Die Einherjer-Chronik


(Raphi) Die norwegische Viking Metal-Band Einherjer hat in ihrer Laufbahn immer wieder Änderungen an ihrem Sound vorgenommen und sich weiterentwickelt. Zurzeit befindet sich die Truppe im Studio, um ein neues Album aufzunehmen. Da es sich um eine meiner Lieblingsbands handelt, habe ich mir den Weg zur nächsten Veröffentlichung in Form einer Analyse sämtlicher bisher erschienenen Alben angesehen. Los geht’s im Jahr 1996.

Dragons of the North (1996)


Einherjer haben bereits auf dem Debutalbum Dragons of the North ihren eigenen Stil gefunden, der als Ausgangslage für die weitere Entwicklung dient. Ein wichtiges Element, das auch später immer wiederkehrt, ist der stampfende Grundrhythmus des Titeltracks und von "Conqueror". Nichtsdestotrotz finden wir über sämtliche Lieder verteilt immer wieder abwechslungsreiches und zum Teil unübliches Schlagzeugspiel vor, was sich auf späteren Veröffentlichungen wiederholen wird.

Der Einsatz des Keyboards zur atmosphärischen Untermalung ist zwar durchaus vorhanden, wie beispielsweise "Dreamstorm" zeigt. Allerdings wird das Instrument hier sparsam und punktuell eingesetzt. Der Klang des Albums zeigt die Verwurzelung im Black Metal und ist relativ höhenlastig sowie leicht kratzig, wobei sich die Gitarren durchaus warm anhören und auch einen gewissen Druck ausstrahlen. Dieser Sound, wurde von der Band zwischenzeitlich zwar nicht mehr eingesetzt, ist auf den Veröffentlichungen der Spätphase allerdings wieder anzutreffen. Dragons of the North ist das einzige Album von Einherjer mit Rune Bjelland als Sänger. Ebenso ist Audun Wold an der Gitarre auf keinem anderen Album zu hören.

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Odin Owns Ye All (1998)


Der Stil von Einherjers nächster Veröffentlichung unterscheidet sich stark von demjenigen des Debutalbums. Entscheidende Veränderung sind hierbei die Gesangparts. Einerseits sind die bisherigen, rauen Vocals verschwunden und durch die ausschliesslich klar ertönende Stimme von Ragnar Vikse ersetzt worden, was ein Alleinstellungsmerkmal in der Diskografie der Band darstellt. Andererseits wurde der kompositorische Fokus auf die Gesangslinien ausgerichtet. Wurden die Melodien auf dem Vorgänger primär von den Gitarrenriffs transportiert, so sind hier die Vocals im wahrsten Sinne des Wortes tonangebend. Hinzu kommt ein stärkerer Einsatz des Keyboards, das zum Beispiel in "The Pathfinder and the Prophetess" oder "Clash of the Elder" ebenfalls in grösserem Ausmass zur Melodieführung eingesetzt wird. Dieses Stilmittel wurde eine gewisse Zeit beibehalten und ist damit auf den Alben der mittleren Schaffensphase ebenso vorhanden. Ebenfalls neu sind die in beinahe jedem Lied auftretenden Chöre, die auf Dragons of the North noch nicht in dieser Ausprägung zu finden sind. Nach der Veröffentlichung des Albums verliess Bassist Erik Elden, der nur auf dieser Aufnahme mitgewirkt hat, die Band bereits wieder.

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Norwegian Native Art (2000)


Der stark auf die Melodie fokussierte kompositorische Ansatz des Vorgängeralbums wurde auf Norwegian Native Art beibehalten. Allerdings hat die Band auch einen Teil der Rauheit, die auf dem Erstling vorherrschte, wieder aufgegriffen. Besonders die Vocals, an denen zum letzten Mal Ragnar Vikse mitgewirkt hat, orientieren sich vom Charakter und der Tonalität her vermehrt an Dragons of the North, eine Entwicklung die beispielsweis in der Strophe von "Draconian Umpire" hörbar ist. Die Ähnlichkeiten werden durch die Tatsache unterstützt, dass der spätere Sänger Frode Glesnes den harschen Gesang übernimmt.

Der vom Debutalbum bekannte stampfende Grundrhythmus wird allerdings nur noch im eröffnenden "Wyrd of the Dead" verwendet, ansonsten dominieren schnellere Tempi die Scheibe. Die Vermischung von Keyboard- und Gitarrenmelodien in "Crimson Rain" sowie die Riffstrukturen in "Hugin's Eyes" geben bereits einen Ausblick darauf, in welche Richtung sich die Band auf dem nächsten Album entwickeln wird. Generell ist die Einflechtung des Keyboards in den restlichen Sound weiter fortgeschritten als das bisher bei Einherjer der Fall war. Die auf Odin Owns Ye All prominent eingesetzten Chöre sind ebenfalls weiterhin vorhanden, finden jedoch nur in einem Drittel der Songs Verwendung. Norwegian Native Art ist die erste Veröffentlichung der Band mit Aksel Herløe an der Gitarre.

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Blot (2003)


Nachdem Ragnar Vikse Einherjer im Nachgang von Norwegian Native Art verlassen hatte, übernahm Frode Glesnes den Sängerposten vollumfänglich und behielt diese Position bis heute. Gegenüber dem Vorgänger wird die Verflechtung der Gitarrenriffs mit den Keyboardmelodien noch konsequenter und organischer angewendet. Dabei entfernt sich der Sound letzterer ein Stück weit weg von der symphonischen Ausprägung der vorherigen Alben und orientiert sich in Stücken wie "Wolf-Age" leicht in Richtung elektronischer Klangfarben.

Wieder vermehrt Anwendung findet die stampfende Grundstimmung, was einen Bogen zurück zu Dragons of the North schlägt. Die Gitarrenriffs haben im Vergleich jedoch an Komplexität gewonnen und der Klang der Saiteninstrumente ist weniger kratzig mit einer singenden Komponente, die auf Norwegian Native Art das erste Mal in den Vordergrund trat. Bei Mitbetrachtung von Odin Owns Ye All wird die klangliche Entwicklung damit in einer fortgesetzten Reihe erkennbar. Chöre werden kaum mehr eingesetzt und kommen nur noch in "Ingen Grid" vor. Einherjer nimmt auf Blot somit die riffgetragene Struktur von Dragons of the North auf, verbindet diese mit dem melodischen Ansatz von Odin Owns Ye All und packt alles unter Zugabe einiger Anpassungen am Sound in das kompositorische Grundgewand von Norwegian Native Art. Im Anschluss löste sich die Band auf, da sie der Meinung war, dieses Album nicht mehr übertreffen zu können.

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Norrøn (2011)


Fünf Jahre nach der Auflösung der Band kündigten die drei zuletzt verbliebenen Mitglieder eine Wiedervereinigung an und brachten schliesslich drei Jahre darauf in dieser Besetzung ein neues Album heraus. Mit "Alu Alu Laukar" ist zum ersten Mal eine Coverversion auf einer Veröffentlichung von Einherjer enthalten. Ein weiteres Novum stellt der Quasititeltrack "Norrøn kraft" dar, bei dem es sich um das erste überlange Stück der Band handelt, welches rund ein Drittel der Spielzeit der vorhandenen Eigenkompositionen ausmacht.

Alle Songs verfügen über die gleiche direkte Herangehensweise wie das Debut. Allerdings ist abgesehen von der Coverversion in sämtlichen Stücken eine getragene Grundstimmung spürbar, die den Liedern eine gewisse Epik verleiht. Der Keyboardanteil wurde stark zurückgefahren gegenüber der mittleren Schaffensphase und der stampfende Groove übernimmt in der Mehrheit der Stücke die Führung. So könnte "Balladen om bifrost", abgesehen von den Choreinsätzen, ohne aufzufallen Bestandteil von Dragons of the North sein. Die Chöre sind auch in anderen Stücken auf Norrøn vorhanden und werden in "Varden Brenne" ebenfalls sehr prominent eingesetzt.

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Av oss, for oss (2014)


Auf Av oss, for oss entwickeln Einherjer ihren Sound in der zuvor angestrebten Richtung weiter. Erneut wird die Direktheit der Anfangstage als Grundgerüst für den weiteren Aufbau genutzt. Die zuvor angeschnittene Epik weicht allerdings kompakten Strukturen und reichert das Gros der Kompositionen eher unterschwellig an, als sie zu leiten. Dies betrifft auch die Chöre, die gegenüber früher reduziert vorkommen. Die Band lässt zudem eine rockige Note in ihren Sound einfliessen. Dies wird vor allem in "Nidstong" und "Nord og ner" sehr gut deutlich, die starke Heavy Metal-Anleihen aufweisen. Im Gegensatz dazu führt das Album mit dem Titeltrack auch die Integration eines überlangen Stückes fort, die auf dem Vorgänger eingeführt wurde.

Einherjer entwickeln damit einerseits die an Dragons of the North erinnernden Merkmale weiter, bauen andererseits aber auch die getragene Stimmung von Norrøn punktuell aus. Letzteres wird beispielhaft deutlich im einleitenden "Hammer i kors" sowie dem abschliessenden "Av oss, for oss". Gegenüber dem Debutalbum ist der Gitarrenklang schärfer und weniger warm ausgefallen. Zum ersten Mal seit der Bandgründung erscheint ein Album in zwei verschiedenen Versionen mit dem Bonustrack "Blodsbånd".

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Norrøne Spor (2018)


Angesichts der Entwicklung seit der Wiedervereinigung halte ich es für wahrscheinlich, dass sich das neue Album in denselben Gefilden bewegen wird wie Av oss, for oss. Mit einem direkten, rockigen Ansatz scheint sich die Band sehr wohlzufühlen, was vermuten lässt, dass sie sich auch in Zukunft in diese Richtung entwickeln wird. Ob die zuletzt reduzierte epische Schlagseite wieder in grösserem Ausmass eingebracht wird oder nicht, bleibt abzuwarten.

Die mittlere Schaffensphase in der das Keyboard eine so wichtige Rolle spielte, scheint aus meiner Sicht komplett abgeschlossen, so dass Einherjer diese vermutlich nicht wieder aufleben lassen werden. Der Trend mit verschiedenen Veröffentlichungsversionen und dementsprechender Integration von Bonustracks wird ebenfalls mit grosser Sicherheit weiterverfolgt werden, gehört dies doch in der heutigen Zeit fast schon zum guten Ton.

Nachtrag im Oktober 2018: Nachdem ich Norrøne Spor nun gehört habe, lässt sich feststellen, dass obige Prognose immerhin teilweise richtig war. Das Album definiert sich tatsächlich stark über seine Fundamente im Heavy Metal. Die Epik wird nicht zurück in den Fokus gerückt, mit "Av Djupare Røtter" aber auch nicht gänzlich aussen vor gelassen. Auf ein überlanges Stück wurde dieses Mal jedoch verzichtet. Keyboard- oder Samplereinschübe sind praktisch keine mehr vorhanden. Der Klang fällt wieder etwas wärmer aus als zuletzt, was einher geht mit dem rockigen Grundton der Kompositionen. Falsch lag ich mit meiner Behauptung, das Album erscheine in verschiedenen Versionen mit Bonustrack.

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North Star (2021)


Nachtrag im März 2021: Einherjer entwickeln den Klang und Eigenheiten von Norrøne Spor auf North Star konsequent weiter. Der Gesamtklang ist verglichen mit dem Vorgänger noch etwas wärmer geworden, wobei der Gesang weiter in den Vordergrund gemischt wurde und der Fokus auf den Bass noch stärker herausgearbeitet in Erscheinung tritt. Die Band setzt erneut auf das im Heavy Metal zu verortende, rockige Fundament, das die aktuelle Schaffensphase prägt. "West Coast Groove" präsentiert dieses Grundgerüst ohne weiteren Verzierungen. In die anderen Songs arbeiten Einherjer diverse Stilmittel ein, die sie in den letzten 25 Jahren verwendet haben. Dazu gehören die an Norrøn erinnernden folkigen Melodieeinsprengsel in "The Blood and the Iron" genauso wie die Keyboardpassagen in "Stars", welche die elektronischen Elemente aus der Phase von Norwegian Native Art und Blot in moderner Form weiterführen.

Aber auch Bezüge zum Debutalbum Dragons of the North sind vorhanden, wie der stampfende Grundrhythmus von "Echoes in Blood" sehr schön illustriert. Zusammengefasst kann man North Star beschreiben als die Fortführung des auf Norrøne Spor beschrittenen Weges, angereichert um Versatzstücke von musikalischen Charakterzügen, die über die bisherigen Alben der Band verstreut zu finden waren. Im Laufe der Aufnahmen von North Star verliess Gitarrist Aksel Herløe Einherjer. Seine Nachfolge trat Tom Enge an.

Appendix I: Leve vikingånden (1995)


Um den Anspruch auf Vollständigkeit zu bedienen, sollen auch die weiteren Veröffentlichungen von Einherjer behandelt werden. Bei Leve vikingånden handelt es sich um eine aus zwei Songs bestehende EP, welche die Band im Jahr vor Erscheinen ihres Debutalbums veröffentlichte.

Das Lineup entspricht diesem Release abgesehen von der Position des Bassisten, die nicht von Stein Sund sondern von Audun Wold übernommen wurde. Rückblickend sind in "Naar Hammeren Heves" rudimentäre Ausblicke in Richtung Norrøn auszumachen, ansonsten bewegt sich die musikalische Ausrichtung im selben Bereich wie das folgende Album Dragons of the North. "Naar Aftensolen Rinner" enthält gegen Schluss hingegen Vorboten von Norwegian Native Arts und bietet bereits Chöre, die denen auf Odin Owns Ye All ähnlich sind. Einherjer zeigen also bereits auf dieser ganz frühen Veröffentlichung viele der Stilmittel, die auf späteren Alben eingesetzt werden.

Appendix II: Far Far North (1997)


Im Anschluss an Dragons of the North veröffentlichten Einherjer die EP Far Far North. Darauf enthalten ist eine Neuaufnahme von Leve vikingånden sowie das bisher unveröffentlichte "Far Far North". Der Titeltrack ist stilistisches Bindeglied zwischen Dragons of the North und dem darauf folgenden Odin Owns Ye All. Die rifforientierte Grundlage des ersteren wird hier ergänzt um Klargesang und Chöre im Stile des letzteren. Da die beiden Stücke von Leve vikingånden bereits viele Elemente beinhalten, die später vermehrt auftreten, bildet Far Far North ein schlüssiges Zwischenstück für die beiden erwähnten Alben. Nachdem die EP veröffentlicht wurde, verabschiedeten sich Sänger Rune Bjelland, Gitarrist Audun Wold und Bassist Stein Sund von Einherjer.

Appendix III: Dragons of the North XX (2016)


Zum zwanzigsten Jubiläum ihres Debutalbums entschieden sich Einherjer dazu, dieses neu aufzunehmen. Im Zuge dieser Neuaufnahme stiess Ole Sønstabø als neuer Leadgitarrist zur Band. Der Fokus der Lieder wurde gegenüber der ursprünglichen Aufnahme stärker auf die Gitarren gelegt. Im Gegenzug wurde der Anteil an Keyboards merklich zurückgefahren. Teilweise werden sogar Keyboardeinsätze durch die entsprechenden Melodien auf der Gitarre ersetzt. Auch Gitarrensoli wurden stärker herausgearbeitet. Bedenkt man, dass Dragons of the North XX in der Diskografie auf Av oss, for oss folgt, entsprechen diese Veränderungen der allgemeinen Entwicklung, die Einherjer in den vorangegangenen Jahren durchgemacht haben.

Juni 2018 (Raphi)

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