimme noch einmal so richtig zur Geltung bringt. „Aspiral“ erreicht zwar nicht ganz die erhabenen Sphären eines „Rivers“ (man erinnere sich nur an die unglaubliche Kollaboration mit Apocalyptica), ist aber dennoch ein Gedicht für die Ohren. Mit dem gesprochenen Mittelteil wird zudem ein weiteres gestalterisches Puzzleteil hinzugefügt, das den Song vielleicht etwas grösser und majestätischer erscheinen lässt, als er eigentlich ist.
„Daywish“
Das Album mit einer Ballade zu beschliessen, mag auf den ersten Blick etwas gewagt erscheinen, passt aber durchaus in das Konzept dieses grandiosen Werkes. Überhaupt wirkt die Scheibe homogener und wie aus einem Guss als der Vorgänger – wunderbar ausbalanciert und arrangiert, was den stimmigen Gesamteindruck meisterhaft abrundet. Epica darf mit „Aspiral“ somit getrost als (einzige verbliebene?) Speerspitze der avantgardistischen Symphonic-Metal-Allianz bezeichnet werden. Welche andere Band bewegt sich zumindest im Hier und Jetzt auf diesem extrem hohen künstlerischen Niveau? Eben!
Was mir sonst noch in Erinnerung bleiben wird … Nun, einer meiner persönlichen Hauptkritikpunkte am neuen Nightwish-Album „Yesterwynde“ war, dass die phänomenale Stimme von Floor Jansen zu sehr in den Hintergrund gedrängt wurde und nie so richtig in dem Glanz erstrahlen konnte, den sie verdient hätte. Das kann man dem neuen Epica-Album definitiv nicht vorwerfen. Die Vocals von Simone stehen ganz vorn auf der virtuellen Bühne und schallen harmonisch und wohltemperiert aus den Boxen. Allenfalls könnte man anmerken, dass einige Passagen etwas direkter, härter hätten vorgetragen werden können und nicht so – ich sag mal – sanft, dezent, wie es mir bei Miss Simons manchmal vorkommt – ohne jetzt explizit eine bestimmte Passage nennen zu können. Es ist einfach ein unterschwelliges, persönliches Gefühl, das jede/r anders interpretieren mag.
Cookies 🙂
Und sonst? Nun, über das Cover-Artwork lässt sich trefflich streiten. Irgendwie erinnert es mich an einen unappetitlich unrunden Keks mit blauen Knopfaugen – verstörend, aber in gewisser Weise auch anziehend. Oder an das Versprechen, endlich von einem der allgegenwärtigen Internet-Cookies kosten zu dürfen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es den Albumtitel visuell aufgreifen soll, angelehnt an Stanisław Szukalskis Bronzeskulptur, die für Aufbruch und Inspiration steht – zwei Schlüsselbegriffe, die Epica anno 2025 treffend definieren. Ein vielschichtiges Kunstwerk, in dem es mehr zu entdecken gibt, als es auf den ersten Blick scheint – genau wie ihre Musik. Aber das Bild? Mal ehrlich: What the f***. Das geht definitiv besser. Für eine visuelle Nebensächlichkeit wohl eine etwas zu detaillierte Einschätzung – aber für die Generation Vinyl nun mal ein Detail, das ins Auge sticht.
Wie üblich wird „Aspiral“ in verschiedenen Formaten erhältlich sein, darunter CD, LP und digitale Downloads. Die Digipak-Version des Albums enthält zusätzlich die Blu-ray „Live at The Symphonic Synergy“, während die Earbook-Edition neben der Konzertaufnahme auf zwei Audio-CDs auch die instrumentale Version des Werkes bietet. Ihr habt die Qual der Wahl (oder schnappt euch als Ultimate-Fans gleich mehrere oder alle Varianten).
Das Fanzit Epica – Aspiral
Ja, ich gestehe, mit meiner ersten Einschätzung lag ich arg daneben. „Aspiral“ markiert gewissermassen den Beginn eines neuen Kapitels für Epica – kraftvoll, fesselnd und doch fest in der eigenen DNA verwurzelt. Und ein Werk, das sich mir erst nach mehreren Durchläufen in seiner vollen Tiefe zu entfalten vermochte – mich danach aber nicht mehr losliess. Ein Mindestmass an Geduld ist also nicht verkehrt. Klanglich gibt es ohnehin nichts zu bemängeln, alles klingt wie aus einem Guss. Unterm Strich: Neuneinhalb sackstarke Horns und einige Songs, die sich noch lange in meiner Playlist halten werden.
Anspieltipps: Arcana, Fight to Survive, Metanoia, Apparition
Digipak/Vinyl portofrei bestellen
Die Tracklist Epica – Aspiral
- Cross the Divide
- Arcana
- Darkness Dies in Light – A New Age Dawns Part VII
- Obsidian Heart
- Fight to Survive – The Overview Effect
- Metanoia – A New Age Dawns Part VIII
- T.I.M.E.
- Apparition
- Eye of the Storm
- The Grand Saga of Existence – A New Age Dawns Part IX
- Aspiral
Das Line-up – Epica
- Simone Simons – Gesang
- Mark Jansen – Rhythmusgitarre/Orchestrierung/Growls
- Coen Janssen – Keyboard/Klavier/Orchestrierung
- Ariën van Weesenbeek – Drums/Backing Vocals
- Isaac Delahaye – Leadgitarre/Growls
- Rob van der Loo – Bass
Video Epica – Arcana
